Kultur Agenda: Zeitenwende oder Schleichweg?
Markus Michalke und Anna Kleeblatt mit Minister Markus Blume – Gemeinsamer Blick in die Zukunft? Foto: Sabiene Hemkes
Es ist Wahlkampf im Bayernland. Markus Blume, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, stellt auf Einladung der „Initiative Kulturzukunft“ die neue Kulturagenda Bayerns in der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) vor. Zieht da etwa die ganz große Kulturpolitik beim Miesbacher „Umbruch“ nach?
Kulturagenda mit Staatsminister Markus Blume
In der gerade erscheinen 39. Ausgabe der KulturBegegnungen stellen wir unsere Gedanken zu den aktuellen kulturellen Entwicklungen vor. KulturVision e.V. will den ausgemachten „Umbruch 2023“ beobachten und aktiv unterstützen. Fast zeitgleich präsentierte in München Minister Markus Blume (CSU) in einem Bericht vor dem Landtagsausschuss für Wissenschaft und Kunst die neue Kulturagenda für die neue Legislaturperiode. Ja, schon klar – die lokale Kultur im Landkreis hat wenig gemein mit dem von der „Kultur-Milliarde“ finanzierten Kulturleben im Land Bayern und seinen großen Städten.
Lesetipp: Die 39. Ausgabe der KulturBegegnungen auch zum Download
Doch wird hier wie dort die dringende Notwendigkeit des Wandels thematisiert. Bei Markus Blume, der erst vor 18 Monaten das Ministeramt von Bernd Sibler übernahm, liegt in erster Linie der Fokus auf den staatlichen Opern-, Orchester- und den Theaterbühnen, den großen Museen und Sammlungen im Freistaat sowie den prestigeträchtigen Hochschulen und Bildungsinstituten. Eben der sogenannten Hochkultur und nicht das lokale Kulturleben in unserem ländlichen Raum. Visionen und eine Finanzierung brauchen jedoch beide.
Umbruch oder Wandel
Auch die Herausforderungen sind ähnlich – im Großen wie im Kleinen: Wie kann die Kulturszene, auf die sich ändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Kulturraum des 21. Jahrhunderts reagieren? Wie dem Bildungsauftrag der Kultur gerecht werden? Mit welchen Strategien die Menschen in die Kulturstätten (zurück)holen? Wie den jungen Menschen in unserer Gesellschaft den Raum anbieten für die eigenständige Entwicklung? Und wenn man Antworten findet, wie soll man das alles finanzieren, organisieren und realisieren?
Kulturdiskussion auf der großen Bühne des HFF. Foto: Sabiene Hemkes
Die Redaktion der KulturBegegnungen sieht dabei die Notwendigkeit für den deutlichen „Umbruch“ gegeben. Markus Blume hingegen bemüht den derzeit in aller Munde geführten Begriff der Zeitenwende hin zum Wandel in der Kultur. Diesen notwendigen Kulturwandel stellte der Minister auch am Montagabend beim „Münchner Kulturgespräch“ in der HFF in München in den Vordergrund.
Kulturvisionen im Wahlkampf?
Eingeladen zur Veranstaltung hatte die „Initiative Kulturzukunft“. Über 200 Freundeskreis-Unterstützer, Kunstmäzene und andere Kulturfreunde aus ganz Bayern hatten sich am frühen Montagabend im Audimax versammelt. Die Erwartung: Impulse und Motivation aus der neuen Kulturagenda der Landesregierung mit in das eigene Engagement übernehmen zu können. Die „Initiative Kulturzukunft“ formierte sich im Herbst 2022. Laut eigener Definition versteht sich die Initiative als „eine unabhängige, bürgerschaftliche Vereinigung von kulturfördernden Freundeskreisen, die den kulturinteressierten Bürgerinnen und Bürgern Bayerns eine Stimme gibt.“
Der Münchner Merkur betitelte das Engagement damals als die „Die Planung einer Revolution“. Unternehmer Markus Michalke, unter anderem Vorsitzender des Stiftungsrats Pinakothek der Moderne und Sprecher der Initiative, hingegen formuliert es ein wenig moderater: „Wir verlangen im Wahljahr 2023 von der Politik Kernaussagen und ein Konzept zur Zukunft der Kulturinfrastruktur in Bayern.“
Veranstaltungstipp: Sommer-Programm „Initiative Kulturzukunft“
Der „Initiative Kulturzukunft“ schließen sich bayernweit immer mehr Kunstförderer an. Waren es laut Markus Michalke bei der Gründung im Oktober noch 15 Freundeskreise, so sei die Zahl inzwischen auf über dreißig Mitglieder gestiegen. „Das heißt, wir vertreten inzwischen fast 15.000 Menschen in ganz Bayern“, verkündete der Sprecher der Initiative am Montag. Gemeinsam mit seiner Co-Moderatorin, Kulturmanagerin Anna Kleeblatt, versuchte das Sprecher-Duo dem Minister verbindliche Aussagen zu den kulturpolitischen Plänen und Visionen der amtierenden Landesregierung zu entlocken.
