Ich nehme Norwegen mit mir, wo ich bin
Dr. Andrea Bambi, Bayerische Staatsgemäldesammlungen: „Olaf Simpl“. Foto: IW
Ausstellung am Tegernsee
Am Freitag wäre Olaf Gulbransson 150 Jahre alt geworden. In Tegernsee gab es dazu einen großen Festakt und die Präsentation der Neueinrichtung der ständigen Sammlung – mit einem frischen Blick auf den „norwegischen Bayern“, großartigen Karikaturisten und außergewöhnlichen Maler.
Seine Herkunft prägte Olaf Gulbranssons Kunst, Sprache, sein Wesen und seinen Lebensraum bis zuletzt. Hoch über dem Tegernsee hatte sich der athletische Norweger ein Klein-Norwegen geschaffen. Mit Blick auf den Fjord, pardon, den Tegernsee, und seinen Lieblingsberg, den Hirschberg. So grob und kräftig der „Titan“ gebaut war, der einen sportlichen Körperkult pflegte und im Sommer wie Winter auf seinem Hof halb nackt umherlief, so außergewöhnlich zart sind seine Zeichnungen und Ölbilder. Kaum weniger gegensätzlich war sein ganzes Leben.
Der norwegische Bayer im architektonisch reduzierten Museumsanbau von Sep Ruf. Foto: IW
„Das Olaf Gulbransson Museum ist die einzige Zweigstelle der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die sich einer einzelnen Künstlerpersönlichkeit widmet“, so Andrea Bambi. Die Referentin der Staatsgemäldesammlungen beschäftigt sich seit über zehn Jahren intensiv mit Olaf Gulbransson. In etwa dreimonatiger Arbeit hat sie gemeinsam mit Sandra Spiegler die ständige Sammlung des Museums neu konzipiert und kuratiert. Wie der Maler und Zeichner das Wesentliche in einer Linie festzuhalten vermochte, hat sie das Wesentliche seines Genies im Museumsanbau neu arrangiert: Olaf Simpl.
„Simpl steht für die Konzentration und Reduktion Olaf Gulbranssons auf das Wesentliche, auf die Genialität seines minimalistischen Stils, sowie auch für seine prägenden Arbeiten für den Simplicissimus“, so ihre Erläuterung. Laila Staseng, designierte Botschafterin Norwegens in Berlin, brachte es bei ihrer Rede zum Jubiläumsfestakt so auf den Punkt: „Der Simplicissimus ist ohne Gulbransson ebenso wenig denkbar wie Gulbransson ohne den Simplicissimus.“
Emotional, ohne gefühlsduselig zu sein
So bleibt denn auch das Schaffen des Norwegers für die Münchener Satirezeitschrift ein Schwerpunkt bei der Neuausrichtung der ständigen Sammlung. Bis zum 26. Juni ist außerdem die Sonderausstellung zum Jubiläumsjahr „Olaf Gulbransson. In Öl gezeichnet.“ mit dem Fokus auf die Malerei zu sehen. Etwa 30 Ölgemälde sowie über 400 Zeichnungen und Buchillustrationen Gulbranssons gehören zum Bestand des Museums. Neu hinzugekommen ist eine großzügige Schenkung des norwegischen Sammlers Svenn Rommerud – „24 Karikaturen von Olaf Gulbransson“. Diese außergewöhnlichen Porträts von prominenten norwegischen Kulturschaffenden, in Buchform 1899 erschienen, begründeten dessen Ruf und katapultierten ihn in den damaligen Olymp der norwegischen Künstler. Gulbranssons Stil sei „emotional, ohne gefühlsduselig zu sein, sein Humor hart, aber sein Stil elegant, graziös, vor allem aber tief komisch“, schrieb die norwegische Presse.
Berühmte Zeitgenossen
Auch der Münchener Verleger Albert Langen wurde auf Gulbransson aufmerksam, nicht nur hinsichtlich des Simplicissimus. Er veröffentlichte 1905 die Reihe „Berühmte Zeitgenossen“ mit zahlreichen Zeichnungen Gulbranssons – von Elsa Lagerlöf, Knut Hamsun und Henrik Ibsen bis Richard Strauß und Leo Tolstoi war die Elite der europäischen Kunstszene vertreten. Seinen Zeichenstil hatte dieser mittlerweile zur unfehlbaren Linie reduziert und wer von Olaf Gulbransson gezeichnet wurde, war en vogue. Zeichnungen beider Serien sind nun im Saal des Museumsanbaus von Sep Ruf zu sehen. Sie werden der Lichtempfindlichkeit wegen nur wenige Monate hängen, daher: Eine baldige Besichtigung lohnt sich ebenso wie eine regelmäßige Wiederkehr – die Exponate wechseln regelmäßig.
„Olaf Simpl“ zeigt die Essenz von Künstler und Werk anhand von Orten und Persönlichkeiten, die ihn prägten. Foto: IW
Die Präsentation der Neuausrichtung der Sammlung beginnt mit der biografischen Einordnung Gulbranssons „Mapping Olaf – der letzte Wiking“ und der Persönlichkeiten, die seinen Lebensweg prägten: Von Spiritus Rector Albert Langen und Mentor Max Liebermann über seine zweite Frau, die emanzipierte Schriftstellerin Margarete Jehly, die ihm zur „Türöffnerin“ der Gesellschaft in München wurde, bis hin zu seiner zarten und zugleich resoluten dritten Frau Dagny, die ihm am Schererhof in Tegernsee als Managerin zur Seite stand und schließlich nach seinem Tod die Schenkung des künstlerischen Nachlasses an die Staatsgemäldesammlungen organisierte sowie den Museumsbau anregte. Von ihrem Verhandlungsgeschick zeugen Fotos von Gesprächen mit Ludwig Erhard und dem Architekt Sep Ruf, der mit seinem reduzierten, ans Bauhaus orientierten Baustil im Sinne des „less is more“ für den Nachlass des Künstlers einen kongenialen Rahmen schuf.
Gulbranssons Kleidungsstil war legendär: eine Symbiose aus norwegischem und bayerischem Brauchtum, gepaart mit freier Körperkultur, und in München ganz Bohème. Foto: IW
Olaf Simpl – die Illustrationen
Schließlich gibt es noch Auszüge aus dem umfangreichen Schaffen an Illustrationen – mit Beispielen von Hans Christian Andersens Märchen und Ludwig Thomas Lausbubengeschichten sowie schelmisch illustrierte Briefe, in denen sich der „Titan“ wahlweise mit seinen Alter-Ego-Figuren wilde Katze, spielendes Kind oder dreister Seehund darstellte.
Verstrickungen
In diesem zeitgemäßen, frischen Blick auf Olaf Gulbransson wird auch den problematischen Aspekten seiner Biografie klar ins Auge gesehen und diese zur Diskussion gestellt: Von seinem „Spezl“ Ludwig Thoma bis hin zu seinem „Verhängnis“ Thomas Mann – Gulbransson war Mitunterzeichner einer fragwürdigen Protestschrift, die den Schriftsteller schließlich ins Exil trieb. Bis heute bleibt die Frage offen, ob der Künstler opportunistisch oder unpolitisch war.
Spiegel des 20. Jahrhunderts
Schlussendlich zeichnet die Biografie des Norwegers mit deutscher Staatsbürgerschaft ein facettenreiches Bild des 20. Jahrhunderts – vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und zwei Weltkriege bis zur Demokratie, mit zwei Staatsbürgerschaften und drei Ehen. Der Hof hoch über dem See war die Parallelwelt, die sich Gulbransson schuf. Die Bilder, die dort entstanden, zeugen von Natur in ihrer Reinheit. Sie deuten auf eine innere Emigration hin, angesichts der Ungeheuerlichkeiten, die ab 1933 ihren Lauf nahmen.
Bei den Selbstbildnissen schaut der Künstler „nach Innen“ statt in die Welt. Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen
„Ist es nicht auffällig, dass er auf seinen Selbstbildnissen oft der Welt den Rücken kehrt oder im Frontalporträt die Augen in einer fast erblindeten Weise darstellt?“, so Andrea Bambi.
„Ich nehme Norwegen mit mir, wo ich bin“, sagte Olaf Gulbransson noch in seinem letzten Lebensjahr, während er auf das Tegernseer Tal blickte. Die unschuldige Natur war sein Refugium. „Ich kann das moderne Tempo nicht brauchen“, zitierte schließlich Michael Beck, Vorsitzender der Olaf Gulbransson Gesellschaft, den Künstler in seiner Festrede. Gulbransson habe das „Gesehene“ in seiner Idee am Schererhof in eine friedvolle Welt verwandelt. Als eine „zarte Weltallseele“ hatte schon Joachim Ringelnatz den „sanften Spötter“ in einem ihm gewidmeten Gedicht bezeichnet.