Nachhaltige Landwirtschaft bei den 20. Wissenschaftstagen
Bäuerliche Landwirtschaft im Landkreis Miesbach. Foto: Susanne Krapfl
Wissenschaftstage Tegernsee
Passend zum Wissenschaftsjahr „Bioökonomie“ standen die 20. Wissenschaftstage Tegernsee unter dem Thema „Nachhaltige Landwirtschaft“. Im Zoomformat diskutierten Wissenschaftler unter der Moderation von Marc-Denis Weitze mit dem Publikum.
Die Landwirtschaft sei ein zentrales Thema im Landkreis Miesbach, begrüßte der Initiator der Wissenschaftstage die Zuhörenden. Zum diesjährigen Jubiläum schaue er zurück auf spannende Themen, die die Wissenschaftstage an verschiedenen Orten, wie auch dem Ringbergschloss angeboten haben.
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Bei der heutigen Veranstaltung gehe es um Digitalisierung und neue Züchtungsmethoden in der Landwirtschaft unter der Fragestellung was ist möglich und wollen wir das haben.
Digitalisierung für nachhaltige Landwirtschaft
Im ersten Vortrag zeigte Hans-Georg Frede die Möglichkeiten der Digitalisierung auch für kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft auf. Der emeritierte Professor für Ressourcenmanagement, Leiter des Institutes für Landeskultur an der Universität Gießen und acatech-Mitglied betonte zunächst, dass die Selbstversorgung mit Lebensmitteln in Deutschland hoch sei, dass es keine Engpässe in der Pandemie gegeben habe und die Qualität der Lebensmittel hoch sei. Dieser komfortablen Situation stehen allerdings die Kosten gegenüber.
Hohe Kosten durch Stickstoff
Anhand einer aktuellen Studie, die erst im kommenden Jahr publiziert wird, wies der Experte nach, dass die gesellschaftlichen Kosten etwa 30 Milliarden Euro pro Jahr für die Erzeugung von Lebensmitteln in der Landwirtschaft betragen. Preistreiber sei hier in erster Linie der Stickstoff, der ständig als Nährstoff zugeführt werden müsse und die Umwelt durch Nitrat im Grundwasser und als Klimaschädling in der Atmosphäre belaste.
Geringere Viehzahlen, weniger Fleisch essen
Eine Teillösung sei Smart Farming, erklärte der Wissenschaftler. Durch „Precision Agriculture“ und Teilflächenspezifisches Wirtschaften könnten Übermengen an Stickstoffeintrag verhindert werden. Viel wichtiger aber sei die Viehzahlen zu verringern, sprich die Verzehrgewohnheiten zu verändern. Dabei aber gehe es darum, die Verbraucher zu bewusstem Einkauf und zu Vermeidung von Abfall zu motivieren. Immerhin kommen 55 Prozent des Lebensmittelabfalls auf private Haushalte. Mit der Gesamtmenge von 931 Millionen Tonnen Abfall jährlich könne man den Hunger in der Welt beseitigen.
Smart Farming auch für kleinteilige Landwirtschaft
In der Diskussion erläuterte Hans-Georg Frede, dass die enormen Kosten insbesondere durch die erforderliche Trinkwasseraufbereitung zustande kommen und betonte, dass wirtschaftlicher, vor allem mit der Stickstoffzuführung umgegangen werden müsse.
Auf die kritische Anmerkung, dass sich wohl Smart Farming für kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht eigne, widersprach der Wissenschaftler. Die entsprechende Gerätschaft müsse beispielsweise vom Maschinenring zur Verfügung gestellt werden, dann würde Precision Farming gerade bei kleinen Flächen wirtschaftlich eingesetzt werden können.
Prof. Dr. Chris-Carolin Schoen und Prof. Dr. em. Hans-Georg Frede. Foto: privat
Im zweiten Vortrag beleuchtete Chris-Carolin Schoen das Thema Genom-editierte Pflanzen als Chance für die Nachhaltige Landwirtschaft. Die Professorin am Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung der Technischen Universität München-Weihenstephan und acatech-Mitglied startete ihren Vortrag mit einem nahezu unbekannten Forscher. Norman E. Borlaug habe Abermillionen Menschen in Mexiko, Indien und Pakistan vor dem Hungertod bewahrt und dafür den Friedensnobelpreis erhalten. Er züchtete Hochleistungssorten von Weizen und Reis und leitete damit die Grüne Revolution ein.
CRISPR, die Genschere. Foto: pixabay
Die Wissenschaftlerin betonte, dass genetische Veränderung des Erbgutes schon immer zum Züchtungserfolg beitrage und erläuterte, wie heute ein solches Zuchtschema über Variation, Kreuzung, Prüfung, Selektion hin zum Hybrid durchgeführt wird. Die Selektion geschehe nicht nur im Feld, sondern ebenso über DNA-Sequenzen, wobei man entscheiden müsse, welche Gene editiert werden sollen. Ein geeignetes Instrument dazu ist die sogenannte CRISPR-Technik, bei der eine Sequenz herausgeschnitten werden kann und entweder die DNA wieder zusammengesetzt oder aber eine neue Sequenz integriert werden kann.
Mutationen als Motor der Evolution
„Mutationen sind Motor der Evolution“, betonte Chris-Carolin Schoen. Für die Veränderung, die ein eingebautes Gen bewirken kann, brachte sie das Beispiel von pilzresistentem Weizen oder der Trocken- und Salzresistenz von Quinoa. 140 Anwendungen in 41 Arten seien heute bereits entwickelt worden, allerdings bedürfe es einer Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen, wobei sie fünf Grundsätze des Vorsorgeprinzips erläuterte.
In der lebhaften Diskussion mit Pro und Contra ging es insbesondere darum, ob man Genom-editierte Pflanzen im Landkreis Miesbach brauche. „Wir brauchen resistente Sorten, um weniger Pflanzenschutzmittel zu verwenden“, konterte die Wissenschaftlerin. Diese neuen Sorten stünden jedem zur Verfügung, sie seien ein demokratisches Mittel.
Neue Gesetze erforderlich
Ihre Botschaft sei, dass in der Züchtung alles möglich sei, aber in der Politik die richtigen Entscheidungen getroffen werden müssten. „Wir brauchen ein neues Recht, wenn fremde DNA eingebracht wird.“
Zur Frage nach der Verträglichkeit Genom-editierter Nutzpflanzen antwortete die Expertin, dass dies keine Rolle spiele. Auf die Kritk aus dem Publikum, man hätte auch Gegner der Gentechnologie einladen können, antwortete Marc-Denis Weitze, dass es bei dieser Veranstaltung darum ging, wissenschaftliche Optionen vorzustellen und zu diskutieren.
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