Neugier – schau hin!
Ursula-Maren Fitz: Dornenkrone. Foto: Petra Kurbjuhn
Ausstellung in Lenggries
Mit ihrem Thema „Neugier – schau hin!“ hat die Künstlervereinigung Lenggries ein tiefgründiges Thema aufgegriffen, das von den beteiligten Künstlern sehr unnterschiedlich aufgefasst wird. Dabei sind Dornenkrone, Flaschenpost und Igelstacheln.
Die weit über die Region bekannte Ausstellung, die heuer zum 15. Male stattfindet, lobte Schirmherr und Bürgermeister Werner Weindl. Die sei ein Verdienst der Künstlervereinigung Lenggries, der jedes jahr etwas Neues einfalle und die Besucher neugierig mache. Diesen Faden nahm Günter Unbescheid, 1. Vorsitzender des Vereins gern auf und erläuterte das Thema. Es gehe weder um die voyoristische, noch die kindliche Neugier, sondern um die suchende Neugier. Diejenige, die Neues erschließen wolle und zu genauem Hinsehen zwinge.
Jürgen Dreistein: Neugier und iPhone. Foto: Petra Kurbjuhn
In einer Zeit, da wir von Fakten überrollt würden, in der globalen Gleichzeitigkeit, in der es an direkter Begegnung mangle, einer Zeit des rasenden Stillstandes und der gesellschaftlichen Ohnmacht, der grenzenlosen Freiheit ebenso wie der Selbstausbeutung, wolle man zu Erkenntnis verhelfen. Dazu aber brauche es Zeit und es erfordere das Prinzip Neugier, das von den Künstlern mit „hemmungsloser Hingabe“ bearbeitet worden sei. Nun sei es an den Betrachtern, neugierig und genau hinzuschauen.
Thomas Lenhart: Einfacher Saitensprung. Foto: Petra Kurbjuhn
Das kann der Besucher schon vor dem Katholischen Pfarrheim. Hier und an verschiedenen Orten der Gemeinde hat Thomas Lenhart seine Installationen platziert. Der Echinger Künstler verfolgt das Prinzip von der Linie zur Fläche zum Raum. Und so hat er in „Der einfache Saitensprung“ Edelstahlseil und Edelstahl zu einer Symbiose verschmolzen, in der die Formen einen neuen Raum bilden.
Gabi Pöhlmann: Flaschenpost. Foto: Petra Kurbjuhn
Im Erdgeschoss sind die Arbeiten von Gabriele Pöhlmann zu sehen. „Flaschenpost“ nennt sie die Installation von Flaschen in Sand. In nicht perfektem Deutsch aber auch in fremden Schriftzeichensind Wünsche formuliert. „Ich wünsche gute Arbeit“ oder „das Welt frieden ist“ oder „eine Puppe“. Kommentar überflüssig.
Andrea Mähner: Löwenzahnsamen. Foto: Petra Kurbjuhn
Oben ist der Besucher fasziniert von den filigranen Arbeiten von Andrea Mähner. Sie sei mathematisch interessiert, erzählt die Künstlerin aus Wolfratshausen, was man ihr sofort abnimmt. Aufs Feinste fügt sie Pusteblumen, Leinsamen, Igelstacheln, Kaninchenkötel, Katzenschnurrbarthaare zu exakten Formen zusammen. Auch Menschenhaare, rot eingefärbt, drillt sie zu winzig kleinen Doppelkegeln, unfassbar.
Ursula-Maren Fitz: Glaube, Tod und ewiges Leben. Foto: Petra Kurbjuhn
Ursula-Maren Fitz wollte den im Raum installierten Christus in ihre Arbeit einbeziehen, die sie „Glaube, Tod und ewiges Leben“ nennt. Die Dornenkrone fragt: Ist Christus Anfang oder Antwort? Die Schuhe des gestorbenen Kindes fragen: Gibt es einen höheren Plan? Und das aus Glas gefertige für immer abgelegte Hemd fragt: Ist der Tod das Ende oder der Anfang? Hier muss man in Ruhe hineinspüren.
Daneben hängt die große Arbeit von Ecki Kober „Über Grenzen“, bestehend aus zwei großen Farbflächen, in der Mitte aber ist die Farbfläche von einem Gitterzaun mit Stacheldraht unterbrochen. Sind hohe Zäune die Lösung der Probleme? Fragt sich der Betrachter und hält inne.
Paula-Jiun No: Gelbe Schleife. Foto: Petra Kurbjuhn
Ebenso groß, aber ganz anders präsentiert Jürgen Dreistein seine Sicht der Neugier. Hier geht es inhaltlich um die Jagd nach Neuigkeiten, nicht umsonst heißt ein Bild iPhone. Verblüffend aber ist die Technik. Der Künstler arbeitet seine grauen Schattenfiguren auf blauem Hintergrund komplett durch Bleistift- und Farbstiftstrichelung heraus.
Paula-Jiun No stellt handgeschöpftes Papier auf die Kante, heißt, sie schneidet, reißt, rollt, faltet und klebt die gefärbten Papierstreifen zu neuen dreidimensionalen Schöpfungen. Sie heißen dann „Blauer Regen“ oder „Gong“ oder „Regenbogenbrücke“. Vielschichtig im wahrsten Sinne des Wortes sind diese schwer anmutenden und doch leichten Skulpturen.
Die „Flieger“ von Anni Rieck über Günter Unbescheid. Foto: Petra Kurbjuhn
Ganz leicht präsentiert Anni Rieck ihre „Flieger“, die die Besucher auf der Bühne erwarten und die über ihnen im Saal schweben. Aus gepresstem Papier, mit Japanpapier umwickelt, ist jeder einzelne ein Individuum und doch bilden sie ein Ganzes, insbesondere wenn Luftströmungen sie bewegen.
Auf der Galerie hat Günter Unbescheid seine Fotografie platziert. Eine Serie nennt er „Angst essen Seele auf“. Hinter einem Porträt eines Flüchtlings auf Glas scheinen verschwommen Collagen von Pressefotos, die Flucht, Vertreibung, Krieg, Gewalt zeigen. Die zweite Serie nennt er „Die im Dunklen sieht man nicht“. Hier strahlen Augen der Flüchtlinge würdevoll aus einem sonst sehr dunklen Bild. „Begegnung wird zur Bereicherung“ schreibt der Fotograf.
Die ausstellenden Künstler. Foto: Petra Kurbjuhn
„Lernen“ ist die Serie von Sophie Frey überschrieben, in der sie ängstliche Blicke von Kindern mit dem zu Lernenden kombiniert. Neugier zu wecken wäre wohl hier der Schlüssel, den die Künstlerin in ihren Aquarellen „Hinter dem Vorhang“ noch einmal anders interpretiert.
Heidi Gohde will Neugier mit ihren Fotografien wecken, die Fragen stellen. Ist das nicht Malerei? Was hat sie hier fotografiert? Der Betrachter ist eingeladen, Ungewohntes, Unvertrautes wahrzunehmen und für sich zu interpretieren.