Horst Orlich

Nachruf auf Horst Orlich

Horst Orlich 2022 vor dem KULTUR im Oberbräu Holzkirchen. Foto: Petra Kurbjuhn

Bereits am 10. Dezember 2023 verstarb knapp 92jährig der Holzkirchner Filmemacher Horst Orlich, der über 60 Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau Gertrud Kurzfilme zu gesellschaftlichen Themen produzierte und das kulturelle Leben im Landkreis maßgeblich prägte.

„Ich möchte Geschichten erzählen und dabei aber auch kritische Anmerkungen machen,“ sagte Horst Orlich einmal. Er vermisse zunehmend, dass die Menschen nachdenken. Mit seinen Filmen aber wolle er gerade dazu anregen. Inspiration dazu war immer wieder seine Frau Gertrud. Sie habe ihn „mit vielen Ideen beflügelt, aber auch mit berechtigter Kritik die Flügel gestutzt“, bemerkte er bei einer Veranstaltung im FoolsTheater vor vier Jahren.

Der gelernte Grafiker war der geborene Geschichtenerzähler. Zuerst drückte er sich durch Fotografie, dann durch Malerei und letztlich durch den Film aus. Damit konnten die Gedanken sichtbar werden und laufen lernen.

In der Region machte er sich einen Namen durch sein Format bei der Volkshochschule „Zu schade für die Schublade“, ein Forum für Freizeitfilmer, und durch den Kurzfilmabend.

Lesetipp: „Zu schade für die Schublade“ endet nach 22 Jahren

40 Jahre lang bot er nichtkommerziellen Filmemachern ein Podium. Hier konnten Streifen, die zu schade für die Schublade sind, einem breiten Publikum vorgestellt werden. Und nicht nur das, die Filmer tauschten sich auch aus.

GROKOdile
GROKOdile. Foto: Horst Orlich

Mit seinen gesellschaftskritischen Filmen konnte der Holzkirchner viele Preise gewinnen. 24mal erhielt er den Bayerischen Löwen bei den Bayerischen Filmfestspielen, 45mal wurde er bei den Deutschen Filmfestspielen geehrt und 13mal bei den Weltfilmfestspielen. Den Großen Bayerischen Löwen erhielt Horst Orlich vor wenigen Jahren für seinen Film „GROKOdile“. Hier zeigt er sein Credo: Die großen politischen Parteien ergehen sich in Verständnisproblemen, aus der Börse wird das Böse, aber nach dem reinigenden Unwetter kommt das kleine Krokodil herausgekrochen und hält das „WIR“ hoch.

Ehrenpreis für Humanität in Hiroshima

Einer seiner wichtigsten Filme ist der 1991 produzierte Streifen „Der Palästinenser oder Christus kam nur bis Hoyerswerda“, ein bedrückende Film darüber, wie im deutschen Rechtssaat mit Ausländern umgegangen wird. Endlose Gänge auf Ämtern, unendliche Anträge, beschämende Unterkünfte, Banner mit „Ausländer raus“, das Blabla der Politiker und letztlich die Anschläge in ganz Deutschland auf Asylbewerber. Dazwischen taucht immer wieder eine Figur auf, die der Betrachtende sofort mit dem Mann aus Nazareth assoziiert.

Menschenrechte
Der Palästinenser. Foto: Horst Orlich

Mit diesem Film bereicherte Horst Orlich das Festival für Menschenrechte, das KulturVision e.V. 2022 in Holzkirchen ausrichtete. Bei den Weltfestspielen in Hiroshima erhielt der Film den Ehrenpreis für Humanität und wurde bei arte weltweit ausgestrahlt. In Warschau indes wurde ein ganz anderer Film prämiert, denn Horst Orlich zeichnet sich zwar in seinem Schaffen insbesondere durch Zeitkritik aus, aber er hat auch eine poetische Ader.

Verzauberte Zeiten

„Verzauberte Zeiten“ heißt der melancholische Film nach dem Gedicht „La Rosa“, in dem ein Mann sein ganzes Leben lang die große Liebe sucht und einer Illusion nachhängt. Eine Illusion ist vermutlich auch das Gedicht von Erich Kästner „Übermorgen“, das mit der Zeile beginnt: „Und als der nächste Krieg begann“ und in dem die Frauen ihre Männer einsperren und den sogenannten Feinden den Hintern versohlen. Diesen Film hat Horst Orlich mit Schattenrissen gefertigt.

Er verwendet für seine Animationsfilme die unterschiedlichsten Techniken. 900 Aquarelle etwa hat er zum Gedicht von Hermann van Veens „Die Hoffnung hat Milchzähne gefertigt“ gemalt.

Horst Orlich
Horst Orlich hinterlässt Spuren. Foto: Petra Kurbjuhn

Dass die Fantasie wichtiger ist als das Wissen hat schon Albert Einstein erkannt. Horst Orlich aber erkannte, dass die Fantasie am Tropf auf der Intensivstation hängt. Erst als der Chirurg unendlich viele Negativschlagzeilen aus dem Bauch herauszieht, kann die Fantasie wieder den Blick öffnen.

Jetzt ist der fantasievolle, poetische, zeitkritische und sympathische Künstler seiner Frau Gertrud vorausgegangen. Er hinterlässt Spuren und eine Lücke, die nicht geschlossen werden kann. Unser Mitgefühl gehört seiner Frau und seinen beiden Söhnen mit ihren Familien.

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