Bibel

Die Bibel ist auch eine Geschichte von Frauen

Julius Schnorr von Carolsfeld. Ruth im Feld des Boraz. Foto: Waltraud Lenhart

Online-Vortrag über Kunstgeschichte

„Kluge Frauen, starke Männer, Rollenbilder in der Bibel“, so nannte sich der Online-Vortrag, den Kunsthistorikerin Waltraud Lenhart auf Einladung von „Ökumene vor Ort“ und dem KBW Miesbach hielt. Der spannende und informative Abend macht wohl jedem Teilnehmenden Lust, ins Museum zu gehen.

Der Genuss vor Ort sei durch nichts zu ersetzen, machte die Referentin deutlich, die auch Führungen anbietet und wie sie sagte, gern am Original arbeite. Aber wenn Kulturgenuss nur äußerst eingeschränkt derzeit möglich ist, dann bietet ein solcher Zoomvortrag Inspiration.

Es ging also um das Frauenbild in der Bibel, das sich in künstlerischen Darstellungen über die Jahrhunderte massiv verändert hat. „Jeder Künstler hat seine Zeit eingebracht“, erklärte Waltraud Lenhart, aber auch die Interpretation der Erzählungen hätten sich über die Jahre gewandelt.

Frauen sind ebenbürtig

So bot der Vortrag dreierlei. Die Referentin machte mit Erzählungen aus der Bibel, die teilweise wenig bekannt sind, vertraut. Sie wies darüber hinaus auf veränderte Interpretationen entsprechend der Zeit hin und sie machte mit ihren zahlreichen Beispielen auch neugierig auf Künstlerinnen und Künstler, die hinter ihren berühmten Zeitgenossen etwas versteckt sind.

Insbesondere sind das Frauen, deren Werke ebenbürtig neben denen ihrer männlichen Malerkollegen stehen und die sich sogar besonders in die Psyche der abgebildeten Frauen hineinversetzen können.

Kunstgeschichte
Albrecht Dürer: The Fall of Man (Adam and Eve) Google Art Project.

Am Anfang des Ganges durch die Kunstgeschichte standen Adam und Eva, „am häufigsten dargestellt“, wie die Kunsthistorikerin anmerkte. War es im 15. Jahrhundert bis hin zu Albrecht Dürer vor allem die Geschichte von Sündenfall und Versuchung, also der Schuldzuweisung von Eva, überrascht eine andere Deutung von Hans Baldung, genannt Grien, der die Partnerschaft, ja Zärtlichkeit in seinem Bild zeigt.
Aber auch die Barockmaler interpretieren wiederum die Geschichte als Verführung. Bis ins 19. Jahrhundert hinein legitimieren die Künstler ihre Darstellung der Nacktheit durch die biblische Erzählung. Als Höhepunkt der erotischen Darstellung zeigte Waltraud Lenhart Gustav Klimts Darstellung.

Mann-Frau in der Kunstgeschichte

Auch die folgenden Erzählungen, die die Referentin ausgewählt hatte, sind Mann-Frau-Geschichten. In der anrührenden Geschichte von Rut und Boas aber ist die eigentliche Beziehung von Zuneigung und Treue zugunsten einer landschaftlichen Sommerdarstellung von den Künstlern einheitlich in den Hintergrund verwiesen worden.

Ökumene vor Ort
Referentin Waltraud Lenhart. Foto: privat

Kaum erzählt und nur wenig dargestellt sei die Geschichte von Abigail und David. Hier geht es um das Sinnbild einer klugen und mutigen Frau, die sich gegen ihren gewalttätigen Mann Naval stellt, um bei David Segen für ihr Volk zu erbitten. Eine ähnliche Geschichte betrifft Ester und Ahasver, auch hier geht es um den Mut einer Frau, die selbstlos ihr Volk retten will. In den späten Darstellungen aber des 19. Jahrhunderts hätten die Künstler eher die theatralische Darstellung mit viel Dramatik, denn die wirklichen Hintergründe dargestellt.

Das Beispiel Jakob und Rachel zeigt, dass es die Künstler nicht immer so genau mit der eigentlichen Geschichte nehmen, denn Jakob musste auch die ältere Schwester heiraten, die Dreiecksbeziehung aber ist in der Kunst kaum dargestellt, immer nur die große Liebe auf den ersten Blick zwischen Jakob und Rachel.

Kunstgeschichte
Artemisia Gentileschi: Judith mit dem Kopf des Holofernes. Foto: Waltraud Lenhart

„Am häufigsten wird in der Kunstgeschichte Judith mit dem Haupt des Holfernes dargestellt“, sagte Waltraud Lenhart. Hier gehe es um die Legitimation des Tyrannenmordes, aber auch um den Sieg der Frauen über die Männer. Kein Wunder also, dass sich Malerinnen des Themas annahmen. Die Referentin verwies insbesondere auf Artemisia Gentileschi, die selbst unter Männern zu leiden hatte. „Im Gesicht der Judith drückt sich ihre persönliche Abrechnung mit der Männerwelt aus“, betonte die Kunsthistorikerin. Immer wieder finde man in der Ikonografie persönliche oder politische Hintergründe der Kunstschaffenden. Die Künstlerin stellte auch die wenig bekannte Geschichte von Jael und Sisera dar, in der die Frau dem Mann einen Nagel durch den Kopf schlägt.

Biblische Geschichte nur Alibifunktion

Susanne im Bade sei durch die Kunst mehrfach umformuliert worden, erklärt die Kunsthistorikerin. Einmal gehe es um Verführung, dann um Bedrängnis, einmal um die reine Nacktheit. Einen neuen Aspekt habe Anthonys van Dyck hineingebracht, dessen Gemälde heute der MeToo-Debatte zugeordnet werde, da sich Susanna versuche zu bedecken und vor den beiden Alten fürchtet. In späteren Darstellungen indes haben wieder Koketterie, Nacktheit und Erotik Priorität. „Die biblische Geschichte hat nur Alibifunktion“, sagte die Referentin.

Um Frauenlist handelt es sich bei Samson und Delilah, nicht gerade rühmlich, wie Waltraud Lenhart bemerkte, denn sie will bekanntlich hinter sein Geheimnis kommen, um seine Kraft zu brechen.

Spaziergang durch Bibel und Kunstgeschichte

Der ungemein bildende und unterhaltsame Spaziergang durch die Bibel und die Kunstgeschichte offenbarte, mit welchen Methoden Geschichten erzählt werden, wie eigene Interpretationen der Künstler dazukommen und ästhetische Kriterien eine Rolle spielen. Wichtig aber sei ihr auch festzuhalten, so Waltraud Lenhart, dass Frauen tragende Rollen im Alten Testament spielten. „Die Bibel ist auch eine Geschichte von Frauen.“

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