Kurz innehalten im Alltagsstress
Priska Büttel vor ihrem Bild „Die Blaue Welle“. Foto: Felicia Knittel
Ausstellung in Gmund am Tegernsee
Innehalten. Beobachten, wie sich Dinge im Laufe der Zeit wandeln. Das ist etwas, was in unserer Gesellschaft immer seltener wird. Wann haben Sie sich das letzte Mal Zeit genommen, etwas in aller Ruhe auf sich wirken zu lassen? Priska Büttel nimmt sich diese Zeit und erschafft aus ihren Impressionen Kunst.
Wie eine Insel im Alltagsstress ist der Besuch der Ausstellung von Priska Büttel. Welch ein außergewöhnlicher Moment ist es, für uns die Ausstellung gemeinsam mit der Künstlerin besuchen zu können. Direkt im Eingangsbereich der Raiffeisenbank in Gmund wird man von mehreren ihrer Werke empfangen. Im Vorbeigehen lassen wir den Blick schweifen, denn wir beginnen im oberen Teil der Bank. Dort ein Kunstwerk, das sofort ins Auge springt. Zwei Holzbalken, die nebeneinander stehen. Auf den ersten Blick scheinen sie recht unscheinbar und wir werden die Bedeutung dieses Kunstwerkes auch erst später erfahren, denn die Künstlerin führt uns zunächst zu ihren Fotografien, die im ganzen Stockwerk an der Wand hängen.
Der Wandel in Momentaufnahmen
Die ersten Bilder zeigen verschiedene Blumen, immer einmal in ihrer vollen Pracht und einmal verblüht und ohne Blätter. Priska Büttel erklärt, dass sie versucht die Verwandlung in der Natur einzufangen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, sagt sie. Die Kamera zeigt oft Dinge, die das Auge nicht wahrnimmt. Manchmal werden zum Beispiel Äste in der Kamera transparent, erzählt sie. In solchen Momenten fragt sie sich, was überhaupt das Wesentliche in einem Ding ist. Wenn die Kamera es nicht einfangen kann, ist es doch sehr schwer, sich seiner eigenen Wahrnehmung sicher zu sein.
Dreiteilige Fotografie: „Gottesteilchen“ von Priska Büttel. Foto: Felicia Knitter
Während sie uns das erzählt, betrachte ich eine Bilderreihe und bin beeindruckt von den Lichtbrechungen und Schatten, von denen ich doch recht sicher bin, dass ich sie mit dem bloßen Auge in der Natur nicht gesehen hätte.
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Der Wandel des Materials
Einen weiteren Teil der Ausstellung bilden mehrere Arbeiten mit Farbe, Wolle und Seide.
Nunofilz: „Metamorphose“. Foto: Felicia Knitter
Die Künstlerin schildert uns, mit welch großem zeitlichen und zum Teil körperlichen Einsatz sie diese Werke gestaltet, in denen sie auch persönliche Erfahrungen verarbeitet. Dabei ist es besonders spannend und nicht immer vorhersehbar, wie sich das Material im Verarbeitungsprozess verändert.
Am Schluss unseres Rundgangs durch die obere Etage stehen wir wieder vor den beiden Holzstämmen, die zum Innehalten einladen und ursprünglich ein einziger Stamm von einem Steg in einem See waren.
Eichenholz: „Wishing Tree“. Foto: Felicia Knitter
Auch hier sieht man wieder den Wandel von Material, wenn es unterschiedlichen Verhältnissen ausgesetzt ist. Doch das ist nicht alles, was man sehen kann. Eine Weile stehen wir einfach nur da und betrachten das Holz. Ein paar Schritte zurücktreten und innehalten. Und bald fällt uns immer mehr im Holz auf. Kleine Details, die wir beim Vorübergehen am Anfang gar nicht bemerkt haben.
Die Künstlerin erklärt uns, dass sie manchmal sieht, wie die Menschen an diesem Holz vorbeilaufen und gar nicht richtig hinschauen. Sie sehen einfach nur Holz. Sonst nichts. Aber wenn man sich die Zeit nimmt, genau hinzusehen, dann findet man immer etwas Neues, was man vorher noch nicht gesehen hat. Die intensive Betrachtung des Kunstwerkes lädt zum Verweilen und Nachdenken ein und vermittelt schließlich ein Gefühl von Ankommen.
Blau ohne blau zu sein
In der unteren Etage bleiben wir vor einem Bild stehen, das einen Ausschnitt des Meeres zeigt. Dazu sagt Priska Büttel: „Es ist blau ohne blau zu sein und es spiegelt ein Element, das blau, aber eigentlich farblos ist“.
Fotografie „Die Blaue Welle“ von Priska Büttel. Foto: Felicia Vennemann
Beim Betrachten dieses Bildes hat man das Gefühl, an eben diesem Meer zu stehen und bis auf den Grund des Wassers sehen zu können, ohne dass man es wirklich kann. Die Wellen geben dem Bild eine ausdrucksstarke Tiefe und man meint fast sehen zu können, wie sie sich bewegen. Zusammen mit dem blauen Filz im Eingangsbereich könnte man die Kunst als nahezu vollendet betiteln.