Flüchtlingshilfe, Fußball und Vertrauen
Fußball ohne Grenzen – Turnier in Miesbach 2017 mit Schirmherr Landrat Wolfgang Rzehak, Foto: Sabine Kirchmair
Interview zum Thema Vertrauen
Parallel zur 27. Ausgabe der KulturBegegnungen, die den Titel „Vertrauen“ trägt, bringen wir auch in unserem Online Magazin Beiträge zu diesem Thema. Ein Interview mit Max Niedermeier, dem Integrationsbeauftragten im Landkreis Miesbach.
Herr Niedermeier, das Magazin Focus hat Sie im August als „Kernzelle der hiesigen Flüchtlingshilfe“ bezeichnet. Wieso das?
Mich interessierte das Netzwerk Integration, weil immer mehr ausländische Mitbürger in unsere Sportvereine kamen. Ich bin Vorsitzender der Sportarbeitsgemeinschaft in Miesbach und wurde überraschend auch Integrationsbeauftragter. Ich habe dann das Netzwerk Asyl aufgebaut und die Volkshochschulen für den Sprachunterricht gewonnen. Zugleich konnte ich in Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern in allen 17 Gemeinden Helferkreise gründen. Wir gelten inzwischen wohl als Vorzeigelandkreis.
Max Niedermeier, Integrationsbeauftragter im Landkreis Miesbach, Foto: Ines Wagner
Flüchtlingsarbeit ist Vertrauensarbeit. Wer muss wem und warum vertrauen?
Natürlich brauchen die über 500 Helfer Vertrauen. Das Vertrauen der Bevölkerung, der Behörden, das Vertrauen in die gemeinsame Arbeit. Am Wichtigsten ist es, das Vertrauen der Flüchtlinge zu gewinnen. Stellen Sie sich vor: Unbegleitete Minderjährige werden nachts auf der Autobahn aufgegriffen. Ein fremder Mann, zum Beispiel unser Jugendamtsleiter, fordert sie auf, in sein Auto zu steigen, durch eine dunkle Gegend zu fahren, zu einem fremden Haus. Dann müssen sie entscheiden, vertraue ich oder vertraue ich nicht?
Was sind die größten Hürden für die Helfer?
Die Helfer müssen flexibel sein und sich in die verschiedensten Kulturkreise hineindenken. Am Anfang war das schwierig, denn bei der Belegung der Unterkünfte wurde das nicht immer berücksichtigt. Es gab Konflikte, beispielsweise weil die Eritreer immer die Untergebenen der Syrer waren. Da hat sich im Weltbild bis heute nichts geändert. Es hat vielfältig gekracht.
Wie kann man das Misstrauen zwischen den verschiedenen Völkergruppen abbauen?
Es ist schwierig, sie zusammen zu führen. Man darf nicht vergessen, dass die mit einem gewissen Aggressionspotential angekommen sind. Traumatisiert und aufgeregt. Das dauert, bis es nachlässt. Die Wut auf den Krieg bleibt und die Sorge: „Was ist in meiner Heimat?“ Die dezentrale Verteilung hilft, diese Probleme zu verringern. Auch im Deutschunterricht werden Vorurteile und Misstrauen mit der Zeit abgeschliffen.
Max Niedermeier beim Fussball ohne Grenzen – Turnier, Foto: Sabine Kirchmair
Welche Rolle spielt der Sport beim Thema Vertrauen und Integration?
Sportler verstehen sich zumeist ohne viele Worte. Eine wesentliche Rolle spielt der Fussball. Wir haben in diesem Jahr in Miesbach das 1. Integrationsturnier „Fußball ohne Grenzen“ veranstaltet. 12 Mannschaften mit Asylbewerbern aus dem Landkreis kämpften unter der Schirmherrschaft von Landrat Wolfgang Rzehak mit Begeisterung um den Wanderpokal. Das war ein großer Erfolg.
Fussball überwindet Grenzen, Foto: Sabine Kirchmair
Sie haben die Asylwerkstätten gegründet. Was hat es damit auf sich?
In den Werkstätten bildet ein Meister 18 Burschen im Metallbau aus. Sie bekommen eine Teilqualifikation, danach können sie in Ausbildung gehen. Seitens der hohen Politik ist das nicht vorgesehen. Wir bekommen keine Gelder, weil wir in den Asylwerkstätten die „verkehrten Flüchtlinge“ aufnehmen: Die durch alle Raster fallen, nicht anerkannt sind, keine Bleibeperspektive haben. Aber wir machen es trotzdem, um sie aus den Unterkünften zu holen und ihnen eine Perspektive zu geben. Geplant ist, dass die Flüchtlinge, falls sie abgeschoben werden, in ihren Heimatländern erneuerbare Energieanlagen aufbauen. Das ist Vertrauen, dass wir in sie investieren. Das ist der Sinn der Asylwerkstätten.
In den Asylwerkstätten, Foto: Max Niedermeier
Es gibt auch das Misstrauen in der Bevölkerung. Wie können Sie da Vertrauen aufbauen?
Durch Aufklärung. Unser Landkreis wird ja oft als Vorbild hingestellt, weil die Zusammenarbeit zwischen dem Integrationsbeirat, den Helferkreisen und dem Landratsamt gut funktioniert. Die Bevölkerung ist überwiegend positiv eingestellt, da helfen ganz viele zusammen. Das positive Echo überwiegt.
Herr Niedermeier, ich bedanke mich herzlich für das Interview.