Mystik

Mystik von Orient und Okzident

Werner Schulze mit den Musizierenden nach der Uraufführung. Foto: MZ

Thementag in Fratres/NÖ

Der vierte diesjährige Thementag der Kulturbrücke Fratres war der Dichtung zweier Mystiker gewidmet, die das Jahr 1273 verbindet: Ramon Llull und Rumi. Verbindend auch die Musik, die der Wiener Komponist Werner Schulze als Uraufführung präsentierte und das Publikum begeistert zurückließ.

In Zeiten von Krisen und Kriegen brauche man ein Gegengewicht, eröffnete Werner Schulze den von ihm kuratierten Thementag bei unserem Kulturpartner im Waldviertel. Trotz der Hitze, das Thermometer zeigte 37 Grad an, fand die Veranstaltung großes Interesse.


Vortrag von Werner Schulze. Foto: MZ

Im Zentrum stand die christlich-islamische Dichtung des 13. Jahrhunderts, wobei das Jahr 1273 eine besondere Rolle spielte. Rumi, der islamische Mystiker starb in diesem Jahr und Llull, der spanische Nationalheilige, habe in diesem Jahr auf Mallorca eine wichtige Eingebung gehabt, die letztlich die Grundlage des heutigen Computers sei, führte Werner Schulze aus.

Es gibt aber weitere Gemeinsamkeiten. Beiden Mystikern sei gemeinsam gewesen, dass sie Gott als Geliebten auffassten und die suchende Seele als den Liebenden. Beide verfassten Poesie.


Das Quartett: Iva Kovač (Flöte), Tina Žerdin (Harfe), Daniel Johannsen (Tenor) und Stefan Teufert (Cello), ganz links Antoni Rosell. Foto: MZ

Der erste Teil, eingeleitet von Auszügen aus einem geistlichen Musikdrama der christlichen Visionärin Hildegard von Bingen durch das musikalische Quartett, ging um Ramon Llull. Der christliche Missionar habe sich immer für die Verständigung der Religionen und für eine Weltreligion eingesetzt, erklärte Werner Schulze. „Für den Vatikan war er ein Unbequemer und kein Heiliger“, konstatierte er. Jetzt aber widme sich ein Institut in Freiburg seinen Schriften und vielleicht würde der Vatikan nun doch seine Bedeutung anerkennen.

Er selbst habe vor 25 Jahren die beiden großen Gesänge Llulls „Cant de Ramon“ und „Lo Desconhort“ vertont. „Nur ein Mensch kann sie singen“, betonte der Komponist und so sei heute der Bariton Antoni Rosell aus Barcelona nach Fratres gekommen.

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Antoni Rosell. Foto: MZ

Der spanische Wissenschaftler und Musiker sang die beiden Werke in katalanischer Sprache a capella in tief beeindruckender Weise. Seine eindringliche Stimme erfüllte den großen Raum fordernd, bittend, flehend, zärtlich, empfangend, reuig, wobei er Mimik und Gestik ebenso einsetzte wie seine Stimme.

Er sang von Liebe und Gnade, von Angst und Weisheit in wiederkehrender Melodik und Rhythmik, aber immer voller Spannung und fesselte das Publikum bis zur letzten Note. Zwischen den beiden Gesängen gab die Harfenistin Tina Žerdin mit dem Chanson dans la Nuit von Carlos Salzedo ein Intermezzo mit Musik aus dem 20. Jahrhundert, das gelungen die mittelalterlichen Gesänge verband.

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Harfenistin Tina Žerdin. Foto: MZ

Der Dialog der Religionen, den Llull anstrebte, habe er niedergelegt in einem Text, in dem Vertreter der drei monotheistischen Religionen mit einem Heiden sprachen, erklärte Werner Schulze. „Das Ende ist offen“, sagte er, der Heide sage nicht, welcher Religion er den Vorzug gebe.

Ramon Llull aber habe noch eine weitere Bedeutung, so habe er in seiner Ars generalis eine Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Religion niedergelegt, erklärte der Kurator. Das dabei verwendete Prinzip hätten zwar schon die Griechen der Antike für Nachrichtenübermittlung verwendet, aber Llull hätte es schriftlich niedergelegt. Daraus fertigte der Wiener Wissenschaftler ein Modell, das er als Grundlage des heutigen Computers vorführte.


Werner Schulze präsentiert die Modelle von Llull. Foto: MZ

Auch den zweiten Teil leitete das Quartett mit Iva Kovač (Flöte), Tina Žerdin (Harfe), Stefan Teufert (Cello) und Daniel Johannsen (Tenor) mit einem Werk von Hildegard von Bingen ein.

Damals wie heute, so sagte Werner Schulze, seien Menschen auf der Flucht gewesen, so auch Rumi, der mit seiner Familie aus Afghanistan in die Türkei flüchten musste. Er habe einen mystischen Zirkel gegründet und mit einem Wanderderwisch eine tiefe Freundschaft gepflegt, woraus sein dichterisches Werk entstand.

Uraufführung von „Rumi 750“

Er habe sich mit den vierzeiligen Gedichten des islamischen Mystikers auseinandergesetzt und 2023, also 750 Jahre nach Rumis Tod, ein Werk komponiert, das heute zur Uraufführung gelange: „Rumi 750“ oder 4×4 Vierzeiler für 4 Instrumente.

Das Werk startet aus dem Nichts, aus dem drei okarinaartige Flöten, sogenannte Innati, zart einsetzen, die Harfe übernimmt, der Tenor führt fort und das Cello stimmt ein. In 16 Gesängen sehr unterschiedlicher Stimmung bringt die Musik Werner Schulzes die Gedanken- und Gefühlswelt Rumis zum Ausdruck.


Präsentieren die Uraufführung von Werner Schulze: Iva Kovač (Flöte), Tina Žerdin (Harfe), Daniel Johannsen (Tenor) und Stefan Teufert (Cello). Foto: MZ

Heiter, lebhaft, expressiv spricht sie von Liebe, rhythmisch mit Schellen von Tanz und melancholisch nachdenklich von der Suche nach Weisheit. Tenor Daniel Johannson gelingt es großartig, die Stimmungen der Lyrik und Musik auszuloten und wird dabei von Flöte, Harfe und Cello professionell unterstützt.

Ein Werk, das die Mystik von Rumi in der musikalischen Verarbeitung um einen wesentlichen Akzent erweitert und bereichert. Der anhaltende Beifall des Publikums war Zeichen von Dankbarkeit für dieses Geschenk.

Der nächste Thementag der Kulturbrücke Fratres unter dem Titel „Böhmerwaldgeschichten – eine literarische Begehung“ wird von KulturVision e.V. gestaltet und findet am kommenden Samstag, 31. August ab 15 Uhr in Fratres/NÖ statt.

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