MALEN IST HOFFNUNG
Einladung zur Ausstellung. Foto: Brigitte Lobisch
Ausstellung in Gauting
Im Herbst 2022 findet im Rathaus der Gemeinde Gauting im Süden Münchens wieder eine große Ausstellung MALEN IST HOFFNUNG statt. 16 Frauen und Männer mit Autismus unterschiedlichen Alters präsentieren einige ihrer Bilder und haben diese mit sehr persönlichen Texten ergänzt. Dabei ist auch Josef Berghammer aus Wall.
Seit viele Jahren ist es das Anliegen von Kunsttherapeutin Brigitte Lobisch, Menschen mit verbalen Kommunikationsproblemen dabei zu unterstützen, sich zu äußern. Vor fünf Jahren präsentierte sie im Kulturzentrum Waitzinger Keller in Miesbach berührende Bilder mit Texten ihrer Schülerinnen und Schüler.
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Jetzt organisiert sie in Gauting eine Ausstellung und sagt: „Jeder Mensch auf dieser Welt ist einzigartig und gleichzeitig haben alle ausstellenden Malerinnen und Maler eines gemeinsam: sie gehören sämtlich dem Autismus-Spektrum an und verfügen nicht über eine Verbalsprache wie die meisten von uns, sondern bestreiten mutig und offen als schwer kommunikationsbehinderte Menschen ihr Leben und tragen ihr Schicksal mit Würde.“
Joseph Berghammer aus Wall ist seit vielen Jahren bei Brigitte Lobisch in der Kunsttherapie. Er teilt mit:
ICH BIN KEINEN EINFACHEN WEG GEGANGEN IN DER LETZTEN ZEIT. MEINE ELTERN HABEN LEBENSTÜCHTIG ALLE FIESEN VIREN VON UNS ABGEWEHRT. ABER DIE ZEIT DES LOCKDOWN HAT MICH DOCH RECHT EINSAM WERDEN LASSEN. HEUTE BIN ICH FROH, DASS ICH WIEDER MALEN KANN, DENN DAS IST EINFACH EINE TOLLE AUSDRUCKSMÖGLICHKEIT FÜR MICH.
Es sei allgemein bekannt, dass sprachlich eloquente Personen per se einen Bonus haben. Man traue ihnen viel zu. Im Gegensatz dazu traue man kommunikationsbehinderten Menschen, Stammlern, Stotterern, stummen oder lallenden Menschen wenig oder gar nichts zu. „Sie leben aufgrund ihrer Sprachbehinderung in der Gesellschaft mit einem Malus, der sich leider hartnäckig hält. Wer unter uns Neurotypischen geht schon aus seiner vertrauten Komfortzone heraus und vorurteilsfrei direkt auf einen Menschen mit Behinderung zu?“
Bild von Michael Krystkowiak. Foto: Brigitte Lobisch
Dazu brauche es Schneid, Beherztheit und die Bereitschaft zum Wagnis. „Jeder könnte auf einmal merken, dass die Kontaktaufnahme gar nicht so schwer ist, wenn man einmal seine eigene Hürde übersprungen hat und möglicherweise ein überraschtes Lächeln auf dem Gesicht eines herzlich Angesprochenen hervorgezaubert hat.“
Seit Mitte der 1980er Jahre bis zu ihrem Ruhestand 2009 arbeitete Brigitte Lobisch als Kunsterzieherin an einem privaten Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.
„In dieser Zeit lernte ich die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich arbeitete, in ihrer Einzigartigkeit und inneren Schönheit kennen und lieben. Viele von ihnen waren schwer kommunikationsbehindert, aber man konnte an ihren Reaktionen erkennen, dass sie alles verstanden und nach Maßgabe ihrer Kräfte und Fähigkeiten umsetzen konnten.“ So sei auch unter diesen sprachlich eingeschränkten Möglichkeiten gute pädagogische Arbeit möglich gewesen.
