In Stein gemeißelt: Michael-Ende-Gedenktafel
Bilderhauer TOBEL hat die Gedenktafel für Michael Ende handwerklich erschaffen. Anfang August 2020 befestigte er sie an dem Erker des Alten Schlosses. Foto: Anja Gild
Michael-Ende-Gedenktafel in Valley
Michael Ende kaufte 1966 das Alte Schloss in Valley. Hier wollte er leben, arbeiten, wirken. Anlässlich seines 25sten Todestages am 28. August wurde ihm zu Ehren eine Gedenktafel eingeweiht – mit Liedermatinée und prominentem Besuch.
Die Michael-Ende-Gedenktafel am Erker des Alten Schlosses und Orgelmuseums lässt keinen Zweifel mehr: Weltautor Michael Ende wollte sich 1966 in Valley niederlassen. Die alte Vogtei am Rande des Ortes Richtung Mangfalltal übte einen Zauber auf den berühmten Kinderbuchautor und seine Frau Ingeborg Hoffmann aus. Aufwendige Renovierungsarbeiten folgten. 1971 endete der Traum vom Arbeiten, Leben, Wirken: Das stattliche Gemäuer war zu baufällig und damit zu teuer für den Schriftsteller.
Michael Ende – ab jetzt unvergessen in Valley
Nur wenige Zeitzeugen wussten bis dato, dass Michael Ende und Valley eine Geschichte verbindet. Dabei ist der riesige Dachstuhl der alten Vogtei das Vorbild für den Dachstuhl in der „Unendlichen Geschichte“. Michael Ende bestätigte dies persönlich gegenüber Inge Lampl. Bei der Einweihung des Alten Schlosses 1988 war der Autor das letzte Mal in diesem Haus.
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Die Erinnerungstafel soll das Wissen um die Verbindung zwischen dem Autor und dem Ort verändern. Mit einem feierlichen, durch die Corona-Pandemie etwas eingeschränkten Festakt, enthüllte Hausherr Dr. Sixtus Lampl die Tafel am vergangenen Samstag und übergab sie der Öffentlichkeit. Nach einer kurzen Segnung mit Gebet durch Pater Michael De Koninck, begab sich die rund 50-köpfige Gesellschaft in die Zollinger Halle – zum anschließenden Konzert. Unter den Gästen waren Landtagspräsidentin Ilse Aigner, der Stellvertretende Landrat Josef Bierschneider, der zweite Bürgermeister von Valley, Anton Huber, sowie der ehemaligen Valleyer Bürgermeister Andreas Hallmannsecker.
Die Grafikerin und Malerin Lotte Koch aus Valley hat Form und Schrift der Tafel entworfen. Die Tafel passt optimal zur äußeren Fassade des Alten Schlosses. Foto: Rolf Brandthaus
Michael-Ende-Gedenktafel aus Auerkalk aus dem Altmühltal
Die Idee, eine Michael-Ende-Gedenktafel zu erschaffen, entstand im Vorfeld der letztjährigen Valleyer Kulturtage: Am 12. November 2019 wäre Michael Ende 90 Jahre alt geworden. Also befassten sich viele Künstler und Kunstdarbietungen während der Kulturtage rund um den Autor, seine Themen und Figuren. Mit der Grafikerin und Malerin Lotte Koch sowie ihrem Sohn, dem Steinbildhauer TOBEL, fanden sich ortsansässige Künstler, die sich engagiert an die Umsetzung machten: rötlicher Auerkalk aus dem Altmühltal und eine schlichte, ebenfalls rötliche „Grotesk“-Schrift, in Keilnut geschlagen, verewigen den Autor an der Erkerfassade des Alten Schlosses.
Die Michael-Ende-Gedenktafel. Foto: Rolf Brandthaus
„Der Auerkalk aus dem Altmühltal ist übrigens derselbe Stein, der hier unter uns in circa 3000 Meter Tiefe liegt und der das heiße Wasser der Geothermie in Holzkirchen führt,“ erkärt Lotte Koch beim Festakt die Wahl des Steins. Entwurf, Größe und Farbe waren eng mit Sixtus Lampl abgesprochen. Die Kosten für die Tafel hat die Gemeinde Valley übernommen.
Countertenor Alexander Seidel (li.) und Pianistin Andrea Wiesli (Mitte) interpretierten den Liederzyklus des Komponist Frédéric Bolli (re.) nach Gedichten von Michael Ende. Foto: Rolf Brandthaus
16 Lieder aus dem „Trödelmarkt der Träume“
Sämtliche Grußredner bekannten sich als leidenschaftliche Fans der weltberühmten Kinderbücher von Michael Ende. Das Herzstück der Veranstaltung widmete sich aber einer ganz anderen, weniger bekannten Seite des Autors: Der Schweizer Komponist und Arrangeur Frédéric Bolli hatte einen 16teiligen Liederzyklus aus dem Gedichtband „Trödelmarkt der Träume“ verfasst – und brachte mit den vertonten Texten einen hintergründigen, sozialkritischen, politischen und philosophischen Michael Ende zu Gehör.
„Mal lustig, mal seltsam, auch bitter und doch versöhnlich spricht Michael Ende in seinen Gedichten von tiefgreifenden menschlichen Erfahrungen“, resümiert Bolli. Die Texte sind „…nachdenklich, skurril, versponnen, manchmal auch drastisch und zugriffig.“
Überzeugte mit Sing- und Sprechstimme: Countertenor Alexander Seidel brachte den Liederzyklus zu Gehör. Foto: Rolf Brandthaus
Kunstlied und Chanson
Eine musikalische Herausforderung, die der Komponisten bemerkenswert gelöst hat: Mit einer „Gratwanderung zwischen Kunstlied und Chanson“, vorgetragen von Alexander Seidel (Countertenor) und Andrea Wiesli (Klavier), gab er den Texten eine unvergleichliche Tiefe. Gerade die Kunststimme „Countertenor“ verlieh den Worten, Sätzen, Versen oft eine fast surreale Atmosphäre.
Fasziniert ließ sich das Publikum von dem Spiel der Töne mit der Sprache verzaubern. Typisch Kunstlied ordnete sich die Musik der Lautmalerei unter und diente jedem Buchstaben als Sprungbrett ins Bewusstsein der Zuhörer. Abwechslung und Spannung brachten einige von Alexander Seidel vorgelesene Gedichte aus demselben Band – der Unterschied zwischen Sprech- und Singstimme war derart ausgeprägt, dass man das Gefühl bekam, zwei völlig verschiedenen Personen gegenüber zu sitzen.
Die Zollingerhalle mit ihrer überragenden Akustik trug ihr Übriges dazu bei: Sänger Alexander Seidel war völlig überrascht, wie nuanciert er selbst die leisesten Töne in die Weite des Saales platzieren konnte. „Ganz ehrlich, ich würde hier sofort wieder singen!“ Andrea Wiesli bewies sich als einfühlsame und virtuose Liedbegleiterin. Am Ende der Matinée lag ein Gedanke nahe: Wenn sich wieder mehr Menschen in einem öffentlichen Raum treffen dürfen, wäre eine Wiederholung für alle Beteiligten mehr als denkbar.
Über die Entstehung der Gedenktafel hat Flora Ahlhelm einen Film gefertigt: