Dialog zwischen Atom und Ton
Claus Biegert und Sebi Tramontana im Meta Theater, Moosach/Ebersberg. Foto: Ines Wagner
Nuclear-Free Future: Lesung und Musik in Moosach/Ebersberg
Journalist, Aktivist und Begründer des Nuclear-Free Future Award Claus Biegert erzählt „Atom-Geschichten“. Dabei begleitet ihn Jazz-Posaunist Sebi Tramontana. „Kern, Spaltung, Macht, Sünde“ lauten die prägnanten Stichworte.
Die Geschichte der Atombombe sei eine indianische Geschichte, beginnt Claus Biegert. Seit er 1977 bei einer Konferenz der Vereinten Nationen auf das Thema Uranabbau auf indianischem Land und dessen gesundheitliche Folgen vortrug, hat es ihn nicht losgelassen. Er muss davon erzählen, das ist sein Beruf. Claus Biegert ist Journalist. Sein Engagement ein lebenslanges.
Nuclear-Free Future Award begründet
40 Jahre hat er bei den Indianern in Nordamerika und Kanada recherchiert. Ist aktiv geworden, hat sich Gehör verschafft. 1992 hat er die Weltkonferenz World Uranium Hearing in Salzburg ins Leben gerufen und den Nuclear-Free Future Award begründet, der jährlich Menschen ehrt, die sich weltweit für eine nuklearfreie Zukunft engagieren.
Claus Biegert im Meta Theater, Moosach/Ebersberg. Foto: Ines Wagner
An der Rückwand der Bühne im Meta Theater ist das Symbol des Nuclear-Free Future Award zu sehen: Eine Wasserschlange, Hüterin der Quellen. Schon lange sind sie verseucht, die Gewässer auf indianischem Boden. Claus Biegert erzählt von Mythen, Bergen und Plätzen, vor denen die Schamanen einst warnten. Weil da Dinge in der Erde lagerten, die man besser nicht hervorholte. Die Weissagungen der Hopi und anderer Stämme sind ignoriert worden.
Brisant und trotzdem nicht interessant
Lange nachdem die Folgen der Atombomben klar waren, wusste man noch nicht, welche Folgen selbst der Abbau von Uran hat. Und obwohl man es heute weiss, ist es in den Medien immer noch ein „no thema“. Es ist keine Neuigkeit, sondern etwas, das schleichend und immer passiert – daher nicht interessant. Claus Biegert sieht das anders.
Er erhebt nicht den Zeigefinger. Er erzählt quasi im Plauderton Geschichten von Menschen, die in Uranabbaugebieten leben und arbeiten. Von Landschaften, die verseucht sind, von „Villages of widows“. Von Bergleuten, die den Uranstaub in ihren Kleidern nach Hause tragen. Die Uranabbaugebiete in den USA befinden sich auf Indianerland. In Australien betrifft es die Maori.
Claus Biegert spricht über „Kein Thema“
Als Journalist will er Geschichten erzählen, die „Kein Thema“ sind. Uran ist kein Thema. „Wir benutzen Dinge, von denen wir nicht wissen, wo sie herkommen, und es interessiert uns nicht einmal“, kritisiert er. Er möchte aufmerksam machen, aufrütteln: Wir beherrschten zwar die Kernspaltung, aber es ist ein Mythos, dass wir auch die Folgen der Kernspaltung beherrschten.
Der Plauderton trügt. Die Geschichten, die Claus Biegert erzählt, wiegen schwer. Sie beleuchten, rücken in den Fokus, was die Medien ungern fokussieren.
Jazz-Posaunist Sebi Tramontana begleitet die Atom-Geschichten. Foto: Ines Wagner
Der Jazz-Posaunist Sebi Tramontana und Claus Biegert kennen sich seit langem. Jetzt sind sie gemeinsam unterwegs, um Menschen vom Uran zu erzählen und auf den Nuclear-Free Future Award aufmerksam zu machen.
Eigene Sprache auf der Posaune gefunden
Sebi Tramontana gehört im Bereich der improvisierten Musik zu den herausragendsten Posaunisten Europas. Er entlockt seinem Instrument eine ganze Bandbreite möglicher und unmöglicher Töne. Selten, dass man eine Jazz-Posaune als Soloinstrument derart virtuos und vielschichtig zu hören bekommt. Mit Lippen, Atem und Sprache verfremdet er die Töne, erzeugt eine erstaunliche Bandbreite ungewöhnlicher Melodien und Rhythmen, spricht eine ganz eigene Sprache auf seiner Posaune.
Ungehörtes, in jeder Hinsicht, hatte dieser Abend im Meta Theater zu bieten. Und es rief viele Fragen auf, wie man an der anschließenden Diskussion in kleinen Grüppchen sah, die sich um Journalist und Jazzmusiker scharten.