30 Jahre gemeinsame Kunst
Guten Grund zum Feiern hatten die Mitglieder des Kunstkreises Fischbachau anlässlich der Vernissage zum 30-jährigen Bestehen. Foto: Hartmut Wolf
Ausstellung in Fischbachau
Der große gediegene Klostersaal in Fischbachau beheimatet noch bis zum 7. April die diesjährige Ausstellung des Kunstkreises Fischbachau. Mit fast 100 Gemälden, Zeichnungen, Statuen und vielem mehr begeistert die Gesamtschau zum 30-jährigen Bestehen der Künstlervereinigung durch ungewöhnliche Vielfalt und ihr gewohnt sehr hohes Niveau.
Kein bisschen leise
30 Jahre jung, voller Elan und Ideen, dabei von außergewöhnlicher Qualität – so präsentierte sich der 1994 gegründete Kunstkreis Fischbachau anlässlich der Vernissage zur Jubiläums-Ausstellung am 23. März 2024. Mehr als 100 Besucher – unter ihnen Bürgermeister Josef Deingruber, Pfarrer Stefan Spitzhirn und die Presse – waren gekommen, um die aktuellen Arbeiten zu sehen – vor allem aber, um mit den 15 Künstlerinnen und Künstlern eine ungewöhnliche Leistung gebührend zu feiern.
Unterstützt durch die temperamentvollen Songs, die das Musiker-Duo Helmut und Robert anstimmten, hatten die Gäste zunächst Zeit, die gesamte Ausstellung zu durchstreifen und sich auf die ungewöhnliche Geschichte ihrer Entstehung einzulassen.
Gemeinsam stark
Seit 1994 steht der Kunstkreis Fischbachau für das kulturelle Geschehen im Leitzachtal, bereichert und prägt es weit über die Grenzen des Tales hinaus. Dabei ist nicht nur die langjährige Zusammenarbeit der Künstlerinnen und Künstler zu bewundern – das Erstaunlichste ist, dass der Zusammenschluss überhaupt zustande kam, sind Künstler doch Individualisten und überaus eigenständige Persönlichkeiten. Wenn Künstler jedoch als Gruppe zusammenwirken, kann Ungewöhnliches entstehen. Dann sind es eben genau die Impulse aus der Gemeinschaft, die im Austausch miteinander das eigene Wirken immer neu befruchten, festigen und eine stete Weiterentwicklung befördern.
Schön fürs Auge: Die Ausstellung im Klostersaal in Fischbachau nützt den Raum optimal. Foto: Hartmut Wolf
Dieses kleine Wunder ist in Fischbachau gelungen. Unter dem 1999 von Stefan Ambs entworfenen Logo, einem offen wirbelnden Kreis, sammeln sich hier Künstlerinnen und Künstler aller Bereiche, um gemeinsam etwas zu bewegen. Der gute und lebendige Zusammenhalt der Gruppe war an diesem Abend förmlich mit Händen zu greifen und bescherte Publikum wie Ausstellenden beschwingte Feststimmung.
Ein sommerlicher Beginn
Eine gut gelaunte Brigitte Appelt rief schließlich die Besucher zusammen, um den kurzweiligen Rückblick auf 30 Jahre Schaffen und Zusammenhalt zu eröffnen: „Es war einmal an einem schönen Sommertag im Jahr 1994…“ sagte Brigitte Appelt, die gerne und gut Märchen erzählt, und rief das historische Zusammentreffen ins Gedächtnis. Susanne Noll, die damals zu einer kleinen Ausstellung in ihrem Garten geladen hatte, und ihre Freundin Brigitte Appelt wurden dort unversehens von Heinz Christian Nowak, einem „Zuagroasten“ angesprochen. Der hatte eben eine Malschule gegründet und war auf der Suche nach Schülerinnen und Schülern auf die Idee gekommen, den Kontakt zur örtlichen Kunstszene zu suchen und eine Zusammenarbeit zu begründen.
Sind sich einig, dass Kunst nur mit Rahmen, Raum und Unterstützung existieren kann: Fischbachaus 1. Bürgermeister Josef Deingruber und Brigitte Appelt. Foto: Hartmut Wolf
Neugierig geworden fanden sich tatsächlich bald darauf 11 Personen an einem Tisch im Winklstüberl ein und kamen überein, das Wagnis eines Kunstkreises zu versuchen.
Schon zu Weihnachten 1994 konnte die 1. Ausstellung noch im alten Sitzungsaal stattfinden – sie wurde wie alle kommenden Ausstellungen ein großer Erfolg. Da hat es sicher eine Rolle gespielt, dass man von Anfang an den Wert der Vielfalt erkannt hat und dass Malerei, Plastiken, Holzschnitzereien und Keramiken, später auch Fotos ihren Platz hatten.
