„Nur ned hudln“ – die Neurosenheimer
Neurosenheimer und Zechfrei gemeinsam auf der Bühne. Foto: Karin Sommer
Volksmusik und Musikkabarett in Waakirchen
„Nur ned hudln“ war das Motto des Abends, von der Kleinkunstbühne Waakirchen organisiert, von den „Neurosenheimern“ durchgeführt, von „Zechfrei“ unterstützt. Ein uriger, multiinstrumentaler Abend mit bayrischem Charme amüsierte das Publikum in Waakirchen.
Die Babypause eines ihrer Mitglieder hielt die normalerweise vierköpfige Band „Neurosenheimer“ nicht von ihrem Auftritt in der Schule in Waakirchen ab. Klar war jedoch, dass eine Person nicht ausreichen würde, Katrin Zellner zu ersetzen. Mindestens zwei mussten das sein und fanden sich in Form von Annette Petz und Bernadette Heinrich, bekannt unter dem Namen „Zechfrei.“
Volksmusik und Wirtshauslieder
„Zechfrei“ steht für stilvolle Volksmusik und präsentiert eine Mischung aus eigenen Liedern und bayrischen Wirtshausliedern, manchmal schwindelt sich sogar ein österreichisches darunter. Frisch, fröhlich, stimm- und textsicher kommen Anette Petz (Flöte und Gesang) und Bernadette Heinrich (Gitarre und Gesang) daher. Nahtlos ergänzen sich ihre Stimmen.
Bernadette Heinrich und Annette Petz von „Zechfrei“. Foto: Karin Sommer
Neurosenheimer passen in keine Schublade
Die „Neurosenheimer“ lassen sich in keine Schublade stecken. Ihr Auftreten wäre beinahe klassisch bayerisch, hätte nicht Tobias Hegemann (Tuba, Kontrabass, Gesang) ein T-Shirt zur Lederhose an und wäre nicht Marita Gschwandtner (Gesang, Gitarre, Klarinette und einiges mehr) in ihr schwarzes Langarmshirt geschlüpft, auf dem eine Breze thront. Katrin Stadler (Gesang, Klarinette, Akkordeon und einiges mehr) trägt zwar Dirndl, macht aber trotzdem den Eindruck, dass auch für sie Volksmusik und bayerische Identität Begriffe sind, die nicht einengen, sondern erforscht werden sollten.
Amoi zuagroast, immer zuagroast
Zu glauben, dass der Name „Neurosenheimer“ von einer lieben Gewohnheit der Gruppe stammt, über eigene und fremde Neurosen Lieder zu schreiben, ist nur teilweise richtig. Begonnen hatte es damit, dass Tobi und Marita erst kurz vor der Bandgründung nach Rosenheim gezogen, also „Zuagroaste“ waren. Und, wie das nun einmal am Land so ist, es auch immer bleiben werden. Wahr ist aber auch, dass die Fähigkeit, die menschlichen Neurosen zugleich unverschämt und liebevoll ins Licht zu rücken, im Mittelpunkt ihrer Liedtexte steht. Egal, ob sich Marita Gschwandtner als Kopfschwitzerin outet oder ob es um die Herausforderung geht, mit „geldigen“ Städtern zurechtzukommen, es geht immer ohne Zeigefinger und bringt Alt und Jung zum Lachen.
Die Neurosenheimer beim Bayrischen Rundfunk:
Der, der nicht lachen kann
Und dann, wenn sich das Publikum zu sicher fühlt in der wohligen Finsternis, drehen die Neurosenheimer den Spieß einfach um und richten die Scheinwerfer bis in die hintersten Reihen. Besingen den, der Knoblauch gegessen hat, den, der nicht lachen kann und rücken mit dem nächsten Lied den Fokus wieder auf Geschichten, die das Leben schreibt. So wie die der Tante Ilse, die mit 99 noch einen Computerkurs an der Volkshochschule besuchte. Ganz langsam würden sie das Lied vorsingen, damit die Zuhörer bei jeder Zeile Zeit hätten zu bemerken, auf welcher Stufe ihres Alterungsprozesses sie sich befänden.
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Selbstverständlichkeit im Miteinander
Während zur Einstimmung „Neurosenheimer“ und „Zechfrei“ wirkten wie zwei Hunderudel, die sich erst beschnuppern mussten, rückten sie im Laufe des Abends zusehends zusammen. Die Bandbreite ihrer Instrumente war beeindruckend, genauso wie die Selbstverständlichkeit, mit der Tobias Hegemann seinen Mann neben vier starken Frauen stand, unaufdringlich, ruhig und humorvoll hinter seiner Tuba.
Zechfrei und Neurosenheimer im vollbesetzten Saal der Schule in Waakirchen. Foto: Karin Sommer
Texte, die Licht in geheime Ecken brachten, Liebeslieder, die als Liebeslieder angekündigt wurden, weil sie sonst nicht als solche zu erkennen gewesen wären, Humor, der ansteckte, Musik, die vibrierte. Das war die zweite Veranstaltung der Waakirchner Kleinkunstbühne im diesjährigen Zyklus. Es war ein durchwegs gelungener Abend.