Landkreis Bad Tölz verleiht Kulturpreise
Preisträger und Laudatoren: Matthias Kiefersauer, Antonia Leitner, Monika Ziegler, Friedrich Ani, Landrat Josef Niedermaier, Marcus Mittermeier, Jürgen Kirner. Foto: Petra Kurbjuhn
Kulturpreisverleihung in Bad Tölz
Am 4. Juni verlieh Josef Niedermaier, Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen den Kulturförderpreis an Bildhauerin Antonia Leitner, den Kunstpreis an Regisseur und Autor Matthias Kiefersauer und den Kulturehrenbrief an den Schriftsteller Friedrich Ani. Zweimal verschoben konnte die Kulturpreise 2020 endlich überreicht werden.
Ich durfte die Laudatio für Antonia Leitner, die in Reichersbeuern lebt und in Waakirchen arbeitet, halten:
„Ich gestehe, ich bin neidisch. Ich bin neidisch, weil ich heute eine junge Künstlerin würdigen darf, die von Ihnen, Herr Landrat, den Kunstförderpreis erhalten wird, weil Ihr Landkreis diesen Preis hat und unser Landkreis Miesbach hat ihn nicht.
Und ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihrem Amtskollegen Olaf von Löwis ordentlich auf die Pelle rücken werde, damit es auch bei uns zu einer solchen Ehrung kommen wird. Gut, Antonia Leitner haben Sie uns weggeschnappt, die ja eine Grenzgängerin zwischen den beiden Landkreisen ist, denn sie wohnt zwar bei Ihnen, aber ihre Werke entstehen bei uns, in Waakirchen, im Atelier ihres Mentors, des weit über die Region bekannten Bildhauers Otto Wesendonck, der ihr Talent sehr früh erkannte und sie förderte. Aber es gibt im Landkreis Miesbach noch genügend Anwärter.
Antonia Leitner und „Apate“. Foto: Petra Kurbjuhn
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist mir eine große Ehre, dass ich hier stehen darf, um eine Laudatio auf Antonia Leitner zu halten. Wir von KulturVision e.V. haben den Weg der jungen Künstlerin von Anfang an journalistisch begleitet, schon 2014 erschien in unserer Zeitung Kulturbegegnungen der erste Artikel über sie und 2018 noch einmal einer. Das kommt äußerst selten vor und weist schon darauf hin, dass wir es hier mit einer außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit zu tun haben.
„Apate“ verbindet Kunst und Naturwissenschaft
Davon konnten Sie sich bereits im Foyer überzeugen, wo die vielleicht bemerkenswerteste und spektakulärste Arbeit von Antonia Leitner, ihre Diplomarbeit „Apate“ zu sehen ist, die einen jeden Betrachter sofort fasziniert. Als sie mir diese Arbeit 2018 zeigte, war ich sprachlos und hingerissen. Als Physikerin ist mir die Verbindung von Kunst und Naturwissenschaft ein besonderes Anliegen.
Diese junge Frau hatte diese Verbindung in einer faszinierenden Art und Weise realisiert. Vor einem Hohlspiegel aus Edelstahl platzierte sie ein Objekt aus Bronze, dessen polierte gewölbte Fläche dem Betrachter zugewandt ist, getarnt vom Spiegel. Der Betrachter sieht im Spiegel ein Objekt, dessen Form sich permanent ändert, je nach Standort des Betrachters.
„Apate“ bei der Tegernseer Kunstausstellung. Foto: Ines Wagner
Damit provoziert die Bildhauerin eine intensive Begegnung zwischen Betrachter und Kunstwerk. Denn wenn ich das von mir gesehene Objekt berühren will, fasse ich ins Leere. „Apate“ ist ein Dämon der griechischen Mythologie und stellt die Personifizierung der Täuschung und des Betrugs dar. Nein, betrügen will uns Antonia Leitner nicht, sie hat die Gesetzmäßigkeiten der klassischen Optik genutzt, genau die Reflexion und Brechung berechnet und damit ein virtuelles Kunstwerk erschaffen, das den Betrachter einlädt zu spielen, das auch Menschen, die vielleicht der Kunst nicht so nahe stehen, den Zugang zur Kunst ermöglichen.