Wie es weiterging
So war nicht nur eine Plattform entstanden, die sich im Lauf der Jahre auf die spannendste Weise weiterentwickelte: Von Anfang an bestand eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Techniken und Ansätzen. Gerade daraus eine Stärke zu entwickeln und sie über so lange Zeit zu erhalten und weiterzutragen, ist eine ganz besondere Leistung, setzt sie doch wahre Toleranz und Größe voraus.
Großes Interesse brachten die Besucher den Exponaten entgegen. Foto: Hartmut Wolf
Gemeinsame Reisen ins Val di Non (1996) oder nach Venedig (2001), aber auch kleine Ausflüge wie nach Würzburg (1997) oder nach Murnau (2008) schweißten die Gruppe zusammen, die eine Zeitlang jährlich bis zu zwei Ausstellungen realisierte. Dabei wurde kontinuierlich am Konzept gefeilt: Mit der Aktion „Auf der Bühne“ rückten zum Beispiel Themen in den Mittelpunkt, zu denen alle ein Werk beitrugen: Nächstenliebe (1997), Gegensätze (1998), Übergänge (1999), Schwingungen (2001), Lichtblicke (2016) oder Blau (2018). Diese „Ausstellung in der Ausstellung“ bündelt gleichsam die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Künstler, zeigt konzentriert einen Überblick über Malstile und Herangehensweise und ermöglicht so einen Blick in die Fülle der inneren Welten.
Wie Vivien Cahausac de Caux hat jeder Künstler genug Raum für seine Werke.. Foto: Hartmut Wolf
Mit den Bildern von Brigitte Appelt begannen im Sommer 2006 die Einzelschauen auf der Bühne – zuletzt gab es dort 2023 das exotisch-eigenständige Werk von Vivien Cahausac de Caux zu sehen.
Anlässlich des Jubiläums ist nun 2024 wieder ein gemeinsames Thema erarbeitet worden: „Zauberhaft“, das die Besucher ins Reich der Träume einlädt.
Viele Aufgaben bewältigt
Wer die Mitgliederlisten aufmerksam studiert, erfährt, dass der Kunstkreis bis zu 43 Mitglieder zählte. Heute sind es 15 – und von den Gründungsmitgliedern sind Susanne Noll und Brigitte Appelt weiterhin aktiv und prägen, gemeinsam mit Brigitte Nevole, die 2010 dazu kam, den öffentlichen Auftritt.
Gründungsmitglied Susanne Noll im Gespräch mit unserer Redakteurin Verena Wolf. Foto: Hartmut Wolf
Kontinuierlich haben sie sich weiterentwickelt im Inneren und im Äußeren und mit allen Neuerungen Schritt gehalten: Seit 2007 hat die Gruppe einen Internetauftritt. Seit 2008 stellen einzelne Künstler in Rathausflur in Fischbachau aus. Während der Coronazeit wurde die Ausstellung 2020 kurzerhand nach Holzkirchen verlegt – alles dies erfordert einen Einsatz, der weit über die Kunst hinausgeht.
Vom großen Engagement auch in anderen Bereichen spricht etwa die Ausstellung, die der Kunstkreis 2012 zu Gunsten der evangelischen Kirche veranstaltete. Der Erlös der „Memoriam Franz-Karl Rinecker Ausstellung“, der 1998 beigetreten war, kam der Renovierung zugute.
Und die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. 2023 traten Antje Lauer und Marie-Louise Lohrum bei: Lauer, eine in Brüssel ausgebildete Trompe-l’œil-Künstlerin, und die in Miesbach ansässige Marie-Louise Lohrum, die sich auf Horoskope als Polychromie spezialisiert hat, tragen wieder ganz neue Impulse in die Gruppe.
Wer sich für die Entwicklung des Kunstkreises interessiert, der findet übrigens gleich am Eingang zur Ausstellung die informative Chronik.
Vielfalt in Hülle und Fülle – gut geordnet
Kennt man die Entschlossenheit, mit der die Mitglieder seit 30 Jahren an der Existenz des Kunstkreises Fischbachau festhalten und sie bewusst gestalten, ist es umso verblüffender zu sehen, wie unterschiedlich die einzelnen Arbeiten ausfallen. Hier ist leider nicht der Platz, auf jede Persönlichkeit und jedes Werk gebührend einzugehen, aber es muss Platz sein, wenigstens einen Überblick zu geben.