Anfang der 90er Jahre habe sie die Methode der Gestützten Kommunikation kennengelernt (FC – Facilitated Communication), die es nicht sprechenden Menschen ermöglichen kann, zu einer „Schreibsprache“ zu kommen und sich differenziert schreibsprachlich auszudrücken. Diese neue Ausdrucksweise eröffnete den Nichtsprechern völlig neue Erfahrungen:
„Wir können nicht sprechen, aber wir haben viel zu sagen!“
Okan Kanmaz: ICH WILL HIER BEI DIR IM GESTÜTZTEN MALEN GUT MALERISCH AUSDRÜCKEN, WAS MICH BEWEGT. KEINESFALLS SOLLST DU KUNSTVOLL EINGREIFEN IN MEIN TUN! DAS INNERE ICH WILL SICH MALERISCH ZEIGEN.
Aus der Erfahrung der Gestützten Kommunikation entwickelte die Kunsttherapeutin 1994 die Methode des Gestützten Malens, die sie in Kombination mit FC seither kunsttherapeutisch einsetzt. Dabei sei ihr klargeworden, dass der Mythos des in sich gekehrten, gefühlsarmen, emotionslosen Menschen mit Autismus endlich revidiert gehört.
Die Ausstellung kann dazu dienen, einen neuen Blick auf Menschen mit Autismus zu gewinnen. Insbesondere die Kombination aus Bild und Text ist es, die Betrachtende besonders anrührt. Brigitte Lobisch lädt dazu ein, zu erfahren „wieviel Reife, Tiefgang, Reflexion, Herzenswärme, Empathie, Lebensfreude und Lebensmut in jedem dieser neurodiversen Menschen steckt, auch wenn ihnen dies im direkten Ausdruck nicht so einfach möglich ist wie uns neurotypischen Mitmenschen.“
Michael Krystkowiaks Bild zu Corona. Foto: Brigitte Lobisch
Der Lockdown unterbrach für Wochen und Monate jeden direkten Kontakt der Menschen in Pflegeeinrichtungen mit vertrauen Familienangehörigen. Telefonate mit nichtsprechenden Menschen sind zwangsläufig einseitiger Natur und auch die kunsttherapeutische Begleitung fiel über Monate aus, berichtet Brigitte Lobisch. „Ich versuchte, den Kontakt zu halten, indem ich jedem der 16 Malerinnen und Maler ab und zu individuelle Briefe schrieb, um sie zu vergewissern, dass unsere innere Verbindung stabil ist und trotz aller momentan widrigen Umstände weiter besteht.“
Michael Krystkowiak malt und schreibt:
DAS CORONAVIRUS SIEHT WUNDERSCHÖN AUS. KAUM VORSTELLBAR, WELCH TÖDLICHE GEFAHR VON IHM AUSGEHT.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit all den schrecklichen Bildern ströme ungefiltert als angsteinflößende Reize auf die Menschen mit Autismus ein, sagt die Therapeutin. „Seit Februar 2022 ist der Krieg in der Ukraine dominierend in deren Thematik.“ Doch auch hier komme immer wieder der Gedanke der Hoffnung zum Tragen, wie es beispielsweise in dem Bild zu sehen ist, welches das Plakat für diese Ausstellung wurde.
Michael Krystkowiaks Bild zum Ukrainekrieg. Foto: Brigitte Lobisch
Michael Krystkowiak (Jg. 1987) malte und schrieb am 03.03.2022:
AUS DEM FRIEDLICH GEORDNETEN BILD IST DAS CHAOS DES KRIEGES GEWORDEN. DIE FRIEDENSTAUBE STEHT ERFREUT ÜBER DEN ZUSAMMENHALT DER FRIEDLIEBENDEN MENSCHEN WEIT SICHTBAR AM HIMMEL UND BIETET EIN LEBEN IN FRIEDEN ALS VERHEISSUNG AN. ICH FRIEDLIEBENDER MANN MIT AUTISMUS BETE FÜR DEN BALDIGEN FRIEDEN.