Nachhaltig anlegen: Anders wachsen, säen und ernten

Nachhaltig anlegen. Foto: Nattanan Kanchanaprat auf pixabay

Anlass zu diesem Beitrag war die Podiumsdiskussion der Wochenzeitung DIE ZEIT mit dem Titel „Vererben, spenden und anlegen mit gutem Gewissen – geht das?“. Für viele ist Geld und ein gutes Gewissen schwer unter einen Hut zu bringen, jedoch kann es bei genauem Hinsehen und bewusstem Handeln gelingen.

Jens Tönnesmann, Redakteur im Ressort ZEIT GELD lud Agnes Fischl, Münchner Anwältin für Erbrecht, Thomas Werner, ehemaliger Banker und nun Philantropieexperte beim WWF, und Thomas Küchenmeister, Mitbegründer und Vorstand von Facing Finance e.V., nach München zu einem regen Austausch. Der Abend befasste sich explizit mit dem Anlegen, Spenden und Vererben von Geld und wollte einen Leitfaden dazu geben, wie das mit gutem Gewissen geht.

Geld nachhaltig anlegen

Thomas Küchenmeister räumte zu Beginn gleich mit dem Mythos auf, nachhaltiges Anlegen brächte keine Rendite. In der Regel ist nachhaltiges Anlegen weniger riskant, bringt jedoch durchaus eine gute Rendite, was auch Langzeitstudien bestätigen. Aber wie findet man nachhaltig wirtschaftende Banken? Allein in Deutschland gibt es tatsächlich 800 nachhaltige Fonds und in Europa rund 2000. Diese sind jedoch nicht immer leicht oder gar auf den ersten Blick zu erkennen.

Lesetipp: Die Graugänse an der Spitze

Nachhaltigkeit ist kein geschützter Begriff und mitunter Auslegungssache. So gibt es etwa in Europa eine starke Lobby, die Nachhaltigkeitskriterien extrem niedrig ansetzen möchte. Oder aber Fonds, die sich nachhaltig nennen, jedoch nicht dementsprechend seriös investieren – nicht immer ist das drin, was draufsteht. Thomas Werner hält es für notwendig, Indizes zu finden, auf die sich Anleger verlassen können. Er fordert diesbezüglich mehr Struktur und Transparenz ein, und sieht dabei auch den Gesetzgeber in der Pflicht. Indizes sollten nicht von einzelnen Banken erstellt werden, sondern bedürften neutraler Institutionen wie der Deutschen Börse oder der Bundesbank.

Lesetipp: Gemeinwohl-Ökonomie in der Region installieren

Generell kann man Anlagekriterien von Fonds hinter- und bei Gesellschaften sogar direkt erfragen. Unter der Bezeichnung ESG (Environment Social Governance) sind ökologische und soziale Aspekte und die Unternehmenskultur eines Unternehmen einsehbar und unter SDG (Sustainable Development Goals) findet man die UN Zielsetzung bezüglich nachhaltiger Entwicklung dargestellt, sprich: es wird transparent gezeigt, auf was dieser Fonds konkret einzahlt.

Nachhaltig anlegen mit seriöser Beratung

Einfacher kann man es sich machen, wenn man sich die Bewertungen von Organisationen wie zum Beispiel Facing Finance ansieht. Sie beurteilen nach festen Kriterien die Nachhaltigkeit von Banken. Bei der Eigenrecherche sollte man jedoch Vorsicht walten lassen, bei Vorschlägen, die bei der Suche im Internet zuerst auftauchen. Als seriöse Internetseiten wurden in der Runde fairfinanceguide oder faire-fonds.info genannt.

Spenden

Der zweite Teil des Abend befasste sich mit dem Thema Spenden. Statistiken zeigen, dass das Spendenvolumen in den letzten Jahren gestiegen ist, jedoch weniger Menschen spenden. Dies ist ein deutlicher Trend hin zur Großspende. 75% des gespendeten Geldes kommen humanitären Dingen zu, 3-4 % gehen an Tier-, Natur- und Umweltschutzorganisationen. Diese Verhältnisse verschieben sich etwas und auch die Spendenbereitschaft steigt z.B. nach Umweltkatastrophen oder großen Spendengalas und den dementsprechenden Medienberichten.

