„Die Hoffnung höret nimmer auf“
Angelika Beier und Michael Skasa. Foto: Monika Ziegler
Musikalische Lesung in Miesbach
„Für alle Liebeslagen“ heißt das Buch, aus dem gestern Abend in gewohnt feinsinniger, intelligenter, aber auch humorvoller Weise Michael Skasa im Waitzinger Keller las, unterstützt von Angelika Beier, die das Thema aus ihrer Sicht bearbeitete, frech, frivol und unterhaltsam.
Der durch seine Sendung „Sonntagsbeilage“ in BR2 bekannte Radiomoderator ist ein Garant für gepflegte Unterhaltung. So nahm es schon Wunder, dass sich gerade einmal 10 Besucher im Saal der Waitzinger Kellers einfanden. Ist das Thema „Liebe“ für die Miesbacher uninteressant? Oder ist einfach zu viel los in Sachen Kultur?
„Es ist so fad“
Die aber, die da waren, verbrachten einen inspirierenden, einen heiteren und zugleich einen tiefsinnigen Abend zum Thema Liebe, denn Michael Skasa näherte sich dem Phänomen Liebe vom ersten Aufflackern über das Aufbäumen bis hin zu dem, was Angelika Beier mit „Es ist so fad“ in ihrem letzten Lied beschreibt. Dabei findet sich der Zuhörer immer wieder selbst, denn zu diesem Thema hat wohl ein jeder seine Erfahrungen, gute wie schlechte.
Von diesen Erfahrungen berichtet die Literatur von Catull bis hin zu den 64-Seiten-Heften, die es am Bahnhofskiosk gibt, in denen die wahren Liebesgeschichten niedergeschrieben sind, wo der Chefarzt die Schwester kriegt. Alle andern Geschichten von der Liebe, so Skasa, bröckeln irgendwann im Alltag und dann herrsche im Bett nicht Wollust sondern Überdruss.
Und vorher Zähne putzen!
Und doch sei es nicht gut, wenn der Mensch alleine sei und so blüht der Heiratsmarkt, aus dem Skasa ganz zauberhafte Annoncen vortrug, wie die von Iris, die ihren Haushalt gern in Ordnug hält, Kuchen backt und Volksmusik hört. „Rufe doch gleich an!“
Was danach kommt, nämlich Hochzeit und Hochzeitsnacht, dafür gibt es einen köstlichen Ratgeber von Ferdinand Harvey von 1950, in dem der Autor dem jungen Ehemann empfiehlt, langsam und ohne Gier zu Werke zu gehen, sich vorher aber unbedingt die Zähne zu putzen, und nur wenn er Zuspruch spüre, dürfe er über das Küssen hinausgehen.
Derber geht es in der Bauernerotik eines Georg Queri daher, wo der Vogel Hirnpecker aus Versehen unterm Rock peckt. Michael Skasa hat für sein Buch und seine Lesung ergötzliche Geschichten aus der Weltliteratur zusammengetragen, zu einem Ablauf der Liebe über die ersten Anläufe, die Ehe, Seitensprünge bis hin zur reifen Liebe aneinandergereiht. Mit seinen intelligenten, sprachlich ausgefeilten Zwischentexten und den Einlagen von Angelika Beier wurde daraus ein gelungener Abend, der durch den kleinen Kreis einen intimen und familiären Rahmen erhielt.
Sex ist Zeitverschwendung
Erst in der Romantik, so erfuhren die Zuhörer, wurden die Triebe als Naturrecht salonfähig und Friedrich Schlegel propagierte die freie Liebe. In einem fiktiven Dialog lässt Skasa den Frauenhasser Schopenhauer auf die Männerhasserin Valerie Solanas treffen, wo es heißt, dass das weibliche Geschlecht unästhetisch, der Mann indes eine wandelnde Fehlgeburt und Sex Zeitverschwendung sei.
Angelika Beier und Michael Skasa. Foto: Monika Ziegler
Da halten wir es lieber mit Erasmus von Rotterdam, der die Torheit preist, denn man müsse sich in der Ehe gelegentlich täuschen um den Frieden zu wahren. Eine wunderbare Geschichte, in der sich sicher jeder wiederfindet, ist die von Lotte Schabacker, die Menschen mit ihren Sehnsüchten im Lokal beobachtet hat.
Und dann zeigt Angelika Beier, dass man gesellschaftliche Entwicklungen nicht verpassen darf, allerdings wird ihr Selbstversuch mit Willi à la „Shades of Grey“ teuer, denn die beiden haben sich so in ihren Fesseln verstrickt, dass sie die Feuerwehr holen müssen. Dazu passt dann das von ihr sehr schräg und sehr schluchzend gehauchte „Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht“.
Bei Maupasant lässt sich eine gräfliche Ehefrau für die Liebe von ihrem Mann bezahlen, bei Altmeister Goethe rührt sich leider nichts, als ihn das hübsche Zimmermädchen nächtens besucht und Robert Gernhardt tauscht ganz gern Ehefrau gegen Fahrrad, die ergötzlichen Geschichten streifen alle Phasen der Liebe, vom Zusammenrücken bis zur Frage „Wer schläft heute im Wohnzimmer.“
Michael Skasa schliesst mit der wunderbaren Erzählung „Die dumme Frau“ von Bertold Brecht, in der es um die reife Liebe und ums Verzeihen geht. „Und er küsste sie mitten auf den Mund.“ So durften die Zuhörer doch mit der Überzeugung nach Hause gehen: „Die Hoffnung höret nimmer auf.“