Heimatgeschichten im „Nashville Gwand“
Nik Wallner einen Tag vor der Record Release Party für sein Album „Landkarte“ auf Gut Kaltenbrunn. Foto: Sabiene Hemkes
Nashville Tegernsee – klingt doch fast wie „Nashville Tennessee“? Gleichzeitig ist es der Titel einer der 11 Songs auf dem Debütalbum des Tegernseer Musikers Nik Wallner. Country Klänge statt kerniger Blasmusik auf Gut Kaltenbrunn?
Nik Wallners Debütalbum „Landkarte“
Statt Lederhosen und Dirndl – Tuba, Horn und Klarinette – zog am Samstagabend ein Hauch vom American-Country Life vom Norden her über den so traditionsbewussten Tegernsee. Dort, wo sonst etwa alljährlich der Tag der Blasmusik tausende Besucher anlockt, fand sich am Samstagabend bei der Record Release Party (Album-Präsentation) für Nik Wallners Debütalbum „Landkarte“ ein buntes Völkchen von Country und Pop Liebhabern ein. Erdiger Gitarren-, Schlagzeug-, Mundharmonika- und Basssound inklusive.
Popmusik im Tal?
Der Künstler „Nik Wallner“ ist nur wenigen von uns im Landkreis bekannt. Doch unter seinem richtigen Namen „Dominik Oberwallner“ hat der Musiker, als 21-Jähriger im Duett mit Moritz Häußinger aus Bad Wiessee im Finale einer bekannten TV-Musik-Castingshow für bundesweite und lokale Schlagzeilen gesorgt. „Das ist lange her“, erzählt der Musiker heute im Gespräch mit der KulturVision lachend. Das sei eine ganz andere Welt gewesen damals.
In den vergangenen Jahren hat der gebürtige Tegernseer fleißig an seiner Solo-Musikerkarriere gearbeitet. Kein leichtes Unterfangen im Tegernseer Tal. Probenräume und Auftrittsmöglichkeiten für junge Musiker sind Mangelware. „Es gibt zwar einige, die offen sind, zu unterstützen, aber die Resonanz auf Nachfragen ist eher bescheiden“, erzählt der 30-Jährige. Um geeignete Probenräume zu finden, sei es notwendig nach München oder Rosenheim auszuweichen. Beileibe keine optimale Brutstätte für den deutschen Pop-Nachwuchs.
Endlich angekommen im Musikgeschäft
Trotzdem gelang es dem Tegernseer im Jahr 2019 einen Major Plattenvertrag bei Warner Music an Land zu ziehen. Es folgten erste Single-Veröffentlichungen, professionelle Videoproduktionen für die Streamingdienste und einige Promo Gigs. „Das war eine tolle Zeit. Alles lief gut an.“ Nik Wallner ist heute noch die Begeisterung anzusehen, wenn er von diesen Jahren im Big Business berichtet. Kein Wunder sieht man sich die aufwendig produzierten Kurz-Filme auf YouTube etwa zu „Landweilig“ (Video) an.
Nik Wallner mit einer Bandkollegin auf der Bühne der Bar auf Gut Kaltenbrunn. Foto: Sebastian Senger
Zu dieser Zeit startete auch die Zusammenarbeit mit Tom Olbrich. Beileibe kein Unbekannter im Musikgeschäft. Mit Künstlern wie Andreas Bourani oder Yvonne Catterfeld machte sich der Produzent einen Namen. Beim Hit „Auf uns“, der Hymne der Fußball-WM 2014, war Tom Olbricht Teil des Produzententeams. Für Nik Wallner ist der erfolgreiche Produzent und Komponist heute ein Freund und Partner. „Ohne ihn würde es das Debütalbum wohl kaum geben“, macht der Musiker deutlich.
Keine Liveauftritte – keine Klicks
Denn im Frühjahr 2020 kam die Pandemie. Alles änderte sich. Besonders auch für junge Künstler, für die Liveauftritte zu Beginn der Karriere unersetzlich sind, kam es knüppeldick. Auch für den Tegernseer: „Was helfen die tollsten Videos, wenn dich da draußen niemand kennt? Da bekommt man einfach keine Klicks“. Die Plattenfirma kündigte den Bandübernahmevertrag als der vorherige Förderer und Label-Chef Bernd Dopp den Konzern verließ.
