Menschsein als Mittelpunkt des Schaffens
Markus Thurner vor dem Modell „Altwürde“ für die Kunststrasse Imst. Foto. Ines Wagner
Ausstellung in Achenkirch
„Selbstdarstellung und andere Inszenierungsformen“ war das Thema der KUNSTSTRASSE in Imst. Kunstpreisträger Markus Thurner überzeugte mit seiner Skulptur „Altwürde“. Jetzt sind seine Arbeiten in Achenkirch zu sehen – in einem ebenso sehenswerten Kulturhaus.
Sechs verschiedene Modelle mit dem Titel „Altwürde“ hat der in Maurach lebende Bildhauer Markus Thurner gefertigt. Altwerden in Würde – das Thema steht im Kontext eines humanen Weltbildes, das sich durch alle Werke des Künstlers zieht. Kann man die Erinnerung an einen geliebten Menschen in einer Skulptur einbauen, auch die Stadien eines Verfalls festhalten? Um diesen Gedanken kreiste der Bildhauer und wählte als Ausdrucksform das Gesichtsfragment. In seinen sechs Entwürfen variierte er unterschiedliche Ausdrucksformen. Sie reichen vom realistisch modellierten Porträt bis zum abstrakten, zerklüfteten Fragment.
Markus Thurner: „Altwürde“, Bronzeplastik, Kunstpreis Imst. Foto: Markus Thurner
Was passiert mit dem Gesicht, wenn die weichen Züge verschwinden? Die Zerklüftelungen, scharfkantig herausgearbeitet, ergeben eine starke Prägnanz. Sie erhöhen zugleich die Präsenz und geben eine neue Kraft, eine sichtbare Würde im fortschreitenden Alterungsprozess. „Altwürde“ hat die Jury und das Publikum in Imst überzeugt. Die große Bronzeskulptur steht seitdem in Imst. Die Modelle Altwürde I bis IV sind derzeit im Alten Widum in Achenkirch ausgestellt.
Menschsein in allen Aspekten
Die figürliche Arbeit, der Mensch als Ganzes, als Torso, als Fragment, steht von Anfang an im Mittelpunkt der Werke Markus Thurners. Seit dem Abschluss einer klassischen Holz- und Steinbildhauerausbildung in Innsbruck nähert er sich figurativ von unterschiedlichen Seiten dem Menschsein. Dort unterrichtet der Künstler seit 2003 auch im Studiengang Bildhauerei und Objektdesign. Aus der klassischen Bildhauerei kommend fühlte sich Thurner auch der figürlichen Tradition des Tirol verpflichtet.
In sich gekehrt und zielstrebig: „Der Egoist“, Markus Thurner. Foto: Ines Wagner
„Der Egoist“, in sich gekehrt und in angespannter Pose, widerspiegelt ein autobiografisches Thema. Hier finden die Urängste der Selbständigkeit ihren Ausdruck. Mit aller Kraft wird das Ziel fokussiert, um es nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist eine Entschlossenheit, ein Überlebenswille darin, aber auch das Alleinsein: Aus eigener Kraft etwas bewegen. Selbstdarstellung? Markus Thurner hat den Egoist viele Jahre nicht gezeigt. Bis er seinen Frieden mit ihm gefunden hat. Schließlich ist er ein Stück des Weges, wenn nicht ein Meilenstein.
Bibelthemen umgesetzt
Thurners Themen kreisen weiter ums Menschsein. „Die verbotene Frucht“ zeigt eine Eva, die bei genauerem Hinsehen Adam überragt. Sie ist vorwärts gewandt, die treibende Kraft, während Adam zögerlich verweilt. Religiöse Themen finden sich immer wieder in den Werken Markus Thurners. Für die beeindruckende Granatkapelle des Stararchitekten Mario Botti auf dem Penkenjoch hat der Mauracher Künstler aus fünf heimischen Hölzern den Altar und ein Abbild des Seligen Engelbert Kolland als Mosaik gestaltet.
Markus Thurner: „Der Totentanz“ – Model einer von 10 Tafeln. Foto: Ines Wagner
Im Moment steht ein weiteres, monumentales Werk kurz vor seiner Vollendung: Der Museumsfriedhof in Kramsach erhält ein Eingangsportal. Die insgesamt 35 Quadratmeter Totentanzdarstellung Markus Thurners sind aufgeteilt auf 10 Cortenstahltafeln. Der „Totentanz“ beschäftigt den Künstler thematisch seit anderthalb Jahren. Die Idee, ein Gefühl, eine Vision zuerst, muss wachsen, reifen und Gestalt annehmen. Der Text um die Verantwortung der menschlichen Taten ist immer wieder das verbindende Element der Darstellungen des Facettenschnittes. Am Modell einer der Tafeln in der Ausstellung ist zu sehen, wie sich das durch den Facettenschnitt fallende Licht mit jedem Blickwinkel ändert.
Mutter und Kind
Für das behutsam gestaltete, innige Taufrelief „Mutterseelen“ war die Flüchtlingswelle der Auslöser mit ihren bewegenden Bildern toter Menschen am Strand, auch der Kinder darunter. Lebendig, fröhlich und verschmitzt hingegen ist das ausdrucksstarke Porträt der 5-jährigen Nichte.
Markus Thurner: „Das kleine Fräulein“. Foto: Ines Wagner
Die realistischen, plastisch geformten Figuren aus den Anfängen des Schaffens zeigen den spannenden Entwicklungsbogen zum abstrakt-figürlichen Werk von heute. Das Kunststoffmodell eines abstrakt geometrischen Steinbocks wird in der imposanten Größe von 3 Metern in Cortenstahl umgesetzt. Eine Schelmenfigur für Imst ist ein Ausflug ins Volkstümliche. Darin spiegelt sich die Verbundenheit des geborenen Imstalers für die Traditionen seiner Region wider.
Markus Thurner: Modell des Steinbocks – vor Bildern von Gerhard Bosak. Foto: Ines Wagner
Die Skulpturen vom Markus Thurner korrespondieren in der Ausstellung mit Bildern von Gerhard Bosak. Dem ehemaligen Obmann des Kulturvereins Achenkirch ist es zu verdanken, dass das alte Pfarrhaus in Eigenregie zu einem Kulturhaus umgebaut wurde. Die Gedächtnisausstellung zeigt einen eindrucksvollen Überblick der künstlerischen Entwicklung des vor zwei Jahren verstorbenen engagierten Malermeisters und Künstlers.
Kurze Wege – starke Kultur
Der Weg nach Achenkirch ist nicht weit, nur ein paar Kilometer über den Achenpass hinweg ins benachbarte Tal. Der Kulturverein Achenkirch lädt immer wieder zu lohnenswerten Konzerten und Ausstellungen ein und pflegt einen regen Kulturaustausch mit dem Oberland.
In der aktuellen Ausgabe der Kulturbegegnungen lesen Sie auf Seite 19 einen Artikel einer Kulturbegegnung zwischen der Künstlergruppe Delta und dem Kulturverein Achenkirch.