Lyrik

Grandioser Schlagabtausch und feinste Lyrik

Friedrich Ani, Peter Becher und Helmfried von Lüttichau sprechen über Lyrik (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Lyrik beim Literaturcafé in Weyarn

Das 4. Literaturcafé von KulturVision e.V. wurde zu einem glanzvollen Höhepunkt. Friedrich Ani, Helmfried von Lüttichau und Peter Becher spielten sich gut gelaunt, humorvoll und tiefsinnig die Bälle über Leben, Literatur und Lyrik zu.

Das Klostercafé in Weyarn hätte dem Ansturm der Interessierten nicht standgehalten, deshalb musste kurzfristig ins Bürgergewölbe ausgewichen werden. In entspannter, lockerer Atmosphäre arbeitete Moderator Peter Becher in seiner souveränen, kompetenten Art die Gemeinsamkeiten der beiden Gäste heraus, die als Poeten zu dieser Veranstaltung geladen waren.

Lyrik statt Krimi

Eigentlich seien beide einem breiten Publikum durch anderes Wirken bekannt, führte Peter Becher aus. Friedrich Ani als Autor von Kriminalromanen und „Tatort“-Drehbuchautor und Helmfried von Lüttichau als Schauspieler, insbesondere der Krimiserie „Hubert und Staller“, aber auch als Musiker mit seinem Programm „Plugged“. Und beide seien mit dem österreichischen Filmpreis „Romy“ ausgezeichnet worden.


Friedrich Ani und Peter Becher (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Er habe lange gebraucht, bis er gemerkt habe, dass der Krimi seine Bühne sei, antwortete Friedrich Ani auf die Frage Peter Bechers, warum es dieses Genre sei, auf das er sich fokussiert habe. „Action kann ich nicht“, meinte er, er bevorzuge die langsame Art und dafür habe er für seinen Protagonisten Tabor Süden, der sich Vermisstenfälle annehme, eine Bühne geschaffen. Gedichte indes schreibt Friedrich Ani schon seit vierzig Jahren.

Intelligentes Gegrantel beim „Staller“

Mit vierzig habe er angefangen, Gedichte zu schreiben, erzählte Helmfried von Lüttichau. Dabei habe er das Gefühl gehabt, dass ein Satz zu ihm kam. „Und dann ein zweiter und ein dritter und irgendwann gefällt es mir.“ Auch der Staller habe ihm gefallen. „Da ist viel von mir drin“, offenbarte der Schauspieler und es habe ihn geehrt, als ihm bei der Teilnahme an der Lyrikwerkstatt „intelligentes Gegrantel“ bescheinigt worden sei, denn er habe mit Christian Tramitz schon am Drehbuch gebastelt. „So sans, die Schauspieler“, warf Drehbuchautor Friedrich Ani zur Freude der Zuhörenden ein.


Beim Autogrammgeben. Foto: Petra Kurbjuhn

Und welche Rolle spiele der Lektor, wollte Peter Becher wissen? Er sei sehr offen für Anregungen, gebe aber schon die überarbeitete dritte oder vierte Fassung von Romanen ab. „Bei Gedichten aber lasse ich nicht umschreiben.“ Die Gedankenwelt sei die eigene, bestätigte Helmfried von Lüttichau, er arbeite gern im Gespräch und als der Lektor Christian Döring empfohlen habe, ein paar Gedichte aus seinem Buch „Was mach ich wenn ich glücklich bin“ herauszulassen, sei das perfekt gewesen.

Gemeinsam über die Liebe

Bei den ersten Kostproben aus den Gedichten der beiden Poeten kam eine überraschende Ähnlichkeit der Themen zum Vorschein. Beide widmeten sich der Liebe. „Das ist die Liebe“, führte Friedrich Ani aus und Helmfried von Lüttichau sagte: „Am liebsten würde ich Liebste schreiben“. Eine zufällige Überschneidung brachten auch die beiden Sonntagsgedichte, bevor Friedrich Ani eine Auswahl seiner Gedichte vortrug.

