Levi Strauss

„Sie verkaufen Stoffe und ich bin Schneider“

Levi Strauss (Vincent Redetzki, vorne), Jacob Davis (Anton von Lucke, li.), Annie Packsher (Lea van Acken, 2.v.li.) und Fanny Stern (Amy Benkenstein, re.). Foto: Lieblingsfilm GmbH/Martin Rattini/Janina Friedel

Filmtipp von KulturVision

Gestern Abend wurden in der ARD vier Folgen der Miniserie „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ ausgestrahlt, der die Geschichte der Erfindung der meistverkauften Levis-Jeans nacherzählt. Geschrieben hat sie Robert Krause aus Miesbach. Sehen kann man die vier Teile in der Mediathek.

Es beginnt und endet spannend. Wie einst Otto von Guericke in Magdeburg mit seinem Halbkugelexperiment zum Nachweis des Luftdrucks sollten auch in San Francisco zwei auseinanderlaufende Pferde zeigen, wie zerreißfest die neue Hose der Firma Levi Strauss ist. Reißt sie oder reißt sie nicht? Das wird am Ende aufgelöst.

Levi Strauss
Besteht die Hose die Zerreißprobe? Foto: ARD Degeto Film/Lieblingsfilm GmbH/Armin Dierholf (Repro)

Dazwischen liegen drei spannende Stunden, in denen klar wird, dass die Lorbeeren nicht nur Levi Strauss aus Buttenheim (Vincent Redetzki), sondern ebenso dem Schneider Jacob Davis aus Riga (Anton von Lucke) und zwei Frauen gebühren, die maßgeblich am Kampf um die strapazierfähige Hose beteiligt waren: Fanny Strauss (Amy Benkenstein), die Schwester, eine energische, unangepasste junge Frau und Annie (Lea van Acken), die Ehefrau des Schneiders.

Levi Strauss Annie (Lea van Acken, li.) und Fanny (Amy Benkenstein, re.). Foto: ARD Degeto Film/Lieblingsfilm GmbH/Martin Rattini“ (S2+)

Robert Krause hat das Drehbuch nach einer Vorlage von David Marian gemeinsam mit der Regisseurin Neele Leana Vollmar verfasst. Es startet nach einer kurzen Charakterisierung der beiden Hauptprotagonisten in der Heimat mit dem Kennenlernen der beiden Auswanderer auf dem Schiff nach New York, wo Jacob Davis sagt: „Sie verkaufen Stoffe und ich bin Schneider, das kann doch kein Zufall sein.“

Der junge Schneider Davis (Anton von Lucke) hält sich mit seinen Arbeiterhosen über Wasser. Foto: ARD Degeto Film/Lieblingsfilm GmbH/Oliver Oppitz

Dann aber verlieren sie sich und die beiden Handlungsstränge laufen parallel. Levi Strauss arbeitet bei seinen Halbbrüdern, hat aber das ehrgeizige Ziel, sich auf eigene Beine zu stellen und verfolgt das systematisch. Jacob Davis kommt bei Goldwäschern unter, muss aber fliehen nach einem spannenden Cliffhänger am Ende des ersten Teils. Mit Annie baut er sich eine sehr bescheidene Existenz auf.

Jacob (Anton von Lucke, Mitte) und Annie (Lea van Acken, re.) versuchen, die selbstgeschneiderten Hosen unter die Mrs. Johnson (Bärbel Schwarz) zu verkaufen und damit an die Tagelöhner zu bringen. Foto: ARD Degeto Film/Lieblingsfilm GmbH/Martin Rattini

Robert Krause hat die beiden Protagonisten sehr genau gezeichnet. Strauss findet seinen Seelenfrieden nur, wenn er das Zepter allein in der Hand hält und Davis ist eher der weiche Typ, der seine Frau liebt und alles für sie tut, aber auch kreativ die Hose mit Doppelnähten und Nieten entwirft.

