Licht und Leuchten in der Malerei
Brigitte Yoshiko Pruchnow vor ihrem Bild „Verletzlich – Nacken No.2“ in der Ausstellung „Hikari – Leuchten“. Foto: IW
Ausstellung in Bayrischzell
Brigitte Yoshiko Pruchnow wählt ihre Motive immer dort, wo das Licht eine besondere Bühne bekommt. Wenn es sich beispielsweise im Wasser spiegelt. Warum das Licht so eine Bedeutung in ihren Werken hat, erklärt ein Blick auf die Biografie.
Die fotorealistischen Malereien der deutsch-japanischen Künstlerin führen den Betrachter gern in die Irre. Sie sehen so realistisch aus, dass sie sich erst auf dem zweiten Blick als Malerei offenbaren. Beim Nähertreten löst sich der Eindruck von Licht auf in Farben, in Pinselstrukturen. Ihre erstaunlichen Bilder ziehen den Betrachter unweigerlich in Bann. Grund dafür sind neben den extrem realistischen Porträts und Szenen auch die dramatischen, stilvollen Licht-Settings. Brigitte Yoshiko Pruchnows Blick auf die Motive kommt aus dem Film.
Der Blick auf den Ausschnitt, das Detail
Die in München aufgewachsene Künstlerin hat nicht nur Japanologie, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, Kalligrafie und japanische Tuschemalerei erlernt. Sie hat vor allem auch ein Regiestudium an der Hochschule für Fernsehen und Film absolviert. Das hat ihren Fokus auf besondere Bildausschnitte und Settings gelenkt – und auf das Licht.
Brigitte Yoshiko Pruchnow fängt das Licht in der Malerei ein: Regen. Foto: IW
Wie sehen wir reflektiertes Licht? Wie erscheint Licht auf unterschiedlichen Oberflächen und Materialien? Und nicht zuletzt – was macht das Licht mit dem Betrachter? Diesen Fragen geht Brigitte Yoshiko Pruchnow mit exaktem Pinselstrich auf den Grund. Licht wird gebündelt oder verschluckt, wird gebrochen, gespiegelt und verzerrt. Das Licht in der Malerei erfordert ein genaueres Hinsehen, angefangen beim Entstehen des Bildes bis hin zum Betrachter, der das Licht wiederum erforscht. Licht spiegelt sich in Farbflächen, in Pinselstrukturen, an Kanten.
Der Betrachter spiegelt sich in Brigitte Yoshiko Pruchnows Unterwasser-Luftblasen. Foto: IW
Es spiegelt und widerspiegelt sich zigfach – beispielsweise in faszinierend realistischen Regentropfen oder Luftblasen der Unterwasserbilder der Künstlerin. Und immer wieder erscheint da eine Figur, wie der Betrachter selbst, in den Tropfen und Luftblasen, auf den Kopf gestellt, miniaturhaft, vervielfacht. Die Akribie dieser Malerei ist bewundernswert, ihr Effekt umso beeindruckender.
Was passiert mit dem Licht?
Der Schaffensprozess beginnt mit einem Foto und endet mit einem Bild, das wiederum wie ein Foto aussieht. Dabei hat sich das Bild verändert. Die Künstlerin hat es in all seine Einzelteile zerlegt und wieder zusammengesetzt. Beim näheren Betrachten werden die einzelnen Pinselstriche sichtbar, Flecken, kleine Unebenheiten, die Leinwand erscheint haptisch greifbar. Die Betrachter verlieren sich in der exakten Struktur der Stoffe, die von den Protagonistinnen der Bilder getagen werden. Zumeist sind es Mädchen und Frauen, oft die Tochter der Künstlerin, oder auch ihre japanische Großmutter.
Brigitte Yoshiko Pruchnow: Herz Kimono. Foto: IW
Den Pullover, dessen Maschen aus mehrfädigem Garn gestrickt sind, möchte man berühren, so plastisch erscheint er. Es ist ein glattes Garn, vielleicht eine Sommerbaumwolle. Der flauschige Pullover auf einem anderen Bild hingegen schluckt das Licht. Es ist ein Herantasten, ein Ausloten der Materialien, die auf ganz unterschiedliche Weise das Licht wiedergeben. Die Kragenecken einer Bluse hat die Künstlerin mit echtem Garn, mit Nadel und Faden, bestickt. Es liegen Botschaften in den Bildern, Erinnerungen.
Was ist echt, was ist Täuschung?
Die Liebe zum Detail, insbesondere bei der Kleidung, verweist auf die Tradition der japanischen Holzschnitte. Auch die gewagten Bildanschnitte und Perspektiven zeugen von einer Liebe zu den japanischen Ukiyo-e. Allerdings erhalten bei Brigitte Yoshiko Pruchnow die Bilder eine enorme Tiefe, beinahe eine Dreidimensionalität. Der entblößte Nacken der jungen Frauen wirkt verletzlich, die Haare lose hochgesteckt. Sie haben sich für niemanden extra schön gemacht, dabei wirken sie natürlich, gelöst – und zugleich höchst erotisch. Auch hier zitiert die Münchnerin ihre halbjapanischen Wurzeln und setzt sich mit dem östlichen Schönheitsideal auseinander, indem sie ihm einen neuen, modernen Kontext gibt.
Brigitte Yoshiko Pruchnow: Nacken. Foto: IW
Das Spiel mit den Wahrnehmungen ist das Anliegen der Künstlerin. Sie lädt dazu ein, genau hinzusehen. Die Erfahrungen decken sich mit denen im realen Leben, auch dort sitzen wir hin und wieder Täuschungen auf, gehen Illusionen auf den Leim.
„Auf molekularbiologischer Ebene sind das alles Teilchen“, erläutert sie den philosophischen Hintergrund ihrer Werke: „Die Vorstellung, dass wir ein Solitär sind, wird aufgebrochen“. Brigitte Yoshiko Pruchnow verweist auf die immer wiederkehrenden Spiegelungen und Schatten in ihren Bildern. Im bewussten Wahrnehmen soll der Betrachter eine Suche durchlaufen und über das Wahrnehmen hinaus gehen, das scheinbar Reale auflösen und in die Bilderwelt hineintreten.