„Apate“ bei der Kunstwoche in Lenggries. Foto: Petra Kurbjuhn
„Apate“ war 2018 bei der Tegernseer Kunstausstellung und 2019 bei der Kunstwoche Lenggries zu sehen, als Antonia Leitner als Gastkünstlerin von der Künstlervereinigung Lenggries eingeladen wurde und die Besucher begeisterte. Ihr Werk passte vorzüglich zum Titel der Präsentation „Transparenz“. Inzwischen ist Antonia Leitner – und ich bin schon wieder neidisch, weil uns die Künstlervereinigung zuvorgekommen ist – Vorstandsmitglied und arbeitet tatkräftig an der Organisation und Ausstellungstätigkeit mit.
„Duo“. Foto: Petra Kurbjuhn
So war sie maßgeblich an der Planung und Durchführung der Ausstellung „KraftWerke“ im Casino der maroden Prinz-Heinrich-Kaserne in Lenggries im September 2021 beteiligt. „Kunst in der Ruine“, das hatte Charme und in der Tat, es war etwas Besonderes, an diesem militärischen Ort, wo früher Stiefel trampelten und Befehle geschmettert wurden, eine viel inspirierendere Art des menschlichen Lebens, Kunst in ihrer Vielfalt, vorzufinden.
Hier zeigte Antonia Leitner ihre Serie „Duo“. Drei sich drehende Bronzewerke in harmonischer Form demonstrieren den Prozess des Lebens zu zweit. Es beginnt mit „Anflug“, dem vorsichtigen Kennenlernen, es folgt die „Verknüpfung“ des Zusammenseins, das schließlich zur „Verschmelzung“ führt. Also Happy End.
Duo von außen beeinflusst
Aber das ist nicht alles, denn im Hintergrund hatte Antonia Leitner das überdimensional große Bild ihrer Künstlerkollegin Kerstin Skringer platziert, eigens gemalt für diese Ausstellung, das den Blick nach draußen in eine kontrastreiche Landschaft zeigt. Dieser Blick nach draußen spiegelt sich in den Oberflächen der Bronzen. Für mich ist das die künstlerische Übersetzung, dass unser Duo wahrlich nicht unbeeinflusst von der Umgebung hin zur seligen Verschmelzung strebt, sondern durchaus das Außen in seiner Vielfalt Wirkung besitzt. Ob positiv oder negativ sei dahingestellt.
Wichtig für die künstlerische Aussage ist mir wiederum, dass Antonia Leitner auch hier die Betrachterin, den Betrachter in ihre Arbeit einbezieht und damit einen ganz wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmung von Kunst beisteuert. An diesen Werken kann niemand einfach so vorübergehen, eine jede, ein jeder wird automatisch gefesselt.
„Wandlung“ bei Hibatzld in Gut Kaltenbrunn. Foto: Petra Kurbjuhn
Antonia Leitner hat aber auch eine Reihe von Werken geschaffen, die durch ihre schlichte Schönheit und Harmonie bestechen. Sie heißen „Wandlung“ oder „Prisma“. Und auch diese Werke üben einen wichtigen Einfluss auf das Publikum aus, denn Schönheit ist eine Kategorie, die dem Menschen Kraft und Zuversicht schenkt, und was ist in dieser Zeit der Krisen wichtiger? Oft lässt sie sich bei diesen Arbeiten, ob in der Form oder in der Oberfläche von den Natur inspirieren.
Mit diesen Werken war sie auf allen wichtigen Präsentationen im Landkreis Miesbach, ich betone das, vertreten, ob gmundart oder Tegernseer Ausstellung oder Hibatzld in Gut Kaltenbrunn oder Irschenberger Kunstausstellung. Diese figürlichen und abstrahierten Bronzearbeiten üben starke Anziehungskraft auf die Besuchenden aus.
