Gelesene Geschichte: 150 Jahre Josef Wackersberger
Toni Wackersberger liest Josef Wackersberger. Foto: IW
Musikalische Lesung in Tegernsee
Geschichten von Anno dazumal, vom im Tal hochgeschätzten Großvater Josef Wackersberger, las Toni Wackersberger jüngst im Museum Tegernseer Tal. Aber nicht nur Geschichte und Tradition werden in der Familie seit jeher großgeschrieben – auch die Stubenmusik.
Die Wackersbergers engagieren sich seit vielen Jahrzehnten um den Erhalt von Tradition und Brauchtum im Tegernseer Tal. Damit folgen sie dem Vorbild des Großvaters und Urgroßvaters Josef Wackersberger. In diesem Jahr steht dessen 150. Geburtstag im Kalender. Grund genug, den Steinmetzmeister, Mitglied im Gemeinderat, Vorstand des Riedersteinvereins, Wiedergründer der Tegernseer Gebirgsschützen und unermüdlichen Bewahrer des Brauchtums im Tegernseer Tal zu würdigen. Und welcher Ort wäre besser dafür geeignet als das Museum Tegernseer Tal?
Liebevolles Bild der Talbewohner gezeichnet
Schon früh wurde in dem jungen Maurergesellen und späteren Steinmetzmeister die Liebe für das heimatliche Traditionsgut geweckt. Manche Gegenstände wären längst vergessen oder verloren gegangen, hätte Josef Wackersberger sie nicht sichergestellt, gesammelt und dem Tegernseer Heimatmuseum zur Verfügung gestellt. Als Chronist der damaligen Zeit, genauer Beobachter von Ereignissen wie Talbewohnern – Charakterköpfen und Originalen – hat er in etwa 100 Texten und Geschichten sein Umfeld skizziert und damit der Nachwelt ein wichtiges Zeitzeugnis hinterlassen.
Familienmusik Wackersberger: Sepp Denk (Bassgeige), Sepp Wackersberger (Schoßgeige), Monika Denk (Gitarre), Katharina Köstler (Querflöte), Vevi Köstler, (Harfe), Christa Bogner (Hackbrett) v.l. Foto: IW
Die Lesung im Museum Tegernseer Tal zu Ehren des 150. Geburtstages von Josef Wackersberger war trotz traumhaften Frühlingswetters vor der Tür bestens besucht. Lockten doch nicht nur die Geschichten, sondern auch die Wackersberger Hausmusik mit ihrem Spiel. „Ein besonderes, weil selten öffentliches Konzert“, hörte man die Gäste sich untereinander ihre Freude über die Samstagsmatinee bestätigen.
Rosenstraße und Riederstein
„Wer war unser Großvater und Urgroßvater?“ – mit dieser Frage begann Toni Wackersberger seine Lesung, indem er aus dem Nachruf auf den Verstorbenen in der Tegernseer Zeitung las, der die Verdienste des Steinmetzmeisters und Heimatbewahrers würdigte. „Mit Wackersberger ist ein Stück Alttegernsee und Altbayern zugleich heimgegangen“, hieß es da beispielsweise. An das prachtvolle Haus in der Rosenstraße und den Erhalt der Riedersteinkapelle wurde in dem Artikel ebenso erinnert wie an das Haberfeldtreiben im Jahr 1893, das den Verstorbenen ein paar Tage Gefängnis eintrug.
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Der Nachruf schloss mit einem beschwingten Nachsatz, der zugleich dem Enkel einen schönen Einstieg in die Lesung der Heimatgeschichten ermöglichte: „…er, der neben der ewigen Tabakspfeife drei Dinge liebte, wenn es das Leben erlaubte: a zünftige Brotzeit, einen gemütlichen Frühschoppen, aber ganz besonders den täglichen Fünfuhrtee im Bräustüberl.“
Sepp Wackersberger spielt die seltene Tischgeige. Foto: IW
Schnell wird klar, dass das Leben vor mehr als einhundert Jahren einen ganz anderen Rhythmus hatte, als wir es heute kennen und dass der Fokus der Menschen ein anderer war. Das Miteinander und die Gemeinschaft sowie die Natur standen im Vordergrund. Trotz des harten Lebens erfreuten sich die Menschen an den einfachen Dingen. Sie arbeiteten, ohne zu murren, und sie genossen ebenso ihren wohlverdienten Feierabend, scherzten, spielten und rauften zuweilen miteinander und liebten eine zünftige Gaudi. Mit einer feinen Beobachtungsgabe für Details ausgestattet, zeichnete der Heimatverbundene ein detailliertes Bild seiner Zeit.
Chronik aus Anekdoten und Originalen
Er beschrieb seine Mitmenschen samt allen Vorzügen und Schwächen, liebevollen Marotten oder markanten Körpermerkmalen und bewahrte somit ihr Andenken für die nächsten Generationen. Liebevoll, zuweilen spöttisch, aber immer wohlwollend und anerkennend ist seine Wiedergabe der Geschehnisse und Anekdoten. Vom Hansl und der Gretl, die aus dem Zillertal kommend im Sommer ihre Waren feilboten, vom Buschen-Everl und dem ehemaligen Leibkutscher des Herzogs, dem stotternden „Pf…pfritz“, der die Vögel liebte, bis zum Schaps-Hiasl, dem Stoabrecher Pauli und dem Lieberhof Sepp. Die Geschichte vom Wildschütz Zachl-Toni, der den Jäger eins auswischte, ist sogar in die Liedersammlung des Kiem Pauli eingegangen. Toni Wackersbergers Neffe Sepp sang es zur Zither.
Sepp Denk singt das Lied vom Zachl-Toni aus der Sammlung des Kiem Pauli. Foto: IW
Längst wären diese Geschichten von Wildschützen und Jägern, von den einfachen und den herrschaftlichen Leuten oder von der Pirsch und vom Forellenfischen verloren gegangen. An diesem Samstagvormittag im Museum durften alle Gäste daran teilhaben und eintauchen in diese zuweilen romantisch wirkende, arbeitsreiche und naturverbundene Zeit vor mehr als einhundert Jahren. Die Familienmusik Wackersberger, bestehend aus den Enkeln und Urenkeln des Josef Wackersberger, machte die Lesung mit ihrer wunderbaren Hausmusik in sechsköpfiger Besetzung mit Walzern, Landlern und Liedern zum musikalischen Erlebnis. Gelebte Tradition, mit Ehrfurcht und Achtung vor dem Erbe – dafür steht heute auch das Museum Tegernseer Tal, um dessen Aufbau und Erhalt sich Josef Wackersberg damals verdient machte.