Fünf Männer, zwei Stunden und viel, viel Geld
Metropoltheater München: Schuld und Schein. Foto: Veronika Reisig
Gastspiel Metropoltheater München beim Schlierseer Kulturherbst
„Schuld und Schein. Ein Geldstück“ – Vom Wesen unseres (undurchschaubaren?) Finanzsystems
Mit einem Goldstück fängt alles an: Ein Sparer, von Butz Buse gespielt als gutgläubiger und zugleich raffgieriger Mensch, verleiht dieses Gold an einen Banker. Er bekommt dafür einen Schein. Daraus wird später unser Geld, das ja zunächst mal nichts wert ist, wenn man das pure Material betrachtet. Doch warum sollte der Sparer verleihen, ohne selbst etwas davon zu haben? Banker 1, gespielt von Paul Kaiser, verspricht ihm in vernuscheltem Schweizerdeutsch einen Gewinn von einem halben Goldstück. Nun kommt der Wettbewerb ins Spiel: Banker 2, ein aalglatter Typ, klasse verkörpert von Marc-Philipp Kochendörfer, bietet dem Sparer mehr: ein ganzes Goldstück Zinsen.
Der Sparer ist glücklich, er macht das große Geld: Paul Kaiser, Marc-Philipp Kochendörfer, Butz Buse, Philipp Moschitz (von links). Foto: Veronika Reisig
Für wen wird sich unser Sparer wohl entscheiden, auch wenn er Banker 2 nicht so vertraut wie Banker 1? Klar, im Endeffekt ist es die Kohle, die zählt. Aber eigentlich ist es auch vollkommen egal, weil Banker 1 und 2 sich sowieso untereinander Geld leihen, und das natürlich zu viel günstigeren Konditionen als gegenüber ihren Sparern. So nimmt das Übel Szene für Szene seinen Lauf. Aber es bleibt sehr wohl durchschaubar, anders, als es uns Banker, Politiker und sonstige Experten heute weißmachen wollen: Dass es sich gar nicht lohne, diese unsere Finanzwelt zu verstehen, nach dem Motto „Alles viel zu kompliziert für euch.“ Wohl auch die Motivation des Dramatikers Ulf Schmidt, aus dessen Feder „Schuld und Schein“ stammt. Er nimmt uns mit in kurze, sehr anschauliche Szenen, die genau jene Verschleierung entschlüsseln helfen.
Herr Kaiser wird es schon richten
Dass der Staat in diesem System eine tragende Rolle spielt, zeigt uns Herr Kaiser. Nein, dieses Mal ist es nicht der vertrauensvolle Mann von der Versicherung, sondern der, der an der Spitze steht. In der Inszenierung von Jochen Schölch trägt er eine Papierkrone, die nicht minder eindrucksvoll ist. Ansonsten gibt es bei „Schuld und Schein“ kein Bühnenbild, das vom Thema ablenken könnte. Die ganze Aufmerksamkeit gilt den Worten und Gesten der fünf Schauspieler. Herr Kaiser nun leuchtet von oben herab, mit einer Mini-Taschenlampe auf die Banker, die vor Ehrfurcht in die Knie gehen. Denn sie wollen ja etwas sehr Elementares von ihm: Er soll mehr Geld drucken.
Herr Kaiser ganz groß, die Banker ganz klein: Hubert Schedlbauer, Marc-Philipp Kochendörfer, Paul Kaiser (von links). Foto: Veronika Reisig
Schlag auf Schlag geht es nun durch die Welt der Finanzen. Wir bekommen alles genau, aber auch wie im Stakkato erklärt: die Aktie, die Zentralbank, die Sicherheiten, die Inflation – und „Raten“. Gemeint ist das englische „to rate“, also das, was die Rating-Agenturen machen. Auch hier hat Herr Kaiser das Machtwort: Es ist ein Glaubensgeschäft, er verkündet und muss nicht groß begründen, warum er hoch- oder eben auch herabstuft. Und auf einmal ist aus seinem dicken Schnauzbart ein Hitler-Bärtchen „gewachsen“. Es kommen die Profiteure von Weltwirtschaftskrise, Geldentwertung und Massenarbeitslosigkeit ans Tageslicht. Dazu passend: eine gesungene Szene aus „Cabaret“, natürlich „Money makes the world go round“.
Es wird schummrig auf der Bühne, ganz wie in „Cabaret“: Marc-Philipp Kochendörfer, Paul Kaiser, Philipp Moschitz, Hubert Schedlbauer (von links). Foto: Veronika Reisig
Philipp Moschitz führt uns quasi als Randfigur durch das Stück, er erklärt und kündigt die Szenen an. Und er ragt heraus, vor allem bei den Musik-Einlagen: mit seiner Stimme, seiner körperlichen Präsenz. Am Schluss darf er noch den Moderator einer TV-Runde mimen, der die entscheidende Frage stellt: „Wer hat Schuld?“ Daran, dass das ganze System total aus dem Ruder gelaufen ist, dass das Vertrauen in die Banken dahin ist usw. usw. Wie man hier bereits ahnt: keiner will´s gewesen sein. Die Talkshow-Gäste beschimpfen sich wüst, sie schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe.
Was bleibt, sind die weisen Zitate vieler weiser Leute, die die fünf Schauspieler am Ende vorlesen. Sie enden alle mit Henry Ford: „Eigentlich ist es gut, dass die Menschen unser Banken- und Währungssystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Außer: Unterstützen Sie bitte die Petition des Metropoltheaters „20 Jahre sind genug!“, damit diese tollen Schauspieler und Theaterschaffenden in Zukunft fair entlohnt werden.
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