Tegernseer LiteraTour Nr. 9: „Jod-Schwefelbad“
Der historische Quellentempel des Badehauses in Bad Wiessee in den Anfängen des aufsteigenden Kurbades. Foto: Gemeindearchiv Bad Wiessee
Literaturspaziergang am Tegernsee
Seit über 100 Jahren sprudeln am Westufer des Tegernsees Deutschlands heilkräftigste Jod-Schwefel-Quellen. Entdeckt hat sie 1909 der niederländische Bergbauingenieur Adriaan Stoop, als er nach Erdöl bohrte. Ein etwa einstündiger Spaziergang begibt sich auf Spurensuche und stellt die wechselhafte Geschichte des Kurbades anhand literarischer Werke vor.
Die digitale LiteraTour beginnt am Eingang des 2020 neu eröffneten, von Matteo Thun entworfenen Jod-Schwefelbades, wo eine Büste Adriaan Stoops steht. Sie schlägt von dort einen Bogen über das Jahrhundert spannungsreicher Geschichte und engagierter Menschen, die diesen Ort prägten. Es geht ganz einfach. Man zückt sein Handy, scannt den QR-Code auf dem Schild und folgt der Tour.
Vom Jod-Schwefelbad geht’s zum Hotel Terrassenhof. Die Geschichte des noch heute namhaften Hotels ist von den Anfängen eng mit dem Jod-Schwefelbad verbunden und geht auf ein kleines Bierstüberl namens „Jodhütte“ zurück. Es war der Münchner Illustrator und Karikaturist Arthur Roesler (1866-1934), der in der Pension Terrassenhof Anfang der 30er Jahre mit Versen und Gedichten versehene Bilder und Plakate anfertigte, die Bad Wiessee, das Jodschwefelbad und die Vergnügungen im Café-Restaurant Jodhütte bewarben.
Der Münchener Künstler Arthur Roessler malte in den 30er Jahren zahlreiche Werbeplakate für das Bad Wiesseer Schwefelwasser. Foto: Terrassenhof
Historische Ereignisse und Erinnerungskultur
Die dritte Station des Spazierganges ist die Adriaan-Stoop-Str. 37. Wo heute das in den 70er Jahren errichtete achteckige Pumphaus steht, stand 1909 der Bohrturm Nummer 3. Er schrieb die Geschichte Wiessees neu, als aus einer Tiefe von 713 Metern statt des erwarteten Erdöls eine übelriechende Flüssigkeit hervorsprudelte: Die stärksten Jod-Schwefelquellen Deutschlands waren entdeckt.
Die vierte Station des Spaziergangs befindet sich an der Stelle, wo das frühere Haus von André Driessen stand, dem langjährigen Direktor des Jodschwefelbades. Dort geht es unter anderem um Erinnerungskultur anhand der historisch bedeutenden „Lange Nacht der Messer“, die sich während der Zeit des Nationalsozialismus in Bad Wiessee zugetragen hat.
Das Hotel Askania in der Adrian-Stoop-Straße ist die fünfte Station des Spaziergangs. Es gehört zu den ersten Hotels, die in der unmittelbaren Nähe des Jodschwefelbads errichtet wurden. Hermine Kaiser, die Mutter des heutigen Inhabers Bernhard Kaiser, schrieb zahlreiche Bücher über die Historie, Kultur und Literatur im Tegernseer Tal. Anhand unterschiedlicher Schriftstücke wird die Geschichte des noch heute authentisch eingerichteten Hotels erzählt.
Kuraufenthalte europäischer Monarchen
Das heutige Hotel Rex wird seit 1900 von der Familie Beil geführt. Diese Station erzählt unter anderem die Geschichte, wie die ehemalige Pension Beil nach dem dreimaligen Kurbesuch von König Ferdinand von Bulgarien in den 1920er Jahren zum Hotel wurde und seinen Namen bekam.
Die siebte Station ist der Lindenplatz in der Ortsmitte, wo das „Mönchsboot“ an die Entdeckung des Erdöls durch einen Mönch im Mittelalter und an die Pionierleistung von Adriaan Stoop erinnert.
Schließlich gelangt man zur Seepromenade, die bereits 1929 erschaffen wurde, als André Driessen sein 25-jähriges Betriebsjubiläum feierte und Adriaan Stoop Ehrenmitglied des Roten Kreuzes in Tegernsee wurde.
Adriaan Stoop (rechts) mit seinem Bruder Kaes vor der Wandelhalle. Foto: Archiv Allard Everts
Haus Jungbrunnen – Name als Versprechen
Vom Pavillon an der Seepromenade geht nun der Spaziergang weiter in die Anton-von-Rieppel-Strasse 7. Dort stand bis 2010 das frühere Haus Jungbrunnen, das Adriaan Stoop im voralpenländischen Heimatstil nach den Plänen des Gmunder Architekten Alois Degano errichten ließ. Es diente seiner Familie als Ferien- und Gästehaus. Mit den Jod-Schwefelquellen als „Jungbrunnen“, der vorzeitigem Altern vorbeuge und das Leben verlängere, wurde schon damals geworben. Jahrzehnte später wies die Jungbrunnen-BERG-Studie diese Wirkung wissenschaftlich nach.
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Drei Quellen speisen das Jod-Schwefelbad
Die Königin Wilhelmina-Quelle war die zweite, im Jahr 1930 von Adriaan Stoop erbohrte und zu Ehren der niederländischen Königin benannte Quelle. Sie befindet sich unterhalb eines markanten, mehreckigen Holzhauses. Es stammt ebenfalls vom Gmunder Architekt Alois Degano. Die Quelle befördert bis heute aus 371 Meter Tiefe das Jodschwefelwasser empor.
Wenige Meter weiter in Richtung See endet nun der literarische Spaziergang. Die letzte Station, Adrianus-Quelle, befindet sich gegenüber dem heutigen neuen Jodschwefelbad in einem schwarz getönten Glashaus. Sie wurde 1978 nach der König Ludwig Quelle (1909) und Königin Wilhelmina-Quelle (1930) als dritte Schwefelquelle erbohrt.
Den Eingang des neuen Jod-Schwefelbads markiert die Büste Adriaan Stoops. Foto: Ingvild Richardsen
Hier wird die Entwicklung des Jod-Schwefelbades bis heute erzählt. Vom Rückkauf des Jod-Schwefelbades, das bis dahin eine „niederländische Enklave“ in Bad Wiessee war, durch die Gemeinde im Jahr 2011 bis zum Abriss des alten Bades 2018 und dem Neubau und der Einweihung des Badehauses nach Plänen des Star-Architekten Matteo Thun im Jahr 2020. Hier schließt sich der Kreis.
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Die Tegernseer LiteraTouren lassen sich eigenständig von zwölf Startpunkten im Tegernseer Tal aus gehen. Einfach den QR-Code auf dem jeweiligen Startschild scannen und dem digitalen Wegbegleiter folgen.