Dass Manfred Bauer eine Banklehre machte, hat er seiner Kunstlehrerin zu verdanken. An ihrem letzten Schultag fragte sie die Kinder der siebten Klasse was sie werden wollen. Spontan und ohne groß nachzudenken, sagte er damals „Ich werde Banker!“ Und er wurde Banker. Nach dem Realschlussabschluss bewarb er sich wie die meisten seines Jahrgangs um einen Ausbildungsplatz. Während viele zur Bayerischen Landesbank gingen, nahm er das Angebot der Dresdner Bank an. „Ich liebte den Umgang mit dem Geld“, sagt er heute. Sowohl das funkelnde Geld und erst recht Anleihen und noch viel mehr Aktien. „Mein Vater war ein alter Spekulant und schaut auch heute noch die Börsenkurse an; auch wenn er ganz schlecht sieht.“
Mehr als 32 Jahre war Manfred Bauer bei der Dresdner Bank, auch als Filialleiter in Bad Wiessee, wo er sich u. v. a. intensiv um Kultur kümmerte und Ausstellungen initiierte. Vorher war er Revisor und hörte auf die Aufforderung seines Chefs, der sagte, jeder Banker müsse eine Immobilie besitzen. Also kaufte er eine Eigentumswohnung in Putzbrunn. Auch kam er mit seiner Frau – die aus dem Landkreis Miesbach stammt – öfter ins Oberland, besonders nach Wall (Cafe Waldeck). Schließlich fanden sie ein Reihenhaus in Miesbach, das ihnen gefiel. Die Familie mit den Zwillingstöchtern zog nach Miesbach.
Und dann kam die Jahrtausendwende. „Was da passierte war absehbar, so konnte es nicht weitergehen“, sagt Manfred Bauer. Die Banken seien zum verlängerten Arm der Versicherungen mutiert, Versicherungen aber verstünden nichts vom Bankwesen, leider. Er habe schon als Revisor feststellen müssen, dass viele Provisionsgeschäfte falsch gerechnet wurden.
Nach seiner Meinung zog nicht eine Bankenkrise herauf, sondern eine Krise der Wahrnehmungen: „Früher war der Banker der Sachwalter des Geldes, heute ist er ein Provisionshai, getrieben von oben! Ein guter Verkäufer müsse überzeugen, nicht überreden. Es gelte aber, dass der der Beste sei, der am meisten verkaufe.“
So kam keine Bankenkrise, sondern eine Gesellschaftskrise oder Demokratiekrise. Die Politik versage, Wahlkampf sei wichtiger als Demokratie zu leben und die Menschen verweigern sich, an der Gestaltung mitzuwirken. „Sie wissen nicht, wie gut es uns geht.“ In dieser Situation hätten seine drei Frauen daheim sehr gut gespürt, dass er unzufrieden war. Bei einer Familienkonferenz wurde ausgesprochen, was sie bewegte: „Wenn du schon mal zu Hause bist, dann bist du die Hälfte deiner Zeit in der Kirche“, lautete der Vorwurf, und: „Jetzt machst du dein Hobby zum Beruf.“
Jawohl, dachte Manfred Bauer, mein „Hobby“ war seit 45 Jahren die Kirche. Neben seiner großen Liebe die er inzwischen mit der ganzen Familie teilt, das Schicksal des TSV 1860 München. Er war Ministrant, als Leiter der Pfarrjugend St. Margareth, München-Sendling engagiert und immer kirchlich interessiert, besonders als PGRler und Mitglied der Kirchenverwaltung. Aber: „Ich war nicht Papst“, sondern immer ein Nachfolger und Zeuge für Jesus Christus. Die Ausbildung zum Diakon begann der Banker 1999 und studierte Theologie im Fernstudium und die Erlangung der Lehramtsberechtigung für katholische Religion. „Alles was ich mache, mache ich mit Leib und Seele und 100prozentig“, bekräftigt er; wenn schon Diakon, dann mit ganzer Energie. Zum Jahresende 2003 verließ er „seine“ Dresdner Bank – fing 2004 bei der Kirche an, wobei es noch ein Jahr intensiven Studiums in Benediktbeuern zu absolvieren galt.
Als Diakon sieht sich Manfred Bauer im Dienst in und an der Kirche, besser: den Menschen! Er darf ebenso wie ein Priester das Sakrament der Taufe spenden und der Ehe assistieren, z.B. die Beichte aber ist dem Priester vorbehalten. Zunächst versah der neue Diakon seinen Dienst im neuen Pfarrverband „Oberes Leitzachtal“, dann in Bad Feilnbach und Au bei Bad Aibling, heute ist er in Glonn tätig. Neben der Sakraments- und Predigtvorbereitung feiert er Wortgottesdienste. Die Begegnung mit den Menschen liegt ihm besonders am Herzen. Mit regelmäßigen Besuchen besonders bei der Krankenkommunion kommt er der Seelsorge nach.
Aber, so betont er, als Diakon stehe er auch für diejenigen da, die nicht in die Kirche gehen oder gehen können und er lade auch immer Familien ein, den Gottesdienst zu besuchen. „Auch wenn die Kinder quengeln“, man sollte das aushalten. Und er stehe für die am Altar, die in Not seien, denn auch bei uns gebe es Armut und Not. Und das gelte es anzuschauen und mitzutragen.
Sein Spurwechsel sei konsequent gewesen, sagt Manfred Bauer, obwohl seine beiden Wege vergleichbar seien. Zunächst habe er im Dienst der Bankkunden gestanden und heute als Diakon im Dienst aller Menschen, sein Motto aber sei dasselbe: Miteinander – füreinander – zueinander. Der Wahlspruch zur Weihe 2005, durch H. H. Kardinal Friedrich Wetter, ist dem 1. Petrusbrief der Heiligen Schrift entnommen und lautet: „Sei stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die dich trägt … (1. Petr. 3,15)“. Die Begegnung im Austausch gebe es hier wie da, nur stehe der schnöde Mammon jetzt nicht mehr im Mittelpunkt, jetzt gehe es um persönliche Lebensschicksale, nicht nur ums Geld. Für ihn sei es wunderbar, dass er heute dort ackern dürfe, wo seine größten Fähigkeiten liegen, er habe wirklich sein Hobby zum Beruf gemacht, genau wie seine Damen ihm vorschlugen.
Einen Traum hat der katholische Diakon für das Jahr 2017. Er wünscht sich, dass Papst Franziskus nach Deutschland kommt und Martin Luther „heilig spricht“, denn dieser habe wach und kritisch gelebt. Damals sei die katholische Kirche reformbedürftig gewesen. Und heute würde Luther vermutlich dasselbe über die evangelischen Kirchen sagen.
Monika Ziegler
Publiziert 10. Juli 2013