Der Miesbacher Autor erzählt, dass Produzent Robert Marciniak und Redakteurin Barbara Süssmann von der ARD ihn beauftragt haben, das Drehbuch zu schreiben. Er habe die Idee fantastisch gefunden. „Es hat Vor- und Nachteile, über historische Figuren zu schreiben“, sagt er, „Vorteil ist, dass man viele Ereignisse und Events als Grundlage hat, der Nachteil ist aber, dass es keine geschlossene Handlung gibt.“

Nähere Infos zur Anzeige

Im Gegensatz zu seinem vorhergehenden Sisi-Film sei wenig über das Privatleben von Levi Strauss bekannt. „Mich hat am meisten interessiert, dass er mit Jacob Davis das Patent erwirkt hat, dann aber ihm seine Anteile mit einem lukrativen Angebot abgekauft hat.“ So habe er die Geschichte vom Ende her gedacht und mit diesem Thema, dass Strauss immer die Zügel allein in der Hand haben will, die Geschichte zusammengehalten.

Faszinierend sei auch für ihn gewesen, dass Levi Strauss ein Emigrant aus Bayern ist, der in die große Welt hinauszieht. „Und ich komme aus Dresden und bin in die große Welt gezogen.“ Er habe sehr großen Respekt vor ihm, der Mitte des 19. Jahrhunderts mit viel Mut seinen Weg gegangen sei.


Drehbuchautor Robert Krause in original historischen Levis. Foto: privat

„Ich bin tief in sein Leben eingetaucht und habe die ganze Zeit beim Schreiben nur Levis getragen“, erzählt Robert Krause. Sechs Stück habe er und eine historische Original Jeans, die ihm der Produzent für das schöne Buch aus Dankbarkeit geschenkt habe.

Für das Schreiben der vier Teile standen ihm nur sechs Wochen zur Verfügung. „Ich habe bei Sabine Moser in der Miesbacher Coworkerei Tag und Nacht gearbeitet“, sagt er.

Nähere Infos zur Anzeige

Das Ergebnis ist rundum gelungen. Die Geschichte ist spannend erzählt, die Protagonisten sind plastisch und prall gezeichnet, mit vielen kleinen Nuancen. So hat Davis immer Rückenschmerzen und hilft sich durch einen Hula-Hoop-Reifen. Er ist auch Analphabet und Annie lehrt ihn lesen und schreiben. Sie bekommt ein Kind mit Hilfe eines Mannes, der schon Hunderte Kälber auf die Welt geholt hat.

Patron Eddy (Roland Koch, Mitte) und sein Sohn Henry (Alessandro Schuster, re). Foto: ARD Degeto Film/Lieblingsfilm GmbH/Martin Rattini“

Jüdische Rituale fließen in die Handlung ebenso ein, wie der raue Geschäftsstil in San Francisco mit Korruption und Schutzgeld. Mister Eddie (Robert Koch) ist der Gegenspieler von Strauss, der nicht vor einem Mord zurückschreckt, wenn ihm ein Journalist in die Quere kommt. Jude William (Golo Euler) deckt die Machenschaften des skrupellosen Schutzgeldeintreibers auf und fordert Strauss auf, sich in seinem Artikel zu äußern. „Mut ist der Weg zur Freiheit und einer muss den Anfang machen“, sagt William.

Der Journalist Jude William (Golo Euler, re.) hat den Patron Eddy und versucht den jungen Geschäftsmann Levi (Vincent Redetzki) für seine Sache zu gewinnen. Foto: ARD Degeto Film/Lieblingsfilm GmbH/Oliver Oppitz

Aber Auflehnung ist zunächst nicht die Sache von Strauss. Dann aber muss er herbe Tiefschläge einstecken auf seinem Weg zum Erfolg und letztlich geben die beiden Frauen einen wesentlichen Beitrag, dass Stoffhändler und Schneider zueinander finden.

„Levi Strauss und der Stoff der Träume“, zu sehen in der ARD-Mediathek. Prädikat: Sehr empfehlenswert.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf