Der entspannte Ton zwischen Kunst und Therapie
Konzentrierte Arbeit kann lustvoll sein – Keramikmeisterin Monika Ulbricht arbeitet auch mit Kindern. Foto: Karin Sommer
Dass Ton bei der Keramikproduktion eine entscheidende Rolle spielt, ist unumstritten. Was er aber in der Interaktion mit Menschen bewirkt, hat die Keramikermeisterin Monika Ulbricht aus Rottach-Egern über viele Jahre in ihrer Werkstatt erfahren. Dort bewegt sich der Ton zwischen Kunst und Therapie.
Die erste Erinnerung an Ton ist eine Geruchsmischung aus Zement und Erde. Der Raum, in dem der Ton aufbewahrt wurde, war kühl und feucht, nicht gerade als gemütlich zu bezeichnen. Trotzdem zog es Monika Ulbricht schon als Mädchen immer wieder dorthin, weil der Geruch „zum Hineinlegen“ war, wie die Keramikerin in vierter Generation in ihrer Werkstatt in Rottach-Egern erzählt.
Neben dem Geruch sei es das Anfassen des Tons, das seine Faszination auch nach vielen Jahren nicht verloren hat. „Ton entspannt.“ Davon ist Monika Ulbricht überzeugt und profitiert davon nicht nur selbst, sondern bietet die Möglichkeit des Arbeitens mit Ton in verschiedensten Formen in ihrer Werkstätte an. Unzählige Junggesellinnenabende hat sie kreativ begleitet, Firmenmitarbeitern Teamarbeit nähergebracht und Kinder dazu ermutigt, ihren Ideen gestalterisch freien Lauf zu lassen.
Kunsttherapie Monika Ulbricht: Teilnehmerinnen des Seminares erspüren den Ton. Foto: Toni Pfenninger
Die vielen ruhigen, zufriedenen Menschen, die ihre Werkstatt nach zwei Stunden Arbeit mit Ton verließen, erweckten in Monika Ulbricht den Wunsch, die Arbeit mit Gruppen und einzelnen Personen zu vertiefen. Im Mai 2019 begann sie eine kunsttherapeutische Ausbildung in Regensburg. Das bedeutete immer wieder Wochenende nur für sie selbst, jenseits der Produktion von Keramik, der Arbeit mit Menschen, dem Dasein für die Familie. Mit dem Radl entlang der Donau, war sie eine von vielen Studenten, die sich auf das Lernen konzentrieren durfte.
Jenseits der Forderung nach Leistung
Sich Zeit für sich selbst zu nehmen, wieder einmal etwas zu tun ohne ein Ergebnis liefern zu müssen, sind oft auch Beweggründe für Menschen, die Monika Ulbrichts Werkstatt aufsuchen. Dafür bietet die Arbeit mit Ton ideale Voraussetzungen. Zuerst einmal hinlangen, riechen, spüren, dann formen und neugierig sein, was dabei entstehen könnte.
Spüren statt funktionieren
Kurse sowie Einzelstunden mit Monika Ulbricht sind für Menschen geeignet, die die Hektik des Alltages hinter sich und den Geist zur Ruhe kommen lassen möchten. Nicht selten tummeln sich Kinder in der Werkstatt, die von den hohen Anforderungen und schnellen Rhythmen des heutigen Lebens überfordert scheinen, wogegen sie in der Arbeit mit dem Ton Selbstwirksamkeit erleben. Erwachsene erlauben sich, für sich zu sein, zu spüren statt zu funktionieren und entspannt einer Tätigkeit nachzugehen, die sie mit Freude erfüllt.
Die Freude über die eigene Kreation einer Kursteilnehmerin ist augenscheinlich. Foto: Toni Pfenninger
In der praktischen Abschlussarbeit ihrer kunsttherapeutischen Ausbildung bot Monika Ulbricht vier Menschen die Gelegenheit, die Verschmelzung von Kunst und Therapie zu erleben. Zwei Mütter und ihre beiden Töchter ließen sich auf vier Treffen ein, in denen sie gemeinsam und für sich selbst forschten, fühlten, erkundeten und Kunst erschufen. Sinnliche Begegnungen entstanden, mit der Natur am See und im Wald, mit dem Material Ton und auch untereinander. Mütter, die sich ins Gestalten vertiefen durften. Mädchen, die entdeckten, experimentierten und sich erprobten.
Den Mut finden, sich zu zeigen
Der Höhepunkt des Projektes war dessen Präsentation vor Freunden, die an die Bootshütte zum See geladen worden waren. In die Natur eingebettete Kunstwerke erzählten von dem Abenteuer der Kursteilnehmer, dem Ton und sich selbst näher zu kommen. Wenn Monika Ulbricht von diesem Ereignis erzählt, besticht vor allem die Ehrlichkeit, die Bereitschaft aller Beteiligten, sich zu zeigen und es zu wagen, sich jenseits der Rollen zu bewegen, in denen Sicherheit und Bekanntes überwiegen.
Monika Ulbricht präsentiert die Arbeit der Teilnehmerinnen am See. Foto: Toni Pfenninger
Am Ende der Präsentation des Kunsttherapieprojektes bekamen alle Teilnehmer und Zuschauer einen Patzen Ton in die Hand. Nachdem er ordentlich geknetet worden war, durfte er in den See geworfen werden, mit all dem Belastenden, das ebenfalls danach verlangte, von den Tiefen des Sees aufgenommen zu werden. Und weil der Ton so entspannt ist, machte es ihm auch nichts aus, er verschmolz mit dem See.
Lesetipp: Keramikerin Monika Ulbricht in den 32. Kulturbegegnungen, S. 15
Kunsttherapie Monika Ulbricht
Wer jetzt Lust auf sinnliches Erleben in der heimeligen Werkstatt der Kunsttherapie bei Monika Ulbricht bekommen hat, braucht nur noch den Schritt zu wagen, dort vorbeizuschauen. Das herzliche Lächeln der Keramikerin wird letzte Zweifel darüber nehmen, am richtigen Ort angekommen zu sein.