Solo für Violoncello
Cellist Edgar Moreau. Foto: Matt Dine
Konzert in Tegernsee
Mit der Verpflichtung des jungen französischen Cellisten Edgar Moreau bewiesen die Organisatoren des Musikfestes Kreuth einmal mehr ihren Anspruch, dem interessierten Publikum ein breit gefächertes musikalisches Angebot zu machen.
An diesem lauen Sommerabend stand für Kenner ein besonderer Leckerbissen höchster Güte auf dem Programm, drei der sechs Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach.
Die sechs Suiten von Johann Sebastian Bach (1685-1750) entstanden vermutlich in der Zeit um 1720 und gelten heute als Höhepunkt der Celloliteratur überhaupt. Sie sind höchst anspruchsvolle Meisterwerke und die am häufigsten gespielten Kompositionen für Solo-Streichinstrument. Der katalanische Cellist Pau (Pablo) Casals nannte sie die „Quintessenz von Bachs Schaffen“. Diesem grandiosen Werk widmete sich der 1994 in Paris geborene Künstler bei seinem atemberaubenden Konzert in der Pfarrkirche St.Quirinus in Tegernsee.
Aufbau der Suiten
Bachs Suiten (BWV 1007-1012) folgen einem einheitlichen Schema. Sie beginnen jeweils mit einer Prélude, der die Tanzsätze Allemande, Courante und Sarabande folgen. Der 5. Satz ist bei den von Moreau ausgewählten Suiten Menuett, Bourrée und Gavotte. Den Abschluss bildet jeweils eine Gigue. Dabei wiederholt sich keine Tonart.
Suite Nr.1 G-dur und Suite Nr.4 Es-dur
Spritzig, kraftvoll, harmonisch gestaltete Moreau die Prélude der Suite Nr.1 und ließ sie in gleichmäßigem Rhythmus erhaben dahinfließen. Die folgenden Tanzsätze erfüllten das Kirchenschiff wohltönend. Weiche, zarte Bogenstriche, teils klagend, teils heiter, verströmten kleine melodische Formen mit intensivem Barockklang. Moreau gelang es, mit seinem extrem schnellen Fingerspiel an den Saiten unterschiedlichste Gefühle wie Freude, Sehnsucht, Verzagtheit transparent zu machen. Langsame und schnelle Bewegungen kontrastierten mit großer Intensität. Technische Finessen zeigten eindrucksvoll das Können des jungen Künstlers, der seinem Spiel mit geschlossenen Augen lauschte. Flott, energisch und satt kamen die zwei Menuette durch ihren klaren Aufbau daher. Den Abschluss bildete eine wunderbare Gigue mit perlenden Achteltriolen und raschem Wechsel von Melodie und Harmonie, der in großer Eleganz endete.
Kraftvolle Akkorde im Mittelpunkt
Bei der Suite Nr.4 fühlte man sich beim Präludium sofort an die Prélude der vorhergehenden Suite erinnert. Harmonisch weit ausgreifend wechselten sich getragene, fast schwermütige Passagen mit schnellen, leichten Schwingungen ab. Hohes Tempo und rasche Läufe veränderten das Muster der Töne. Auch bei den Tanzsätzen standen kraftvolle Akkorde im Mittelpunkt. Bei der Allemande fiel ein langer zweiter Teil auf, bei dem Moreau seine ausgezeichnete Fingerarbeit gut in Szene setzen konnte. Schnelle Triolen und Girlanden zeichneten einen reichen Rhythmus. Die beiden Bourrées bildeten einen Gegensatz zu den vorherigen Tänzen. Klare Takte verklangen melodiös und expressiv und schlossen fast lakonisch kurz ab. Den Höhepunkt bildete die Gigue. Fordernd, forcierend, sich im Tempo permanent steigernd überraschte sie am Ende mit einem zarten, fast heiteren Abschluss.
Großer Applaus des kundigen Publikums. Nach kurzer Pause bei einem entspannten Rundgang im sommerlichen Schmetterlingsgarten und herrlicher Abendstimmung kehrten wir auf Gongschlag wieder zurück in die Pfarrkirche.
Suite Nr.6 D-dur
Schon nach den ersten Klängen war klar, wir nähern uns dem Höhepunkt des Abends. Fast choralmäßig, orchestral begann der 1.Satz. Darauf folgten schnelle Triolen und hohe Töne in aberwitzigem Tempo, aufgelöst durch kaskadenartige Läufe, die eine expressive Bogenführung mit virtuosem Saitenspiel erforderten. Sanft und doch fest erschien der Druck des 24-Jährigen auf sein Cello. Höchste Anforderung an die Spielkunst. Sehnsuchtsvoll, mit großem Ausdruck lassen die nächsten Sätze den Zuhörer seine eigenen Empfindungen intensiv entfalten und nachhallen. Edgar Moreau schien nun vollkommen eins geworden zu sein mit seinem Instrument. Die Allemande, langsam, mit nur wenigen Akkorden, die Courante mit der ihr eigenen Spannung, die Sarabande mit ausgedehnter mehrstimmiger Klangvielfalt. Sie alle erklommen nacheinander den musikalischen Höhepunkt. Die Garotte erinnerte zunächst an mittelalterliche, höfische Musik. Dann aber jagte sie peitschend dahin, bis die Gigue in einem wilden, kräftigen Spiel mit sattem, orgelartigem Klang die Suite beschloß.
Ein ergriffenes Publikum erklatschte sich noch eine Zugabe aus dem Bachrepertoire des jungen Interpreten.