Florian Lechners „Materialisiertes Licht“
Florian Lechner vor dem Foto das Glasbrunnens im Innenhof der Bayerischen Landesbank. Foto: Petra Kurbjuhn
Ausstellung in München
Sein Lebenswerk präsentiert der große Glaskünstler Florian Lechner jetzt in der Galerie Handwerk in München. Der Besucher ist überwältigt von den Möglichkeiten, die das Material Glas, geformt und bearbeitet von dem Künstler, bietet, und er erhält tiefgründige Einsichten.
„Taufe – Corona – Einsicht“ so heißt auch das Plakat, das Florian Lechner gestaltete und das für ihn die zeitgeschichtliche Essenz seines Lebens und Werkes beinhaltet. Die Taufe habe er als junger Mensch erlebt, als er mit 14 000 Pilgern nach Chartres kam und in der völlig leeren Kathedrale eine gewaltige Lichterfahrung erleben durfte. Übergossen vom Licht der mittelalterlichen Glasfenster, das über ihn wanderte, entdeckte er seine Lebensaufgabe: die Materialisierung des Lichtes durch das Glas.
Was durch Corona zutage tritt
Corona, so sagt er, sei die nach Oben offene und durchlässige Krone, aber der Mensch habe sie mit Machtsymbolen zugedeckt. „Wir müssen entdecken, wofür uns heute Corona öffnet und was durch Corona zutage tritt.“ Das Licht, so hat Florian Lechner erkannt, stellt den Zusammenhang zwischen Kosmos und Material her, denn Licht ist unsichtbar, wird aber durch Brechung am Material sichtbar. Diese Einsicht vermittelt die Ausstellung, die bis zum Ursprung von Florian Lechners Werk zurückgeht.
Erinnerung an die Eltern. Foto: Petra Kurbjuhn
Im Untergeschoss trifft der Besucher auf Fotos und Erinnerungsstücke seiner Eltern. Er wuchs in einer Musikerfamilie in München auf und bezeichnet die Musik als Beginn seiner Laufbahn. Der Klang ist auch heute noch ein wesentlicher Bestandteil seines Werkes. Florian Lechner erzeugt ihn an seinen Glasobjekten mit Klöppeln und Stäben und zeigt, wie unterschiedliche Frequenzen an zerklüfteten Rändern entstehen, wie sich der Klang an seinen großen ovalen Schalen vom Rand zur Mitte hin verändert.
„Sphaira“. Foto: Petra Kurbjuhn
Klang und Licht übertragen durch das Glas, das wurde zum Anliegen von Florian Lechner, der Kunsterziehung und Malerei an der Werkakademie Kassel bei Fritz Winter studierte und in seinem Atelier bei Nussdorf am Inn mit diesem Material experimentierte. Er entwickelte eine Technik, bei der er durch Erhitzen und Verformung in großem Maßstab „das wunderbarste Material“ bearbeiten kann, es sogar mit Hammer und Meißel so gestaltet, wie er es möchte.
„Das kann kein Glas sein“
Und dabei sich sogar der Gefahr aussetzt, dass eine Jury der Meinung ist, dies könne kein Glas sein und ihn ausjuriert. Das Werk „Insel“ aus formgeschmolzenem Floatglas ist im Untergeschoss zu sehen. Man kann schon zweifeln, ob diese gebogenen großen Glasteile wirklich aus dem, wie man meint, zerbrechlichem Material bestehen.
Hommage an Phidias I. Foto: Petra Kurbjuhn
Daneben trifft der Besucher auf eine grüne Skulptur. Das sei eine Hommage an Phidias, erklärt der Künstler, denn der habe schon vor 2500 Jahren die Technik entdeckt, die er selbst heute anwende. In die Glasskulptur hat Florian Lechner Abdrücke von griechischen Amphoren eingebracht, so dass man tief in das Innere hineinschauen kann.
Materialisiertes Licht durch Brechung und Reflexion
Mehrfache Brechung und Reflexion erlebt der Betrachter an vier großen Glasstelen, die im Halbrund von poliertem Edelstahl umgeben sind. Das Licht wird am Glasprisma und an den durch das Behauen unregelmäßigen Kanten gebrochen und am Edelstahl reflektiert, dabei entstehen je nach Blickwinkel sehr unterschiedliche Bilder, wie eine Fata Morgana.
„Reflexion“, in der Mitte „Glaszeit“. Foto: Petra Kurbjuhn
Materialisiertes Licht findet der Besucher in unterschiedlicher Weise im Erdgeschoss der Galerie. Im Fenster sind fünf Stelen, die der Künstler formgeschmolzen hat, eine davon nennt er „Gemeißeltes Licht“, denn er hat die Oberfläche tatsächlich mit Hammer und Meißel bearbeitet. Eine weibliche Figur wie aus Eis geformt, aber aus Floatglas formschmolzen, beweist, dass Florian Lechner seine Technik auch für gegenständliche Werke nutzen kann.
Florian Lechner erzeugt Bewegung und Klang in seiner Glasschale „Ego Echo“. Foto: Petra Kurbjuhn
An der auf dem Boden stehenden, mit seinen Schriftzügen versehenen, großen Schale „Ego Echo“ aus Floatglas zeigt der Künstler die Bewegung dreier Kugeln und die Klangausbreitung. Eine klingende Form und ein sichtbarer Lauf der Kugeln über den Spuren der Schrift.
Ein großes Prisma, der Urtyp der Lichtbrechung, steht schräg im Raum. Blaue Einschlüsse lassen das Licht im Glaskörper sehr unterschiedlich sichtbar werden. Die Doppelskulptur „Speer 1 und 2“ lässt sich auch als Paar interpretieren, zwei Menschen, in denen das geistige Licht sichtbar wird.
„Großes Prisma“. Foto: Petra Kurbjuhn
Ein Großfoto des Glasbrunnens im Innenhof der Bayerischen Landesbank geleitet den Besucher vom Erdgeschoss ins Untergeschoss der Galerie Handwerk. Den Bezug zum Handwerk stellt der Künstler mit seinem Werk selbst her. Er konstruiert seine Brennöfen selbst, schmilzt sein Material, formt es und bearbeitet es, alles mit seinen Händen. Und er sagt, dass die Hand eine komplexe Landschaft sei, die in engem Kontakt zum Gehirn stehe. Der Besucher kann sich anhand zahlreicher ausgestellter Projektdokumentationen von der Entwicklung seiner Arbeiten überzeugen.
Taufe Corona Einsicht
Taufe in Chartres, Corona als Öffnung und Einsicht, die Erkenntnis, dass der Mensch in einem Zusammenhang hinein geboren wurde zwischen dem Kosmos und dem Material, das ist die Botschaft dieser Ausstellung „Materialisiertes Licht“. Florian Lechner macht das Unsichtbare, das Licht, das uns mit dem Kosmos verbindet, durch seine Kunst sichtbar.
Lesetipp: Florian Lechner: Lichtglas und Glasklang