Im Rotmesnerhof lag die Muse – Leonhard Leitner
Der Schlierseer Künstler Leonhard Leitner. Foto: Steffi Obermayer
Ausstellung Leonhard Leitner Vitalwelt
Landschaftsbilder, Stillleben und Zeichnungen, Zeitkritisches und Karikaturen – die Ausstellung des im vergangenen Jahr verstorbenen Künstlers Leonhard Leitner in der Schlierseer Vitalwelt zeigt das Können und die Vielseitigkeit des gebürtigen Schlierseers.
Es war den drei Leitner-Jungs vom Rotmesnerhof wohl in die Wiege gelegt: das künstlerische Talent. Der Älteste war ein hervorragender Sänger und sowohl der mittlere als auch der jüngste Sohn waren zeichnerisch sehr begabt. „Im Rotmesnerhof liegt die Muse drin“, hieß es in Schliersee.
„Kuahdatschisten“ aus „Almabtrieb anno dazumal“ von Leonhard Leitner. Foto: mi
Dass Leonhard, der mittlere von den drei Buben, später jedoch eine wahre Künstlerkarriere hinlegen würde, war nicht unbedingt abzusehen. Der kleine Hard war von Kindesbeinen an in die Arbeit des Bauernhofes eingebunden: Da war die Arbeit mit den Kühen – das Füttern und Melken, das Buttern, das Ausmisten, der Almauftrieb genauso wie der Almabtrieb – und schon im Alter von acht Jahren verbrachte Hard als „Küahbua“ vier Monate mit der Sennerin auf der Alm. Doch wann immer es eine Pause gab, nahm sich der Bub Papier und Bleistift oder auch ein Stück Holz zum Schnitzen.
Schäffler, Ingenieur, Ladenbesitzer – und Künstler
Es war eine Art Glück, dass Leonhard Leitner als Zweitgeborener nicht den Hof erbte. Eine professionelle Künstlerkarriere war dennoch nicht denkbar. So machte er zunächst eine Zimmerer- und Schäfflerlehre und ging danach nach München, um Ingenieurswissenschaften zu studieren. Nachdem er etliche Jahre als Statiker gearbeitet hatte, eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau einen Geschenkeladen am Münchner Marienplatz – eine ebenso gewagte wie weitsichtige Entscheidung, denn das Geschäft lief und eröffnete ihm die nötigen Freiräume, um seine Kreativität zu leben.
Steffi Obermayer in der von ihr kuratierten Ausstellung. Foto: mi
Es sprudelte nur so – Leonhard Leitner war ein unendlich produktiver Künstler. „Ich kenne meinen Vater eigentlich immer nur zeichnend‘, erzählt seine Tochter Steffi Obermayer. „Wenn wir mal ins Restaurant essen gingen und zu lange aufs Essen warten mussten, passierte es schon mal, dass mein Vater begann, das Papiertischtuch zu bemalen. Einmal, so erinnere ich mich, entstand da zum Beispiel – zu meiner und meines Bruders Freude – ein in Spinnweben hängendes, völlig abgemagertes Skelett.“
Zeitkritisch, humoristisch und kommunikativ – ein Leben für die Kunst
Leonhard Leitner konnte nicht leben ohne Bleistift, Pinsel oder Schnitzmesser. Oft kam er zurück in seinen Heimatort Schliersee, um die wunderschöne Landschaft einzufangen. Sein Steckenpferd war dabei die Aquarellmalerei und – was heute kaum noch praktiziert wird – er malte oft unter freiem Himmel. Tochter Steffi traf ihn auf Spaziergängen bisweilen unvermutet an einem Bach, an einer Kirche, auf einem Berg sitzend und malend.
Freiluftmaler Leonhard Leitner. Foto: Steffi Obermayer
Es wird noch viele Schlierseer geben, die sich an den Künstler aus ihrer Mitte erinnern – auf einem Schemel sitzend, malend, von Neugierigen umringt und mit ihnen plaudernd. Das war für ihn ohnehin der tiefere Sinn fürs Malen: Er wollte – über die Malerei und durch die von ihm aufs Papier gebrachten Themen – mit den Menschen ins Gespräch kommen. Dabei war er durchaus anspruchsvoll: Schon sehr früh befasste sich Leonhard Leitner mit dem Thema Umwelt. Zu einer Zeit, als sich noch niemand um diese Dinge scherte, mahnte er schon an einen sorgfältigen Umgang mit der Natur und mit der Ressource Wasser, dachte über eine ökologische Landwirtschaft nach und sprach von biologischer Ernährung. Nicht immer erntete er dafür Verständnis.
Erfolgreich – als Künstler und als Lehrer
Leonhard Leitner war aber nicht nur politisch interessiert und zeitkritisch, er beherrschte ebenso die leichte Muse. So verfasste er beispielsweise Karikaturen über Menschen und Tiere im Zoo, er dichtete mundartlich über die Heuernte anno dazumal („Hang früahra“) und er erzählte und zeichnete bayerische Witze.
Aus „Bayrische Witze Teil III“ von Leonhard Leitner. Foto: mi
Nachdem er 60 geworden war, widmete er sich komplett der Kunst. Bald schon gab er Mal- und Zeichenkurse und hatte eine begeisterte Anhängerschaft von Schülern. Ausstellungen in München und im Oberland folgten. Es ist der Verdienst seiner Tochter Steffi Obermayer, eine posthume Ausstellung des im vergangenen Jahr verstorbenen, im 89. Lebensjahr stehenden Künstlers, zu organisieren. Ausdrücklich möchte sie sich bei den Mitarbeitern der Schliersee-Gästeinformation für die Kooperation und Unterstützung bedanken.
„Blutorangen“ Aquarell von Leonhard Leitner. Foto: mi
Noch bis 12. Januar sind Leonhard Leitners wunderbar leichte, wie hingehuschte Landschafts-Aquarelle, seine farblich ausdrucksstarken Stillleben – Äpfel, Pflaumen, Blutorangen – aber auch Zeichnungen, Karikaturen und großformatige, zeitkritische Airbrush-Bilder in der Vitalwelt zu sehen.
Bilder für einen guten Zweck
Alle Bilder sind käuflich zu erwerben, der Erlös geht zur Hälfte an den Naturschutz Bayern (Leitner liebte Vögel) und zur anderen Hälfte an die gemeinnützige Initiative HORIZONT, die sich um wohnungslose Menschen in München kümmert.
Wer also zu Weihnachten noch ein gutes Werk tun will – und gleichzeitig dafür etwas zurückbekommen möchte – der sollte sich die Ausstellung anschauen und ein Bild kaufen. Eile ist jedoch geboten: Die Bilder sind unverschämt gut und viele haben schon einen roten Punkt.
Karikatur aus „Humorvolle kleine Malfibel für Anfänger und Fortgeschrittene“ von Leonhard Leitner. Foto: mi
Übrigens kann man auch Karten, Drucke und diverse kleine Büchlein kaufen, darunter die bayrischen Witze – ein wahres Vergnügen, den bayerischen Dialekt geschrieben zu sehen. Also was ist – packmas?
Lesetipp: Peter Loew – künstlerisches Schlierseer Schwergewicht