Record Release Party in der Bar auf Gut Kaltenbrunn. Foto: Sebastian Senger
Immerhin legte man Nik Wallner im Anschluss keine Steine in den Weg. Er durfte die professionellen Videoproduktionen und Musikaufnahmen für seine Karriere weiter nutzen. Die in Nashville von Musikgrößen der Country-Welt eingespielten Files sind auf den gerade erschienenen 13 Songs des neuen Albums „Landkarte“ zu hören. Mal rockig, mal poppig daherkommend, ist der Sound geprägt von der rauchig tiefen und sehr harmonischen Stimme des Tegernseers. Von „gute Laune“ Stücken bis hin zu Herz-Schmerz Titeln ist alles auf „Landkarte“ zu finden.
Warum in aller Welt Country Music?
Es bleibt die Frage: Warum in aller Welt spielt ein Mann, der in seiner Jugend beim FC Kreuth auf dem Rasen stand, der es liebt, mit dem Bike durch die Tegernseer Bergwelt zu cruisen oder mit seinen Spezies eine lässige Seepartie zu feiern, uramerikanische Country Music? Nik Wallner antwortet darauf nur schlicht: „Weil ich diese Musik liebe und ich sie im Blut habe!“ Und weil er eben mit dieser Musik sein „ureigenes Heimatgefühl“ ausdrücken kann.
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„Der See, die Berge und die Menschen sind nicht Nashville. Klar. Aber Country Music ist so viel mehr als eine Stadt irgendwo in den Staaten“, beschreibt der Musiker seine musikalische Leidenschaft für den erdigen Sound der Gitarren, Banjos oder der Pedal Steel Guitar. Doch seien wir mal ehrlich, für den deutschen Otto normal Musikkonsumenten klingt das eher etwas befremdlich in Anbetracht der wunderschönen Natur und Ruhe im Oberland.
Johnny Cash beim Seefest?
So kommt einem doch reflexartig Trucker-Musik, wie die von Truck Stop oder des unglückseligen Schlagerbarden Gunther Gabriel in den Kopf geschossen. Ergänzt von Bildern der Lkw-Fahrer in ihren Riesentrucks und etwas unbeholfen daherkommenden Square-Dancer in bundesdeutschen Tanzschulen. Und es fällt schon schwer, sich Johnny Cash, Dolly Parton oder Garth Brooks, weltbekannte Größen der neueren Country Szene, als Haupt-Act auf dem Seefest in Tegernsee vorzustellen.
Nik Wallner. Foto: Nik Wallner
Doch warum eigentlich nicht? Country Musik, die sich zu Beginn der Zwanzigerjahre in den Südstaaten der USA etablierte, galt als „der Blues der einfachen weißen Leute“ (Quelle: Das neue Rock Lexikon – Rohwolt Taschenbuch Verlag). Der Sound, den Nik Wallner nach eigener Aussage im Blut hat, entstand als Gegenbewegung zum aufkommenden Rock ’n’ Roll der 50er-Jahre in Nashville, Tennessee.
Oberbayerischer Storyteller mit Pedal Steel Guitar?
Nik Wallner sieht sich selbst als Geschichtenerzähler in der Tradition der Country Music verwurzelt. In seinen Songs erzähle er die kleinen, ganz alltäglichen Geschichten der Menschen, die mit ihm zusammen in seiner Heimat am Tegernsee leben. „Ich habe immer hier gelebt. Ich liebe die Leute, den See, die Natur. Und ich liebe den Country-Sound.“
Von der Fachpresse wird Nik Wallner bereits gefeiert
In der deutschen Country-Szene freut man sich auf das Debüt des Tegernseers. Das Online-Portal country.de hat gerade eine begeisterte Rezension zum Erstlingswerk „Landkarte“ veröffentlicht. Da heißt es: „Balladen stehen Wallner; seine Songs wie „Ich wär dabei“ und „Papa“ sind typische Tearjerker (Balladen) und gehen mächtig unter die Haut. Bravo, ein grandios gelungenes Debüt!“
Der Künstler und sein Erstlingswerk. Foto: Sebastian Senger
Bleibt abzuwarten, wie es die „Landbewohner am See“ mit der neuen musikalischen Sichtweise des Nik Wallner auf die heimatlichen Tegernsee-Geschichten halten. Wird es dem Dreißigjährigen gelingen, seine ganz eigene Country-Tradition zu etablieren? Nach dem Auftakt auf Gut Kaltenbrunn zieht es den heimischen Musiker auf Album-Tour durch die Republik. Danach heißt es für den Tegernseer wieder: „Es geht fast alles außer Handys und Internet. Uns fehlt fast gar nichts, die nächste Stadt ist unendlich weit weg.“