Michael Lichtwarck-Aschoff
Stefanie Polifka (Harfe) und Michael Lichtwarck-Aschoff. Foto: Hannah Miska
Lesung in Bayrischzell
Nach seinen beiden Büchern „Hoffnung ist das Ding mit den Federn“ und „Als die Giraffe noch Liebhaber hatte“ erscheint in Kürze der dritte Roman von Michael Lichtwarck-Aschoff. Mit einer Lesung im Tannerhof in Bayrischzell gibt er einen Vorgeschmack auf sein neues Buch: „Der Sohn des Sauschneiders oder Ob der Mensch verbesserlich ist“.
Der Titel des Buches ist geklaut und auch sonst ist nicht alles wahr, was er in seinem Roman erzählt. Aber das gibt der Autor unumwunden zu – und es tut der Geschichte keinen Abbruch. Im Gegenteil: Michael Lichtwarck-Aschoff ist ein glänzender Fabulierer. Wenn er es nicht schon längst bewiesen hätte: In seinem dritten Roman tritt der sympathische Augsburger den endgültigen Beweis dafür an.
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Rindslieder für den Frieden
Mit einer ganz eigenen Sprache, mit kurzen, lakonischen Sätzen, denen oft eine unterschwellige, feine Ironie innewohnt, führt der Autor seine Leser in eine eigentümlich andere Welt. Da gibt es zum Beispiel einen Mann, der nicht nur mit Kurzwaren, sondern auch mit Träumen handelt und Ansichtskarten aus einem Koffer kramt: Auf denen sieht man die Grotte von Lourdes, goldumrandet, oder auch Dinge von der Liebe und dabei kann man rot werden.
Von Drachenkindern und Grottenolmen hört man, die keine Augen haben und welche bekommen sollen; und von gehörnten Rindviechern, denen man gut zuredet, ihre Hörner an die Friedfertigkeit zu verlieren. Beides, das Sehen und die Hornlosigkeit, so sinniert ein Doktor Kammerer, Assistent an der Wiener Biologischen Versuchsanstalt, müssten dann doch sicher an die Kinder vererbt werden? Und wie, spinnt er weiter, wenn auch die Menschen von der Friedfertigkeit überzeugt und diese Überzeugung schließlich vererben würden? Einstweilen schreibt er jedoch Lieder für die Viecher, damit denen die Angst und die Hörner vergehen: Rindslieder für den Frieden eben.
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Historische Skurrilitäten
Lichwarck-Aschoff glänzt mit originellen Ideen und mit Sprachwitz. Er spielt mit historischen Figuren aus früheren Jahrhunderten, er erzählt wundersame, skurrile, eigenwillige Geschichten. Und man ist sich nie ganz sicher: Was ist nun eigentlich wahr an seinen Geschichten, was ist erfunden? „Das Irrsinnige an meinen Geschichten ist oft wahr“, erklärt er lachend, „das Normale schreibe ich dazu.“ Und da also immer auch ein wahrer Kern in seinen Erzählungen steckt, bildet man sich – so ganz nebenbei – auch ein Stückchen weiter. Wer weiß denn beispielsweise schon, dass Joseph Haydn eine Klavierkomposition mit dem Titel „Acht Sauschneider müssen sein“ geschrieben hat? Es war eben jener berühmte Komponist, bei dem Lichtwarck-Aschoff Anleihe für seinen Buchtitel genommen hat.
Michael Lichtwarck-Aschoff beim Signieren im Tannerhof. Foto: Hannah Miska
Schweigsame Birnen und hölzernes Glachter
Dass der pensionierte Intensivmediziner aus dem Vollen schöpft, beweist er mit zwei weiteren Geschichten, die noch gar nicht gedruckt sind. Von einem Jakob Stainer erzählt er da, einem Tiroler Geigenbauer, der dem Fürstbischof in Brixen eine „Dankesgeige“ verweigert und seiner Tochter Lisbeth stattdessen vom Holz erzählt, vom Klangholz und vom Sargholz, von den schweigsamen Birnen, Pflaumen und Marillen und von den erzählfreudigen Fichten. In der zweiten Geschichte hört man vom österreichischen Zimmermann Peter Mitterhofer, der nicht nur das hölzerne Glachter erfindet – ein Musikinstrument, dessen Töne an menschliches Gelächter erinnert – sondern auch die Schreibmaschine, mit der er sich umgehend auf den Weg nach Wien zum Kaiser macht, um dort Geld für seine Erfindung zu erbetteln.
Mediziner im Unruhestand
Ob er also weiter schreiben wird? Der Mediziner im Unruhestand, der noch in der Lehre tätig ist und derzeit Vorlesungen über Physiologie hält – ein total spannendes Fach, wie er findet – zögert nicht mit der Antwort. Er habe gerade ein Buch von einer belgischen Autorin gelesen, deren Werk insgesamt 97 Bücher umfasse. Das sei jetzt sein Ziel: 97 Bücher.
Der Leser darf sich freuen. Nicht nur über die kommenden Bücher, auch über die kommenden Lesungen. Denn Lichtwarck-Aschoff kann nicht nur schreiben sondern auch wunderbar vorlesen.
Buchcover. Foto: Klöpfer, Narr