Literatur im Gewölbe

Experiment „Literatur im Gewölbe“ gestartet

Peter Becher, Hannah Miska und Bernd Späth (v.l.) vor dem Porträt von Alfred Roßner. Foto: Petra Kurbjuhn

Literatur in Miesbach

Beide haben ein außerordentliches Werk publiziert und beide können auf eine aufregende Lebensgeschichte zurückblicken. Hannah Miska und Bernd Späth waren die Gesprächspartner von Peter Becher bei „Literatur im Gewölbe“, dem Startschuss für eine neue Veranstaltungsreihe im Kulturzentrum Waitzinger Keller.

Das von KulturVision e.V. erfolgreich gegründete Format des Literaturcafés unter der professionellen Regie und Moderation von Schriftsteller und Literaturhistoriker Peter Becher hat eine neue Heimat in Miesbach gefunden und läuft jetzt unter dem Titel „Literatur im Gewölbe“.

Die Veranstaltung am Freitagabend im Gewölbe des Waitzinger Kellers war eine logische Fortsetzung der vorangegangenen Gedenkfeier für die Deportation von Männern aus dem Landkreis in das KZ Dachau im Jahr 1933. Auch in den Büchern der beiden Eingeladenen geht es um Nationalsozialismus.

Literatur im Gewölbe
Hannah Miska illustrierte Ihren Beitrag mit Bildern. Foto: Petra Kurbjuhn

Die in Schliersee wohnende promovierte Psychologin Hannah Miska lebte mit ihrem Mann nach längerem Berufsleben in Asien in Melbourne, wo sie zufällig auf das Holocaust-Museum stieß. Das habe ihren Berufswechsel ausgelöst, erzählte die Autorin. „So weit wie möglich weg von hier“ heißt ihre Dokumentation über 18 Holocaust-Überlebende, die sie im Museum traf.

Alfred Roßner, der Oskar Schindler aus dem Vogtland

„Ich hatte die Chance, mit Überlebenden zu sprechen und erfuhr erschütternde Schicksale“, sagte sie. Eine davon, Kitia Altmann, geborene Szpigelman, machte sie auf ihren Retter, den Deutschen Alfred Roßner aufmerksam, der im Zweiten Weltkrieg viele Juden in Polen vor der Deportation nach Auschwitz bewahrte. „Mein Buch „Der stille Handel“ erzählt von der Intelligenz und vom Mut dieses Mannes, der in Deutschland völlig unbekannt ist“, berichtete Hannah Miska.


Hannah Miska mit Kitia Altmann, geborene Szpigelman. Foto: Hannah Miska

Sein Wirken entspreche dem von Oskar Schindler und sie habe durch ihre Recherche eine Puzzlespiel auch mit Zeitzeugenberichten in ihrem Roman zusammengestellt.

Die Autorin las zwei Abschnitte aus dem Buch, in denen deutlich wurde, wie intensiv sich der aus dem Vogtland stammende Textilunternehmer für die Juden in Polen einsetzte, ihnen Arbeitserlaubnisse verschaffte und Sondergenehmigungen für Familienangehörige und sie damit vor der Deportation schützte.

Gerechter der Völker

Es wurde aber auch deutlich, in welche Gewissenskonflikte die Protagonistin kam, als ihr die Möglichkeit einer Flucht nach Wien offeriert wurde, sie aber ihre Eltern zurücklassen musste.

Hannah Miska illustrierte ihre Lesung mit Fotos und zeigte als letztes die Bescheinigung, dass Alfred Roßner in Israel als Gerechter der Völker anerkannt wurde. In seiner vogtländischen Heimat indes, so bedauerte sie, sei ein Gedenkstein in der hintersten Ecke des Friedhofs zu finden.


Bernd Späth. Foto: Petra Kurbjuhn

Peter Becher gelang es, durch seine Moderation Leben und Werk des jeweiligen Gesprächspartners zu verschmelzen. So erzählte er zunächst auch vom vielseitigen Leben von Bernd Späth, der aus Starnberg angereist war. Er ist Psychotherapeut, Coach und arbeitete lange in der Werbung, hatte einen Speakers Service, mit dem er prominente Redner vermittelte und erlebte spannende Abenteuer in der Arktis, bevor er Schriftsteller wurde.

Durch die Verfilmung seines Erstlingsromans „Seitenstechen“ mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk wurde er einem Millionenpublikum bekannt. Mit fast 50 Jahren publizierte er 2002 seinen autobiografischen Roman „Trümmerkind“, in dem er die Nachkriegsjahre in Fürstenfeldbruck aufzeichnet.

Bernd Späth und „Trümmerkind“

Er habe zunächst nur Einzelepisoden geschrieben, sagte Bernd Späth und danach den Roman verfasst, der im vergangenen Jahr in einer Neuauflage erschien. Im Landkreis ist er auch durch sein Theaterstück „Die Hinrichtung“ bekannt, das in Irschenberg und Bayrischzell aufgeführt wurde.


Der Autor erzählt. Foto: Petra Kurbjuhn

Seinen Roman, so erzählte er, habe er seinem Sohn gewidmet, der aufgrund seiner Mutter ein asiatisches Aussehen habe und es dadurch sehr schwer gehabt habe.

Bernd Späth las aus dem ersten Kapitel seines Buches, in dem er den Antisemitismus in den fünfziger Jahren in Fürstenfeldbruck offenlegt. Man habe sich von den Juden fernzuhalten, so lernte er von den Erwachsenen, aber auch von den Amerikanern, denn hinter denen stehe der Jude. Als „Abschottung des Hirns von der Wirklichkeit“ geißelt der Autor das Wesen der Menschen.

Hass geerntet

Er habe den Roman mit einem erstaunlichen Erinnerungsvermögen geschrieben, sagte Peter Becher, mit so vielen Namen und Details. Die verwendete Kindheitsperspektive verleihe dem Buch eine besondere Dynamik. Aber, so betonte der Moderator, der Autor habe durch seine detaillierte Darstellung auch Hass geerntet.

„Es war eine besondere geistige Atmosphäre“, sagte Bernd Späth, der Antisemitismus der Nazizeit habe sich teilweise in der Bevölkerung fortgesetzt, die Drohungen gegen ihn seien eskaliert und er habe Staatsschutz anfordern und eine Waffe tragen müssen und letztlich habe er Fürstenfeldbruck verlassen und sei nach Starnberg gezogen.

Er schloss seinen Bericht mit einem Lob für Hannah Miska: „Hut ab vor der Rechercheleistung.“

Literatur im Gewölbe
Der Büchertisch. Collage: Petra Kurbjuhn

Peter Becher beendete den Abend mit dem Fazit. „Das Experiment ‚Literatur im Gewölbe‘ ist gelungen und sollte fortgesetzt werden.“ Dieser Meinung schloss sich das Publikum an, das noch lange mit den Autoren diskutierte und die Bücher mit nach Hause nahm.

Die nächste Veranstaltung in der Reihe „Literatur im Gewölbe“ unter der Regie von Peter Becher im Kulturzentrum Waitzinger Keller Miesbach findet am 27. September um 19 Uhr im Rahmen der Ausstellung von Věra Koubová statt. Die Künstlerin aus Prag wird als Fotografin, Übersetzerin und Autorin von Peter Becher vorgestellt.

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