Das Musikfest Kreuth: eine unendliche Geschichte
Auryn Quartett und Olaf Bär. Foto: Manfred Esser/Matthias Creutziger
Konzert und Lesung in Rottach-Egern
“Abschiedsparadies” lautete die diesjährige Schlussveranstaltung beim Internationalen Musikfest Kreuth im Seeforum Rottach-Egern. Passend dazu hatten sich Veranstalter und Mitwirkende etwas Besonderes einfallen lassen. Eine wunderbare Symbiose aus opulenten Streichquintetten und verführerischer Literatur von Peter Handke.
Das seit 1981 bestehende und überaus renommierte Auryn Quartett, das seinen Namen von dem wundersamen Amulett aus Michael Endes 1979 erschienen Bestseller “Die unendliche Geschichte” ableitet, und der Sänger Olaf Bär als Rezitator bewiesen ein glückliches Händchen mit der Auswahl von Texten aus Peter Handkes Roman “Don Juan” (2003) und der Musik von Mozart und Brahms. Mit Matthias Buchholz an der Viola holten sie sich einen weiteren Meister der Kammermusik zum Musikfest Kreuth an ihre Seite.
Verführer oder Verführte?
Schnell wurde klar, die kurzen Passagen aus Handkes “Don Juan” waren bestens geeignet als Klammer, als Vermittler, als Verführer zu Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquintett Nr. 4 G-Moll KV 516. Olaf Bär trug mit seiner warmen Baritonstimme schon die ersten Textstellen derart einfühlsam vor, dass man sich wahrlich hineinversetzen konnte in “Don Juans Geschichte, die kein Ende haben kann”. “Der Himmel hatte aufgeklart und klarte und klarte”, ließ uns der Poet wissen und es stimmte. Nach dem vormittäglichen Regen war es am Tegernsee sonnig und klar. Und die Musik tat das Ihre dazu.
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Präzise, klar, fast klagend begann der 1.Satz des Streichquintetts. Die Instrumente reichten dabei die Hauptstimme weiter und führten geradezu einen Dialog untereinander. Andreas Arndt am Violoncello übernahm rhythmisch die Wiederholungen und Verzierungen und fand gemeinsam mit den beiden Geigen (Matthias Lingenfelder und Jens Oppermann) zu einem überragenden Zusammenspiel.
Auryn Quartett, Matthias Buchholz (4.v.l.) und Olaf Bär (r.). Foto: Cornelia Nagel
Dramatisch, geradezu aufschreiend präsentiert sich der 2. Satz, das Menuett, mit plötzlichen Ausbrüchen von heftigen Bogenstrichen begleitet, die in leises Klagen und Seufzen münden. Hier sind sie gefordert. Cello, Violinen und Stewart Eaton sowie Matthias Buchholz an den Bratschen bringen ihre Instrumente an lustvolle Grenzen. Ganz wie sie Don Juan mit der hingebungsvollen Braut wohl empfinden durfte. Grenzen überschreiten, autonom agieren, Niemandem Rechenschaft ablegen, so stellt Handke den “Verführer” dar. Und so zeigt sich auch Mozarts Gefühllage.
Verwaist und versprochen
“Don Juan besaß weder ein Schloss noch ein Haus. Er war ein Verwaister”. Mozart war 1787 auch ein Verwaister, als nämlich sein Vater Leopold starb. Sein fulminantes Wechselspiel im 3. Satz zeichnet ein Bild von tiefer Schwermut und Klage. Mit Hingabe entfalten die Streicher einen intensiven Dialog.
Im langsamen 4.Satz hören wir wunderbare Pizzicato-Töne von Cello und Bratsche. Sie steigern sich gemeinsam mit den Geigen zu extremen Zwischenspielen voll Leid und Klage und gelangen zuletzt in weiche, warme Gefilde. Sind das die angekündigten “schönsten Augen”, die ein sinnliches Erwachen versprechen?
Aufbruch und Abschluss beim Musikfest Kreuth
Mit dem Streichquintett Nr.2 in G-Dur op.111 wollte Johannes Brahms sein kompositorisches Schaffen beenden. “Sie können Abschied nehmen von meinen Noten” schrieb er 1890 an seinen Verleger. Das 4-sätzige Werk ist aber dennoch nicht nur tief traurig, sondern versprüht auch viel Heiterkeit und Optimismus.
Wieder stimmte Bär das Publikum zuerst mit Don Juan ein, der sich so seine Gedanken darüber machte, wie es ist, Macht über Frauen auszuüben. Beanspruchten sie ihn etwa fast als eine Art Retter? Schreckte er eigentlich in seinem tiefsten Inneren vor Machtdemonstrationen zurück?
Von Mozart zu Brahms. Foto: Cornelia Nagel
Jedenfalls passten Handkes Gedanken perfekt zum 1.Satz des Streichquintetts, in dem Brahms einschmeichelnde Walzerklänge hören lässt. Beide Violinen und Bratschen beginnen und geben das Thema an das Cello weiter. Prägnant und rhythmisch zieht das Auryn Quartett mit Matthias Buchholz sämtliche Register seines Könnens. Rasche Sprünge und Mehrfachgriffe der Streicher vereinen sich zu einem mächtigen Klang.
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Auch im 2. Satz geht es variantenreich weiter. Bratschen und Cello stellen das Thema vor. Wieder hören wir ein eindrucksvolles Pizzicato von Andreas Arndt am Cello, bevor die Geigen einsetzen. Ein beständiger Wechsel und vielfältige Bewegung führen schließlich zum Höhepunkt des Satzes.
Kein Verschnaufen. Es geht weiter mit Handke.
Frauen und zählen
“Diese Frage stellte sich für Don Juan nicht. Nicht zählen, sondern buchstabieren…” Ankommen und innehalten, flüchten und sich verlieren in Schönheit, sich treu bleiben, das ist er, der “moderne” Don Juan.
Schlußapplaus beim diesjährigen Musikfest Kreuth: Auryn Quartett, Matthias Buchholz (4.v.l.) und Olaf Bär (r.). Foto: Cornelia Nagel.
Bei Brahms sind die beiden folgenden Sätze auch wie immer wiederkehrende Intermezzi, ähnlich einem Walzer oder mit ungarischen Melodien vergleichbar. Varianten und Wiederholungen, schnelle und langsame Bewegungen, alles ist im Fluss.
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Und so ist am Ende dieses Konzerts von begeisterten Besuchern zu hören: “Das war ein würdiger Abschluss des Musikfestes”. Was bleibt, ist das Warten auf das nächste Jahr beim Internationalen Musikfest Kreuth.
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