Antonia Leitner und Otto Wesendonck. Foto: Petra Kurbjuhn
Ich komme zurück auf meine Bemerkung, dass wir Antonia Leitner von Anfang an begleitet haben. 2014 titelten wir, und es wird höchste Zeit, dass seine Bedeutung erwähnt wird, „Unterricht beim Zauberer“. Mit 18 Jahren absolvierte Antonia Leitner eine Steinmetzlehre und ihre Mutter brachte sie zum Praktikum bei Otto Wesendonck. Dieser führte sie in die Techniken der Bildhauerei ein, er lehrte sie auch das Gießen in seiner Werkstatt, also feuerfest ist sie bei all ihrer Kreativität auch. Er fuhr mit ihr nach Rom und Florenz und erkannte sehr früh ihr außergewöhnliches Talent, das er bis heute fördert. Auch während ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München arbeitete Antonia Leitner stetig im Waakirchner Atelier.
Otto Wesendonck als Mentor
Was verbindet einen lebenserfahrenen Künstler mit vielen überregionalen Auszeichnungen mit seiner inzwischen flügge gewordenen Schülerin? Das fragten wir 2018 in unserer Zeitung mit dem Titel „Visionen“. Es sei die Sehnsucht, frei zu leben und zu arbeiten, kreativ sein zu können.
Antonia Leitner sagte, sie habe sehr viel von ihrem Mentor gelernt und er sagte, sie habe ihren eigenen schöpferischen Weg gefunden. Vielleicht ließ sie sich unbewusst inspirieren von der darstellerischen Kunst Otto Wesendoncks, der immer wieder den menschlichen Körper zeichnerisch und bildhauerisch darstellte, nie aber hat sie den Zauberer imitiert.
Antonia Leitner im Atelier von Otto Wesendonck. Foto: Petra Kurbjuhn
Bei den abstrakten Arbeiten ist er zuständig für die Bewegung, für Kräfte zwischen bipolaren Figuren, er arbeitet mit der Mechanik. Sie nutzt ganz andere physikalische Grundlagen, nämlich die der Optik, die sie in ihren Werken umsetzt. Als ich vor einer Woche im Atelier zu den Offenen Ateliertagen im Landkreis Miesbach war, ja, so etwas gibt es bei uns, zeigte mir Antonia Leitner eine neue optische Täuschung, die sie künstlerisch verwerten wird. Seien Sie neugierig und erwartungsfreudig, was Ihre Preisträgerin noch alles Spannendes erschaffen wird.
Feld zwischen Künstlerin und Betrachtenden
Meine Damen und Herren, die Kunst von Antonia Leitner hat eine Kraft. Sie stärkt durch Schönheit und sie schafft ein Feld zwischen Künstlerin und Betrachtenden. Denn auch diese haben Visionen und Sehnsüchte, sie wünschen sich mehr als Konsum. Für diese Sehnsucht baut Antonia Leitner ein Tor, durch das Menschen eintreten können in eine Welt, in der auch sie sich frei entfalten können.“
Kunstpreis für Matthias Kiefersauer
Die Laudatio für den Regisseur, Autor und Kolumnisten Matthias Kiefersauer hielt Schauspieler Stefan Murr, der durch Video zugeschaltet war, obwohl, wie Landrat Josef Niedermaier launig erklärte, er als Tölzer den kürzesten Weg ins Landratsamt gehabt hätte.
Matthias Kiefersauer. Foto: MZ
Der Preisträger des Kunstpreises 2020 begeisterte das Publikum mit der Lesung einer köstlichen Geschichte, in der es um das schöne Wort „geil“ ging.
Kulturehrenbrief für Friedrich Ani
Die Laudatio für den Schriftsteller Freidrich Ani hielten Schauspieler Marcus Mittermeier und Jürgen Kirner, Moderator, Sänger, Musiker, Kabarettist und Autor. Der Leiter der Münchner Turmschreiber würdigte seinen Turmschreiberkollegen Friedrich Ani, der vom Landrat ein Porträt, gemalt von Hans Reiser erhielt.
Die Laudatoren Marcus Mittermeier und Jürgen Kirner mit Preisträger Friedrich Ani und Landrat Josef Niedermaier. Foto: MZ
Friedrich Ani unterhielt das Publikum mit einer humorvollen Erzählung seiner ersten Schreibversuche beim Tölzer Kurier.
Die musikalische Umrahmung der Preisverleihung im Landratsamt Bad Tölz Wolfratshausen gestalteten Masha Dimitrieva, Sophia Herbig und eine Combo aus CICOs JAZZORCHESTER unter der Leitung von Horia-Dinu Nicolaescu.