Markus Blume – Leistungsschau und versuchter Schulterschluss
Doch Markus Blume, ganz eloquenter Politprofi, ließ sich in der Podiumsdiskussion kaum locken. Zuvor hatte der Minister einen 40-minütigen Vortrag gehalten. Beginnend mit einem deutlichen Lob für die Arbeit seines Ministeriums trotz Pandemie und den Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine. „Kein anderes Bundesland investiert so viel Geld in die Kultur wie wir im Freistaat“, ließ der CSU-Politiker keinen Zweifel aufkommen.
Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst – Markus Blume. Foto: Sabiene Hemkes.
Jährlich seien das inzwischen über 900 Millionen Euro. Nach dem Zahlenwerk kam Markus Blume auf die neue Kulturagenda der Landesregierung zu sprechen. Das Fundament dieser Agenda sei eine digitale „Kulturbildungs- und Digitaloffensive“, ein „Kulturpakt“ zwischen Freistaat, Kommunen und der Privaten Hand sowie eine neugestaltete „Kulturstiftung“ zur Finanzierung dringend nötiger Sanierungs- und Neubaumaßnahmen.
Die moderne Kulturkaskade
Der Minister fordert wiederholt die „gemeinsame Kraftanstrengung“ aller im Kulturbetrieb Engagierten ein. Und räumt am Ende sogar etwas überraschend ein: „Wir haben keine fertige Kulturagenda. Wir alle müssen gemeinsam überlegen, wie das ausschauen soll“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt fühlten sich wohl die vielen Förderer und Mäzene im Auditorium direkt angesprochen.
Potenzielle Partner der Kulturpolitik – Blick in das voll besetzte Audimax am Montagabend. Foto: Sabiene Hemkes
Auch Markus Michalke hakt in der Diskussion genau hier nach: „Für Stiftungen wie das Konzerthaus und Biotopia sind von privater Seite schon Millionen geflossen – ohne dass je gebaut worden wäre.“ Woher solle denn da das Vertrauen kommen?, will der Sprecher vom Minister wissen. Statt eine direkte Antwort zu erhalten, relativiert der Minister. Referiert zu den Problemen bei den beiden angesprochenen Projekten und wechselt anschließend geschickt zu einem seiner neuen Lieblingsbegriffen, wie es scheint: der Kulturkaskade.
Sanierungsstau nicht nur in der Landeshauptstadt
Oder auch den Sanierungsplan, wie man den Kunstbegriff der Kaskade treffender erklären kann. Ein Planungskonzept für die vielen maroden Kulturstätten im ganzen Land, die schon lange auf etwas Zuwendung warten. „Wir können nicht alle Projekte gleichzeitig angehen“, macht der CSU-Politiker deutlich. Doch sei es wichtig, alle Maßnahmen in der momentan angespannten Haushaltssituation aufeinander aufzubauen. Immerhin gingen schon zwei Drittel der aktuellen Bauprojekte im Freistaat auf den Kulturbereich. Der Minister ergänzt: „Wir dürfen jetzt keinen Baufetisch entwickeln. Kultur ist mehr als nur Steine.“
Im Audimax wurden am Montagabend die großen Fragen des Kulturwandels diskutiert. Foto: Sabiene Hemkes
In den insgesamt kurzweiligen zwei Veranstaltungsstunden wird viel über Kultur-Großprojekte wie in Coburg, Nürnberg, Füssen, Regensburg und besonders der Landeshauptstadt gesprochen. Über Digitalisierung, den kulturellen Bildungsauftrag, den Mut zum „Unperfekten“ oder den Sinn oder Unsinn von großen Interimslösungen. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Herausforderungen für die Kulturpolitik im Freistaat enorm sind. Eine erkennbare Vision der Politik für die Zukunft der Kultur im Freistaat tritt davor in den Hintergrund.
Und was bleibt hängen?
Über den vom Minister mehrmalig und nachdrücklich eingeforderten Schulterschluss aller Akteure und privaten Investoren im Kulturbereich versuchten die Moderatoren mehr zu erfahren. Doch auch auf sehr konkret formulierte Nachfragen und Angebote blieben Markus Blumes Aussagen in diesem Kontext auffällig unkonkret.
Was wiederum aufzeigt, wie wichtig das Engagement von Künstlern und Künstlerinnen, Interessenvertretern, Freundeskreisen und Kulturinteressierten in der heutigen Zeit ist. Die Akteure der Kulturszene in Bayern – lokal, regional wie landesweit – sind aufgefordert, öffentlich ihre Fragen und auch Forderungen in den Landtagswahlkampf zu bringen. Sei es in „Kultur Gesprächen“ wie in der HFF oder am „Kulturstammtisch“. Denn auch Politiker wie Markus Blume wollen über den Wahltag hinaus im Amt verbleiben.