„Der erfolgreichste aller bayerischen Autoren“
Ludwig Ganghofer. Foto: Wenzel Weis (Archiv)
Genau heute vor 100 Jahren verstarb Ludwig Ganghofer am Tegernsee. Aus diesem Anlass war für den heutigen Tag dort ein großes Symposium geplant – hätte Covid-19 den Veranstaltern nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein wichtiger Tag für die bayerische Literatur und den Tegernsee bleibt es trotzdem.
Heute sollte es stattfinden – das ganztägige Ganghofer-Symposium im Barocksaal des Gymnasium Tegernsee, mit hochkarätig besetzten Lesungen und Vorträgen, das nun auf nächstes Jahr verschoben wird.
Begraben liegt Ludwig Ganghofer auf dem Egerner Friedhof am Tegernsee. Pater Markus Kocher wird ihm zu Ehren an seinem heutigen 100. Todestag um 18 Uhr in der Kirche St. Laurentius in Rottach-Egern eine Messe zelebrieren. Musikalisch umrahmt wird die Feier vom Trio Halmbacher-Höß und der Jagdhornbläsergruppe des Bundes Bayrischer Berufsjäger. Anschließend wird der Kunst-und Kulturverein Rottach-Egern einen Kranz an seinem Grab niederlegen. Auch die Statue im Kurpark, wo Ganghofer gemeinsam mit seinen Künstlerfreunden Ludwig Thoma und Leo Slezak steht, wird am heutigen Tag geschmückt.
Lesetipp: „Der Klosterjäger“ zum 100. Todestag in Rottach-Egern
Die geplante Aufführung des originalen Stummfilms nach Ganghofers Roman „Der Klosterjäger“ mit von Thomas Rebensburg neu komponierter Filmmusik im Seeforum kann im November hoffentlich trotzdem stattfinden. In diesem Jahr nähert sich das Tegernseer Tal dem „Phänomen Ganghofer“. Und auch wir möchten an den Schriftsteller erinnern.
Ludwig Ganghofer zum 100. Todestag
„Ich bin glücklich!“ Mit diesen Worten schied Ludwig Ganghofer am 24. Juli 1920 kurz nach seinem 65. Geburtstag aus dem Leben. Gründe zum Glücklichsein hatte er augenscheinlich genug: Ganghofers Theaterstücke wurden auf den großen Bühnen gespielt, seine Romane erreichten Auflagen in Millionenhöhe, die Verfilmungen seiner Werke entwickelten sich regelmäßig zu Kassenschlagern. „Meister Ganghofer“, wie ihn Zeitgenosse Rainer Maria Rilke nannte, war aber nicht nur beruflich erfolgreich, sondern auch privat. Während seiner Zeit am Theater in Wien in den 1880er¬Jahren hatte er die Schauspielerin Kathinka Engel kennen und lieben gelernt. 1894 zieht die inzwischen fünfköpfige Familie nach München. Die Ganghofersche Wohnung in der Steinsdorfstraße wird zum beliebten Treffpunkt für etablierte ebenso wie für noch unentdeckte Künstler.
Titelbild des Ganghofer-Beitrages in der 33. Ausgabe der KulturBegegnungen. Die von Ludwig Ganghofer gemalten Wandtafeln mit entstanden 1897 im Jagdhaus Hubertus. © Stadtmuseum Kaufbeuren, Grafische Gestaltung: Studio Kaufmann
Von einer Münchner Schreinerei lässt Ganghofer einen Biergarten mit Bühne einbauen. Der Schreinerlehrling Valentin Ludwig Fey, später bekannt als Karl Valentin, hat darauf seine ersten Auftritte. Ganghofer und Thoma Als anerkannter Autor und Gründer der Literarischen Gesellschaft München setzt sich Ganghofer wiederholt für Schriftstellerkollegen ein, die mit den Zensurbehörden in Konflikt geraten. Er kommt in Kontakt mit den Simplicissimus Künstlern. Daraus entsteht die tiefe Freundschaft zu Ludwig Thoma, der ihn immer wieder an den Tegernsee holt. Zum 50. Geburtstag seines Freundes organisiert Thoma ein Geburtstagsschießen in Finsterwald. Mit Thoma teilt Ganghofer nicht nur die Jagdleidenschaft, sondern er wird auch zu dessen Briefpartner in literarischen und intimen Angelegenheiten.
Wendepunkt: der Erste Weltkrieg
Die Familie lebt abwechselnd in München sowie in Leutasch in Tirol, wo Ganghofer das Jagdhaus Hubertus erwirbt und ein riesiges Jagdrevier im Gaistal pachtet. Auch dort pflegt Ganghofer die Gastfreundschaft gegenüber den Künstlerkollegen, daneben produziert er als nächtlicher Schreiber unermüdlich neue Romane, Schauspiele, Novellen und Gedichtbände. Der Beginn des Ersten Weltkriegs löst bei Ganghofer, den Kaiser Wilhelm II. einmal seinen „Lieblingsschriftsteller“ nannte, Patriotismus und Kriegsbegeisterung aus. Er meldet sich 60-¬jährig als Kriegsfreiwilliger und wird Kriegsberichterstatter. Seine Berichte und Gedichtbände aus dieser Zeit werden schnell veröffentlicht. Sie sind durchzogen von Hurrapatriotismus und Heldenepos, heute allerdings unlesbar.
Lesetipp: Digitale Version der 33. Ausgabe der KulturBegegnungen
Dies ist gewiss ein Grund für die weit verbreitete Nichtbeachtung oder sogar Ablehnung des Ganghoferschen Werks in der Gegenwart. Die Niederlage Deutschlands erlebt Ganghofer gesundheitlich angeschlagen und völlig demoralisiert. Ludwig Thoma holt den Freund an den Tegernsee. Im Juli 1919 erwirbt Ganghofer die „Villa Maria“. Ein Jahr später stirbt er. Ludwig Thoma schreibt: „Um den Mann ist‘s schad!“ Er hält die Grabrede in der Tegernseer Kirche und reserviert den Platz neben Ganghofers Grabstelle auf dem Rottacher Friedhof für sein eigenes Grab.
Gedenktafel am Ludwig-Ganghofer-Haus am Tegernsee. Foto: Petra Kurbjuhn
Kein Platz im Dichterhimmel?
Ganghofer und sein schriftstellerisches Werk wurden stets kontrovers beurteilt: Josef Ruederer nannte Ganghofer einen „Schnadahüpflhanswurst“ und mokierte sich über die Kaisertreue von „Hofganger“. Lion Feuchtwanger dagegen sah Ganghofer in einer Reihe mit Ludwig Thoma und Oskar Maria Graf und dessen Urteil lautete: „unser guter, alter, unverwelklicher bayrischer Lieblingsschriftsteller“. Bis heute fällt der Germanistik die Auseinandersetzung mit dem Werk Ganghofers, das sich jeder simplen Einordnung entzieht, schwer. Hinzu kommt, dass die Buchhandlungen seine Bücher kaum mehr führen und die Filme – 1993 wurde „Der Jäger von Fall“ zuletzt verfilmt – einhellig als „Alpenkitsch“ abgestempelt werden. Deshalb ist es umso spannender, wenn zum 100. Todestag von Ludwig Ganghofer rund um den Tegernsee Veranstaltungen stattfinden, die den Schriftsteller und sein Werk wieder ans Licht holen, um ein neues Bild von ihm zu zeichnen. Ganghofer wäre bestimmt glücklich.