Gemeinsame Zukunft der Menschheit
Cover des Buches. Foto: KN
„Mit und voneinander lernen der Kulturen“, herausgegeben von Rudolf zur Lippe und Frank Hahn, ist ein wichtiges Kompendium, das dazu aufruft, neue Denkweisen und Wahrnehmungen wach zu rufen, um die Zukunft unserer Erde zu sichern. 23 Beiträge namhafter Autoren regen zum Nachdenken und Handeln an.
Das Humboldt Forum in Berlin soll ab 2019 zu einem herausragenden Ort der Begegnung werden. Es soll sowohl Kunst, Kultur und Wissenschaft als auch die Kulturen der Welt verbinden, so wie es schon im 19. Jahrhundert die Gebrüder Humboldt verwirklichen wollten. Als bürgerschaftliche Beteiligung gründete sich die „Initiative Humboldt-Forum“, um das Projekt inhaltlich zu fokussieren. In der Reihe „Stimmen der Kulturen“ kamen namhafte Persönlichkeiten zu Wort.
Aufklärung des Miteinander
Menschen, die, wie Rudolf zur Lippe sagt, Schritte vorausgegangen sind auf dem Weg für eine gemeinsame Zukunft der Menschheit. Deren Vorstellungen sind in dem soeben im Verlag Karl Aber erschienenen Buch zusammengefasst. Die Botschaft drückt der Herausgeber, Philosoph, Ausstellungsmacher und bildender Künstler, so aus: Die europäische Aufklärung bedarf einer weiteren Aufklärung, einer gegenseitigen Aufklärung, einer neuen Aufklärung des Miteinander.
Darin nämlich besteht die Krux. Rudolf zu Lippe spricht von skandalösem Eurozentrismus und von einseitiger Vorherrschaft der Fortschrittsideologie, die das Denken und Handeln der westlichen Welt beherrschen. Damit aber lassen sich die anstehenden weltweiten Probleme nicht lösen.
Herausgeber Rudolf zur Lippe. Foto: KN
Es bedarf neuer Sicht- und vor allem Wahrnehmungsweisen. Dazu bereiten zum einen Kunst und Kultur den Boden. „Wir brauchen die Entfesselung der Fantasie“, schreibt Adrienne Göhler, Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin. Und sie fordert eine „Wiedergewinnung der Wahrnehmung als Grundlage jeder lebendigen, d.h. wirklichen Kultur.“
Lesetipp:
Verteidigung der Poesie
Der mongolische Autor Galsan Tschinag fordert eine „Verteidigung der Poesie, …letztlich Verteidigung alles Echten und Wahren gegenüber der Zeitmode und der Zwecklüge.“ Die Dichtung, so sagt er, sei ein Stachel gegen die Gewohnheit und Korrektur zum Leben, denn Dichtung stehe auf der Seite des Herzens im Gegengewicht zum Magen.
Mamadou Diawara, Ethnologe von der Elfenbeinküste, wünscht sich einen Dialog vom „möglichen gemeinsamen Reichtum“ der Kulturen und regt ein vielschichtiges Erleben an. „Leibliche Bewegtheit mit allen Sinnen gehört dazu.“
Plädoyer für Zuhören
Ein Plädoyer für das einander Zuhören hält Frank Hahn, Herausgeber, Autor und Essayist. „Abschottung ist tatsächlich ein anderer Name für die Verstopfung der Ohren“, schreibt er und wünscht sich, dass der Wissenschaft und der Philosophie „ein paar Ohren wachsen“. Denn voneinander und miteinander lernen bedürfe zuerst des Zuhörens.
Herausgeber Frank Hahn. Foto: KN
Zur Sprache des Herzens äußert sich Nur Artiran, die seit frühester Jugend von Sufi-Meistern unterrichtet wurde. „Nicht wer die gleiche Sprache spricht, sondern wer Gefühle und Gedanken teilt, versteht sich“, sagt sie und fordert: „Los, befreie dich von diesem Ego; verständige dich mit Allen und vertrage dich mit Jedem!“
Der „dritte Ort“
Zur Zusammenarbeit empfiehlt Regisseur Wim Wenders den „dritten Ort“, von dem aus die Welt der verschiedenen Kulturen betrachtet werden können. Das Humboldt Forum könne so ein geeigneter Platz sein, aber es müsse auch Humboldt Foren in der Welt geben und jungen Menschen weltweit die Möglichkeit eröffnet werden, im Geiste der Gemeinsamkeit zu wirken.
Diese Gemeinsamkeit sieht der Schriftsteller Ilja Trojanow insbesondere notwendig für eine neue Haltung zur Natur im Gegensatz zur derzeitigen ungehemmten Zerstörung der Umwelt. Seine Vision ist es, dass das Humboldt Forum die „gemeinsame Gegenüberstellung von natürlichen Gemeinsamkeiten und kulturellen Unterschieden“ auflöst.
Weltweite Demokratie
Eine moderne Utopie einer weltweiten Demokratie als Basis des Friedens beschwört Boutros Boutrou-Ghali, ehemaliger Generalsekretär der Vereinten Nationen. Sie bedürfe aber auch der Teilnahme nichtstaatlicher Akteure, die ihren Part in der Demokratisierung der internationalen Politik übernehmen müssten.
Viele weitere Beiträge sprechen sich vehement für das aus, wofür die Gebrüder Humboldt gearbeitet haben: „Dem Kosmos des Lebens in der Weltsicht der Völker begegnen“. Dazu dienen Wissenschaft, Kunst und Kultur ebenso wie das Zuhören, das Aufnehmen anderer Sichten, aber auch Gefühle und Leiblichkeit. Gerade bei letzteren kann die westliche Welt von anderen Kulturen noch viel lernen.