Lyrik
Friedrich Ani liest aus „Die Raben von Ninive“. Foto: Petra Kurbjuhn

Humorvoll ebenso wie melancholisch kommen die Gedichte vom Land daher, mit solch schönen Formulierungen wie „ein Haufen unbenutzter Liebe“. „Denk ich an Deutschland“ heißt ein Gedicht, in dem er angelehnt an seinen syrischen Vater das Fremdsein poetisch anspricht. Mythologisch wird es im Gedichtband „Die Raben von Ninive“, womöglich in Anlehnung an München? „Aber ich will meinen Bilder nicht erklären“, konstatiert der Poet und findet diesen Gedichtanfang: „Regen ist die Abwesenheit von Seidenstrümpfen.“

Pointierte Klarheit

Friedrich Anis Gedichte spielen mit Sprache, Klang und Rhythmus, ihre Inhalte sind sowohl persönliche Erinnerungen, Empfindungen und Wahrnehmungen, haben aber auch gesellschaftliche Bezüge. Sie bestechen durch ihre pointierte Klarheit und Knappheit.


Peter Becher und Helmfried von Lüttichau. Foto: Petra Kurbjuhn

Helmfried von Lüttichau las ein Gedicht vom „Föhnland“, in dem er einen bunten Vogel beschreibt. Letztlich gehe es bei der Poesie um Wahrnehmung, sagte er und zitierte Robert Gernhardt, der gesagt habe, man schaue alles an, ob man ein Gedicht draus machen könne. Mit „Die Welt hat nicht auf mich gewartet“ und „der Angst die Zunge rausstrecken“ bewies der Schauspieler, der eigentlich ein Bänkelsänger sei, wie ihn Christian Döring beschreibt, dass er „mit einem Minimum an Sprache ein Maximum an Bedeutung“ erzielt.

Humor und Understatement

Bei ihm kommt noch eine große Portion Humor und Understatement hinzu. Dieses spielte er auch gekonnt, als er deutlich machte, wie seine Hand bei der ersten Lesung im Lyrikkabinett zitterte und ein schweißtropfen aufs Blatt fiel.

Lyrik
Helmfried von Lüttichau ist eben auch Schauspieler. Foto: Petra Kurbjuhn

Balladen in der Form von Brecht und Biermann, so werde Friedrich Ani beschrieben, meinte Peter Becher. „Ich möchte Balladen schreiben, die jetzt handeln, auch Moritaten“, erwiderte der Schriftsteller, eigentlich aber habe er Poptexte schreiben wollen und einige seien auch von Bands vertont worden. „Ich wollte der Typ hinter den Kulissen sein.“

Von der Form zur Sprache

In seiner Lyrik gehe es um Rhythmus und Klang. „Durch den Rhythmus habe ich die Sprache gefunden.“ Durch die Form komme es zur Fantasientfachung. Dem stimmte Helmfried von Lüttichau zu: „Der Rhythmus treibt an zur Sprache.“ Wenn der erste Gedanke da sei, dann komme er durch die Form in den Fluss des Schreibens.

„Dass du Gedichte schreibst, alle Schauspieler schreiben doch Romane“, fragte Friedrich Ani und Helmfried von Lüttchau meinte, nein, das könne er nicht, aber „dem Staller sei Kindheit“ wäre sicher ein Bestseller, konterte Friedrich Ani.


Am Büchertisch. Foto: Petra Kurbjuhn

Am Ende des überaus gelungenen Abends, an dem das Publikum viel aus dem Leben der beiden Lyriker und ihrem Werk erfuhr, der aber gleichzeitig ein lebendiger, spontaner Schlagabtausch der drei Protagonisten war, bat Peter Becher um „noch ein Gedicht“. Viel zu schnell war das Literaturcafé vorbei, das das Publikum mit anhaltendem Beifall bedachte.

Das Literaturcafé von KulturVision macht eine kurze Pause, geht aber am 2. September mit einem deutsch-österreichisch-tschechischem Programm in der Kulturbrücke Fratres an den Start. Im Herbst wird es auch wieder im Landkreis öffnen.

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