Klavierhöhepunkte im Zeichen von Bach
Der „Jahrhundertpianist“ Igor Levit. Foto: Robbie Lawrence
Der Auftakt des 29. Internationalen Musikfest Kreuth stand unter einem besonderen Zeichen. Im Jahr des 333. Geburtstags Johann Sebastian Bachs widmete ihm Igor Levit, der Shooting Star der internationalen Klassikszene, ein außergewöhnliches Klavierkonzert – und setzte mit zwei weiteren Komponisten dem Abend die Krone auf.
Konzert in Gmund
Nachdem das Internationale Musikfest 26 Jahre lang in Wildbad Kreuth beheimatet war, ist es nun bereits im dritten Jahr auf Wanderschaft. Eine logistische Herausforderung, wie Dieter Nonhoff, der Leiter des Festivals, in seiner Eröffnungsansprache erläuterte. Nachdem das Festival zuerst durch den Landkreis getourt war, konzentriert es sich in diesem Jahr auf vier Spielstätten rund um den Tegernsee: Gut Kaltenbrunn in Gmund, Schloss Ringberg in Kreuth, die Pfarrkirche St. Quirinus in Tegernsee und das Seeforum in Rottach-Egern. Inzwischen, so Dieter Nonhoff, sei man angekommen in den neuen Spielorten. Die Wanderschaft hat durchaus einen besonderen Reiz für das Publikum, denn die Konzertabende sind auf die hochkarätigen Spielstätten thematisch jeweils abgestimmt.
Dieter Nonhoff in der Tenne von Gut Kaltenbrunn, dem Ort des Auftaktkonzertes. Foto: Rudi Wolf
So ist es nun schon fast zu einer neuen Tradition geworden, dass die Eröffnungskonzerte in Gmund auf Gut Kaltenbrunn in der großzügig und stilvoll ausbauten Alten Tenne stattfinden – natürlich stets mit besonders herausragenden Musikern. Igor Levit ist zweifelsohne einer von ihnen, seit Jahren wird er als der „Jahrhundertpianist“ gehandelt. In diesem Jahr wurde er zum „Artist of the Year“ bei der britischen Royal Philharmonic Society gekürt. Für das Internationale Musikfest Kreuth hatte er ein außergewöhnliches und anspruchsvolles Programm zusammengestellt.
Großartige Bach-Bearbeitung für linke Hand
Der Konzertabend zum Festivalauftakt begann ganz im Zeichen von Johann Sebastian Bach, den der in Nischni Nowgorod geborene Pianist ebenfalls hoch verehrt und dessen Rezeptionsgeschichte bis heute voller Bewunderer ist. Einer dieser Bewunderer war auch Johannes Brahms. Er arbeitete die Chaconne d-moll aus der berühmten Violin-Partita BWV 1004 für Klavier um – und zwar für das ausschließliche Spiel mit der linken Hand. Damit startete Igor Levit und schnell wurde klar, warum der Pianist diesen außergewöhnlichen Ruf genießt. Die große Empfindsamkeit und Klarheit des einhändig gespielten Stückes versetzte die Gäste in höchstes Erstaunen. Zuweilen wirkte das virtuose Spiel, als würden zugleich vier Hände über die Tasten fliegen: getragen und zärtlich, dann wieder kraftvoll perlend, ein Hochgenuss für die Ohren und erstaunten Augen.
Einfühlsames und virtuoses Spiel
Ebenfalls höchst bemerkenswert sind die Bearbeitungen der Werke Bachs für Klavier durch den Komponisten Ferruccio Busoni. Seine kontrapunktischen Strukturen aus dem Jahr 1909 sind ein improvisatorisch wirkender Nachhall auf die Fantasia BV 253 des großen Komponisten. Unter den fliegenden, sensiblen Fingern Igor Levits entrollte sich indes höchst einfühlsam der rote Faden dieser von Bach geprägten Musikgeschichte. Weiter ging es mit Robert Schumann, ebenfalls einem glühenden Bach-Verehrer. Die bemerkenswerten „Geistervariationen“ sind das letzte Werk, das Schumann komponierte. In dieser Zeit litt er bereits unter Gehörtäuschungen, die ihm Himmelsmusik vorgaukelten und sich in diesen Variationen niederschlugen. Keine leichte Kost daher. Umso passender für ein anspruchsvolles Klassik-Publikum wie die Liebhaber des Musikfest Kreuth, zumal hier einmal mehr die höchst einfühlsame Gabe und Virtuosität Igor Levits sich zeigte.
Musikfest Kreuth Auftaktkonzert in der Alten Tenne auf Gut Kaltenbrun. Foto: Rudi Wolf
Liszts Blick auf die Bühne Richard Wagners
Im zweiten Teil des Konzertes widmete sich der gefeierte Pianist der Musik zweier anderer Komponisten: Richard Wagner und Franz Liszt. Und zwar lag das Augenmerk der Stücke auf dem Blick Liszts auf die Bühne – der Komponist transkribierte über drei Jahrzehnte Auszüge der gewaltigen Opernwerke Wagners für Klavier. Mit dem kraftvollen Spiel und der emotionalen Hingabe Levits wurde die Bearbeitung des feierlichen Marsches zum Heiligen Gral aus „Parsival“ und die Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam“ zum opulenten Finale. Das Publikum brauchte noch ein paar Sekunden, um aus der gebannten Erstarrung zu erwachen, um dann in einem tosenden Beifall seine Empfindungen auszudrücken. Wir freuen uns gemeinsam mit allen Liebhabern des Internationalen Musikfest Kreuth auf die weiteren vielversprechenden Konzerte.
Hier geht es zu weiteren Beiträgen über das Internationale Musikfest Kreuth:
- Vorschau auf das Programm des 29. Internationalen Musikfest Kreuth
- Kit Armstrong mit „Variationen“
- „Tausend Empfindungen erfüllen mein Herz“
- Tosender Applaus beim Eröffnungskonzert
- Europäisches Wagnerbild in Musik und Literatur
- Schubert in Vollendung
- Ein unvergesslicher Abend in unvergleichlichem Ambiente