Mitgefühl ist trainierbar
Referentin Monika Ziegler in der vhs Holzkirchen-Otterfing: Petra Kurbjuhn
Vortrag in Holzkirchen
Um die globalen Herausforderungen zu meistern, braucht die Menschheit ein anderes Bewusstsein. Und dieses gilt es zu trainieren. Das sagt die Neurowissenschaftlerin Tania Singer. Die Ergebnisse ihrer Forschung waren Thema des gestrigen Vortrages „Mitgefühl im Alltag“.
Ihr Anliegen sei es, das derzeitige Wissen in Neurowissenschaften, Naturwissenschaften und mentalen Praktiken zusammenzustellen, sagte Referentin Monika Ziegler im dicht besetzten Vortragsraum der vhs Holzkirchen-Otterfing. Die Frage sei, ob man soziale und emotionale Kompetenzen, wie Empathie und Mitgefühl trainieren könne.
What fires together wires together
Es sei bekannt, dass das Gehirn Plastizität besitze, also je nach Nutzung formbar sei. Handlungen und Gedanken beeinflussen das Gehirn nach dem Motto: „What fires together wires together“. Der Taxifahrer hat also andere ausgeprägten Hirnstrukturen als der Pianist. Und selbst Körperhaltungen können den Geist verändern. Amy Cuddy wurde durch ihre Powerposen bekannt, mit denen man Selbstbewusstsein gewinnt, weil das Stresshormon Cortisol gesenkt und Testoseron erhöht wird.
Demonstration der Powerposen. Foto: Petra Kurbjuhn
In einem zweiten Aspekt stellte die Referentin die verschiedenen Techniken zur Schulung des Geistes aus den westlichen und östlichen Religionen und säkulare Techniken, wie die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) zusammen.
Warum hat der Mensch eigentlich Mitgefühl? fragte sie anschließend und stellt dar, dass in der Evolution Vorteile des Teilens und Unterstützens erkannt wurden. Dieses Fürsorgeprinzip mache den Menschen ebenso aus wie das System der Bedrohung und der damit verbundenen Suche nach Sicherheit sowie das System des Antriebes zum Erreichen von Zielen. Welches der System dominiere, liege in der Verantwortung des Einzelnen.
Wissenschaftlich reproduzierbare Messungen
Tania Singer, Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaften des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, untersuchte in einer weltweit einzigartigen Studie neuronale und hormonelle Auswirkungen von mentalem Training. Erstmals wurden über 300 Probanden neun Monate lang mit wissenschaftlich reproduzierbarer Messungen bei ihren täglichen Meditationsübungen begleitet.
Aus Messungen an tibetischen Mönchen war bereits bekannt, dass bei Meditationen der Hormonausstoß, das Schmerzempfinden und anderes verändert sind. Zudem wurden die Hirnregionen lokalisiert, die mit Empathie und Mitgefühl verbunden sind. Jetzt aber waren die Probanden Meditationsneulinge.
Foto: Petra Kurbjuhn
Grundlage für die Studien und Übungen ist das Resource Modell, das auf westlicher Psychologie und östlichen Traditionen beruht. Danach geht es darum, drei Bereiche zu aktivieren. Erstens muss die Achtsamkeit stabilisiert, zweitens eine emotionale Balance hergestellt und eine Öffnung des Herzens ermöglicht und drittens ein Perspektivwechsel von mir selbst auf den anderen vorgenommen werden.
Tania Singer: Meditationstechniken
Für alle drei Bereiche wurden Meditationstechniken erarbeitet, denen sich die Teilnehmer bis maximal 30 Minuten täglich widmeten. Dabei waren auch Partnerübungen, um den Aspekt der sozialen Nähe zu untersuchen. Die ersten Ergebnisse zeigen deutlich, dass Mitgefühl trainierbar ist. Sowohl die physiologischen Untersuchungen als auch die bildgebenden Verfahren beweisen es.
Mentales Training gehört in die Schulen
In einem Interview vom 15. Dezember bei Gert Scobel in 3sat sagte Tania Singer, dass diese Ergebnisse an die Öffentlichkeit gehören und dass schon in der Schule mentales Training eingesetzt werden müsse. Die Referentin lud abschließend die Zuhörer zu einer Mitgefühlsmeditation ein und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass diese Übung in den Alltag integriert werden möge.