Nachhaltig anlegen
Thomas Küchenmeister, Thomas Werner, Agnes Fischl und Jens Tönnesmann (v.l.). Foto: Kerstin Brandes

Generell ist festzustellen, dass über 60-jährige mehr spenden; naheliegend ist, dass dies im größeren Finanzvolumen der Älteren begründet ist. Auf die Frage, woran man sich beim Spenden orientiert, bringt Thomas Werner zwei Optionen ins Spiel. Die erste ist, sich bei Verbraucherorganisationen wie Verbraucherzentralen oder aber Stiftung Warentest zu informieren. Er selbst habe sich an einem Testbericht aus dem Jahr 2013 orientiert, um Entscheidungen bezüglich seiner Engagements zu treffen.

Lesetipp: Lionsclub unterstützt Orienthelfer

Eine weitere Option ist, sich bei unabhängigen, gemeinnützigen Analyse- und Beratungshäusern zu informieren. Als ein Beispiel nannte Werner phineo. Phineo nimmt Organisationen unter die Lupe und macht transparent was die einzelnen Spendenempfänger leisten und wie man mit seiner Spende am meisten bewirken kann. Es kam aus dem Publikum die Frage, wie junge Leute Informationen und auch Hilfestellung bekommen, um, auch mit wenig zu Verfügung stehendem Geld, etwas zu bewirken bzw. zu unterstützen. Thomas Werner konnte über die Jugendarbeit des WWF berichten, indem er kurz auf die dem WWF angeschlossenen Plattformen wie wwf-jugend oder actionpanda einging. Als ein außergewöhnliches Beispiel nannte er die Aktion „Lauf hastig gegen Plastik“, bei der im Rahmen eines schulinternen Spendenlaufs sage und schreibe 17.000 € gesammelt wurden, das der WWF-Initiative gegen die Plastikflut zugute kommt.

Erbnotstand in Deutschland

Der letzte Gesprächspunkt mutet zunächst etwas ungewöhnlich im Zusammenhang mit dem Thema des Abends an, denn hier bekommt die Nachhaltigkeit einen ganz anderen Twist: das Vererben. Fakt ist, dass sieben von zehn Deutschen kein Testament gemacht haben. Agnes Fischl stellte zudem unverblümt fest, dass der größte Initiator, ein Testament zu erstellen, die Vermeidung von Erbschaftssteuer ist. Man sollte sich jedoch aus ihrer Sicht rechtzeitig darüber Gedanken machen, was man tun muss und auch will.

Testament
Vererben. Foto: kalhh bei pixabay

Besonders bei der älteren Generation habe sie beobachtet, dass wenig über dieses Thema gesprochen wird und die Kinder oftmals überhaupt nicht mit einbezogen werden; entweder nach dem Motto „Über Geld spricht man nicht“ oder „Das geht die Kinder nichts an“. Dabei wäre es wichtig, zu klären, was die einzelnen Parteien erwarten und möchten, damit das Erbe im Idealfall nicht nur sinnstiftend, sondern auch friedenstiftend vermacht werden kann. Wer nachhaltig vererben will, sollte sich auf jeden Fall gut beraten lassen, um sicher zu gehen, dass der letzte Wille auch ausgeführt werden kann und nicht etwaige Hürden nach dem Tod auftauchen.

Bei der Frage nach dem Sinn der Lebensleistung, die ja mehr oder weniger auch das materielle Erbe ist, sollte sich jeder auch fragen, welche Wirkung sie haben soll. Bedenke ich nur meine Familie oder auch Freunde und Dinge, die mir am Herzen liegen? Vererben kann man auch an Organisationen, die mitunter sogar die Testamentsvollstreckung komplett übernehmen können. Egal wie und für wen oder was sich der Einzelne entscheidet, sollte die gewünschte Wirkung des Erbes eintreten.

Selbst den Ball ins Rollen bringen

Bei der Recherche zu diesem Beitrag bin ich im Internet auf unzählige interessante Webseiten von Organisationen gestoßen, die Nachhaltigkeit als oberstes Ziel haben. Und mit Erstaunen habe ich festgestellt, wie wenig bekannt diese sind. Mit gesundem Menschenverstand, wie ihn Agnes Fischl immer wieder im Laufe der Diskussion gefordert hat, jeder Menge Neugier auf die Pfade abseits des Stroms und einer Prise Skepsis gegenüber allzu oberflächlicher Nachhaltigkeit kommt man den Dingen auf die Spur. Jeder einzelne hat die Möglichkeit, auch im kleinen finanziellen Rahmen bewusst zu handeln und etwas zu bewegen. Nachhaltigkeit muss nicht in der Einkaufstasche enden.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf