Fanny Kern begeistert als „Mädchen mit den Schwefelhölzern“
Schutzengel (Flo Rian Bauer) und Lucia (Fanny Kern). Foto: Petra Kurbjuhn
Musical in Tegernsee
Mit dem Weihnachtsmusical nach dem berühmten Märchen von Hans-Christian Andersen machte das Tegernseer Volkstheater um Christina und Andreas Kern dem Publikum eine berührende vorweihnachtliche Freude. Und so glänzte bei der Uraufführung in manchem Auge eine Träne.
Die Geschichte um das arme erfrierende Mädchen am Silvesterabend, dem niemand seine Schwefelhölzchen abnimmt, ist wohl bekannt. Sie ist zum einen eine zeitlose, herbe Gesellschaftskritik und vermittelt zum anderen Vertrauen in eine Zukunft nach dem Tod. Andreas Kern hat aus diesem Märchen gemeinsam mit dem Komponisten und Leiter des Chiemgau-Orchesters Matthias Linke ein Weihnachts-Musical mit eingängiger Musik gezaubert, die ergreifenden Texte zu den Liedern schrieb Christina Kern und die Hauptrolle verkörpert Tochter Fanny Kern. Ein echtes Familienwerk also. Und so vermittelt es auch die Verbundenheit und berührte das Premierenpublikum zutiefst.
Das gemeinsame Lied am Anfang. Foto: Petra Kurbjuhn
Es beginnt harmonisch, Kinder und Erwachsene schmücken den Weihnachtsbaum und singen miteinander, begleitet von Maksim Liakh am Klavier. Es herrscht Frieden, man will Freude schenken, so sollte es überall sein. Ist es aber nicht.
Der kleine Michl hat eine böse Hüfte und wird von den Nachbarskindern getratzt, die ihm seine Krücke wegnehmen und kaputtmachen. Michl und Lucia haben ihre Eltern verloren, wurden aber von der Witwe Gottschall als Pflegekinder aufgenommen. Das Geld ist knapp, zudem gibt es einen bösen Vermieter, der an Dickens Scrooge erinnert, und Lucia hilft mit dem Verkauf von Schwefelhölzchen.
Lucia (Fanny Kern), Michl (Michi Tausenfreund) und Schutzengel (Flo Rian Bauer) v.l.. Foto: Petra Kurbjuhn
Andreas Kern hat die Botschaft des Märchens noch einmal verstärkt, indem er gesellschaftliche Ungerechtigkeit in mehrfacher Hinsicht herausarbeitet. Da ist auch die hartherzige Frau Hardt, die Leberpastete und andere Köstlichkeiten kauft, aber sich weigert, Lucia ihre Hölzchen abzunehmen. Dagegen ist der Nachbar Selig, selbst mittelos und mit der Pflege seiner sterbenden Frau befasst, hilfsbereit und einfühlsam. „In der Welt der Reichen muss die Menschlichkeit weichen“, hat Christina Kern in einem Lied geschrieben.
Student der Theologie (Tobi Bubanj), Schutzengel (Flo Rian Bauer), Student der Physik (Felix Thörl) v.l.. Foto: Petra Kurbjuhn
Die Diskrepanz von Naturwissenschaft und Glaube ist ein weiteres Thema, das Andreas Kern durch die zwei Studenten der Theologie (Tobi Bubanj) und Physik (Felix Thörl) deutlich macht. „Wo Wissen endet, fängt der Glaube an“, heißt es da, aber auch „sie werden sich nie einig“. Die beiden Schauspieler haben auch die musikalische Leitung des Musiclas inne.
Ein bezaubernder Tod
Und letztlich spielt im Musical der Tod eine besondere Rolle. Nicht als Gerippe, weiß geschminkt und mit der Sense, sondern als bezaubernde junge Frau in Orange gewandet, kommt Valerie Haberle als Tod liebevoll umfassend daher und tanzt mit der Auserkorenen über die Bühne.
Das Ensemble des Tegernseer Volkstheaters überzeugt mit reifen Leistungen. Es wird durch Kinder der Theatergruppe der Rohrdorfer Montessorischule ausdrucksstark unterstützt. Moderator der Aufführung ist der von Flo Rian Bauer souverän gespielte unsichtbare Schutzengel, der gar nicht verstehen will, dass sich Menschen vor dem Tod fürchten.
Fanny Kern ist Star des Abends
Andreas und Christina Kern verkörpern in ihren jeweiligen Doppelrollen das Böse wie das Gute gleichermaßen und glaubwürdig. Star des Abends ist Fanny Kern. Die 11-Jährige spielt nicht nur ihre Rolle mit einer großen Sicherheit und Selbstverständlichkeit, sondern sie singt auch in berührender Schlichtheit, so, wenn sie sich an ihre verstorbene Mama erinnert.
Michi Tausenfreund als kleiner Bruder Michl bringt ein wenig Humor in die Aufführung, wenn er wütend ist und sich zu Weihnachten eine neue Hüfte wünscht. Und der Sohn von Frau Hardt (Simon Warnemann) zeigt, dass Kinder auch nett und hilfsbereit sein können. So wie es das flotte Lied „Seid doch mal nett und hilfsbereit, nicht nur zur Weihnachtszeit“ fordert.
Lichtengel (Bettina Bentgens-Hardieck) und Tod (Valerie Haberle) v.l.. Foto: Petra Kurbjuhn
Als strahlend heller Sopran erfreut am Ende der Lichtengel Bettina Bentgens-Hardieck mit ihrer Arie das Publikum, das nach dem Schlusschoral ein wenig nach Fassung ringen muss. Dann aber donnernder und berechtigter Applaus für eine Veranstaltung, die zu einer alljährlichen Tradition werden soll, wie Andreas Kern verrät.
Komponist Matthias Linke und Autor und Schauspieler Andreas Kern. Foto: Petra Kurbjuhn
Im Gespräch mit Fanny Kern erfahre ich, dass sie im Schulchor schon erste Erfahrungen gesammelt hat. Einfach sei die Rolle und das Singen nicht gewesen, aber von Probe zu Probe sei sie sicherer geworden. Und natürlich wolle sie Schauspielerin werden, aber auch Archäologin.