Dabei muss man übrigens den Gestaltern der Ausstellung das Kompliment machen, dass sie ihr Handwerk verstehen: Durch die kluge Gliederung der Ausstellung in einzelne Bereiche kann man sich als Besucher in die Welt jeder Künstlerin und jedes Künstlers ungestört vertiefen – gleichzeitig hat man die ganze Fülle im Auge.
Im Reich der Malerei
So viele Gemeinsamkeiten Brigitte Appelt und Susanne Noll in ihrer Beständigkeit haben mögen – ihre Bilder könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Susanne Noll den Zauber der Welt in leichtfüßigen Aquarellen beschwört, hält Brigitte Appelt ihre Erinnerungen an konkrete Orte malerisch fest. Sehr interessant ist es auch, die Werke von Marianne Hänsel und Victoria Claudel zu betrachten: Mutter Marianne Hänsel hat sich eindrucksvoll dem farbstarken Porträt von Blumen und Blüten verschrieben – ihre Tochter Victoria Claudel ist mit einem eher am Abstrakten orientierten Werk mit sprühenden naiven Momenten auf einem ganz eigenen Weg.
Werke von Marianne Hänsel. Foto: Hartmut Wolf
Eigenständig ist auch das Werk von Vivien Cahausac de Caux. Aufgewachsen in Kenia, gelingt es der heute in Fischbachau ansässigen Künstlerin Menschen und ihre Umgebung in unterschiedlichen Techniken zu verschmelzen. Sehr fein und zart in den Farben ist dagegen Brigitte Nevole auf der Suche nach goldenen Horizonten. Lotte Schwenkhagen arbeitet lieber im Realen, gilt ihre Liebe doch dem Tierporträt. Ricci Bernrieder ist Grafiker und immer für eine Überraschung gut: Er hat Sinn für Karikaturen ebenso wie für stille Momente der Bergeinsamkeit. Dem Nahen und der Natur sind Bärbel Wünsche und Roswitha Klein zugetan – beide entdecken ihre Motive in der Umgebung. Dabei wagt Bärbel Wünsche den Schritt ins feinfühlig Abstrakte, während Roswitha Klein dem naturnahen Aquarell neigt. Ursula Schwarzbauer (ARA.S) weiß, das das Herz der Mittelpunkt ihrer energiegeladenen Welt und eines vielfältigen Werkes ist, das sie in farbenfrohen Pastellkreidebildern zum Strahlen bringt.
Stets lockt die nächste Welt: Der Besucher hat die Freude des Entdeckens.. Foto: Hartmut Wolf
Andere Wege gehen
In einer eigenen Kategorie ist Stefan Ambs anzusiedeln. Seine in einer eigenen Eitempera-Technik gemalten Bilder erzählten Geschichten, die dem phantastischen Realismus zuzuordnen sind.
Mit der Motorsäge ist Rudolf Peukert künstlerisch unterwegs. Ihm gelingen aus unterschiedlichen Hölzern eindrucksvolle Skulpturen, die heimischen Tieren und Themen gewidmet sind.
Schwer hat den Kunstkreis im letzten Jahr der Tod von Andrea Bahr und Heiner Findeiss getroffen. Beide hatten sich der Fotografie verschrieben und waren mit ihren Bildern feste Größen in den Ausstellungen.
Brachten gute Laune und luden zum Tanz: Das Musik-Duo Ludwig und Robert.. Foto: Hartmut Wolf
Kunst ins eigene Leben mitnehmen
Dass solche Kunst „Zeit, Rahmen und Ambiente braucht“ und sie in Fischbachau tatsächlich auch erhält – dafür dankte Brigitte Appelt der Gemeinde Fischbachau, die seit 1999 den Klostersaal zur Verfügung stellt, und im besonderen Bürgermeister Josef Deingruber. Der ergriff dann auch das Wort, dankte seiner seinerseits dem Kunstkreis für sein Wirken und fand auch die rechten Worte, um dem Publikum aus dem Herzen zu sprechen: „Wenn man ein Bild nur einmal ansehen mag, weil man denkt, man kennt es schon – dann kann das Bild keine Kunst sein. Wahre Kunst regt zur Auseinandersetzung an… Und in diesem Sinn wünsche ich der Ausstellung, dass Sie, liebes Publikum sich hineinvertiefen mögen in diese Bilder und sie wertzuschätzen, damit Sie bereichert werden durch all das Schöne, das hier entstanden ist.“ Da ist es gut zu wissen, dass alle gezeigten Werke auch zum Verkauf stehen.
Zum Weiterlesen: Bunte Vielfalt beim Kunstkreis Fischbachau