Orgelnacht in Langegg: Die Ros’ ist ohn‘ Warum
Heini Staudinger, Unternehmer und Visionär. Foto: Ines Wagner
Orgelnacht in Langegg
Warum soll der Wohlklang der neuen Orgel in der Pfarrkirche Langegg nur als Begleitung zum Gottesdienst zu hören sein? Das fragte sich vor 15 Jahren Heini Staudinger und rief ein besonderes Veranstaltungsformat ins Leben: die Orgelnacht, von 20.45 Uhr bis 4 Uhr morgens.
Es ist eine schöne Tradition, immer in der Nacht vor Maria Himmelfahrt lädt Heini Staudinger zur Orgelnacht in Langegg ein. Der auch in Deutschland bekannte Schuhfabrikant und Visionär war Gast bei der 1. Spurwechselkonferenz in Miesbach.
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Wie immer füllte sich auch in diesem Jahr die frisch renovierte Pfarrkirche im niederösterreichischen Waldviertel schon früh mit Menschen, die dem Zauber der Musik und der Einladung zur Meditation und Reflexion folgten.
Pfarrkirche Langegg. Foto: Ines Wagner
Wesen des Menschseins
„Es geht ums Leben“, sagte Heini Staudinger, „und das vergessen wir immer wieder, wenn wir uns vom Wahnsinn anstecken lassen und dem Leben einen Zweck geben wollen.“ Das widerspreche dem tiefen Wesen des Menschseins, das uns mit der Geburt ins Herz gelegt worden sei.
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„Gott ist die Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe, das wissen wir ohne Schule, aber wir entfernen uns davon, wenn wir uns von der Konsumgesellschaft verführen lassen.“ Die Musik helfe dabei, die stetige innere Geräuschkulisse zu vergessen und sich in die eigene Tiefe zu begeben.
Emanuel Schmelzer-Ziringer und Moritz Laurer. Foto: MZ
Seit 14 Jahren bestreitet Emanuel Schmelzer-Ziringer die Orgelnacht in Langegg, dieses Mal hatte er sich zur Unterstützung seinen ehemaligen Schüler Moritz Laurer mitgebracht. Im Mittelpunkt der Nacht stand die Orgel von Walter Vonbank, die die Pfarrgemeinde vor 15 Jahren selbst finanziert hatte.
Heini Staudinger erzählt gern die Geschichte, wie er den Steirischen Orgelbauer kennenlernte. Er war in die Steiermark gereist, weil sich eine Interessentin bei ihm gemeldet hatte, die einen GEA-Laden eröffnen wollte. Damals baute Vonbank gerade die Orgel für Langegg, der Kastralgemeinde von Schrems, wo sein Unternehmen beheimatet ist.
Wärme und Tiefe
Die beiden Musiker spielten auch Cembalo und Emanuel Schmelzer-Ziringer glänzte erstmals als Sänger. Mit seinem wandlungsfähigen Bariton gab er der Fantasia „Amore traditore“ von Johann Sebastian Bach, begleitet von Moritz Laurer am Cembalo, Wärme und Tiefe.
Orgel von Walter Vonbank. Foto: MZ
Das Programm ist abwechslungsreich zusammengestellt, einmal erklingt nur die Orgel mit Bachschen Kompositionen, dann übernimmt sie die Rolle der Streicher in einem Konzert für Cembalo von Carl Philipp Emanuel Bach.
Zwischen die Bachschen Kompositionen hat Emanuel Schmelzer-Ziringer in der Orgelnacht in Langegg auch Musik von weniger bekannten Zeitgenossen des Barockmusikers eingestreut, wie von Georg Muffat oder von Johann Ludwig Krebs.
Texte deutscher Mystiker
Die Zuhörer in der mit unzähligen Kerzen erleuchteten Kirche sitzen mit geschlossenen Augen und lassen das Klangerlebnis wirken. Zwischen den Musikstücken liest Heini Staudinger Texte deutscher Mystiker.
So die berühmten Zeilen von Angelus Silesius:
Die Ros‘ ist ohne Warum
Sie blühet, weil sie blühet.
Sie acht‘ nicht ihrer selbst,
fragt nicht, ob man sie siehet.
Die Ros‘ ist ohne warum, das ist das immer wieder von Heini Staudinger aufgegriffene Thema des Abends. In unserer Gesellschaft, wo alles Tun auf Zweck, auf Nutzen hin ausgerichtet ist, wird es Zeit sich auf diese alte Weisheit zu besinnen, die schon der Mystiker Meister Eckhart vor 700 Jahren verkündete.
Vom Lassen
Zur Erkenntnis, sein Tun nicht vom Zweck bestimmen zu lassen, gehöre das Lassen an sich, betonte der Schremser visionäre Unternehmer und zitiert den Mystiker des Mittelalters:
„Erkenne hieraus, dass man allen Fleiß darauf verwenden soll, gut zu sein, nicht aber so sehr darauf, was man tue oder welcher Art die Werke seien, sondern wie der Grund der Werke sei.“
Nach jeweils 40 Minuten Musik und Texten der Mystik treffen sich die Menschen am Lagerfeuer vor der Kirche, es herrscht eine große Verbundenheit, man lächelt sich an, spricht ein paar Worte und geht selbstverständlich wieder hinein in das Kerzenlicht, taucht ein in die dargebotene Musik und lässt sich von den mystischen Texten anrühren.
Am Lagerfeuer. Foto: MZ
Traditionell schließt die Orgelnacht mit einem gemeinsamen Frühstück in der Schremser Schuhfabrik. Vorher aber darf man sich bedanken für dieses wunderbare Angebot. Eine große Pappschachtel steht am Ausgang. Das hier gesammelte Geld will Heini Staudinger für ein besonderes Projekt spenden:
Der Schweizer Regisseur Milo Rau, bekannt durch das „Kongo Tribunal“, dreht derzeit in Süditalien den Film „Das neue Evangelium“ mit Flüchtlingen.
Er wünsche sich in dieser Nacht, so sagt Heini Staudinger, dass die Zuhörer in die Stille gehen und beim Ein- und Ausatmen etwas vom Geheimnis des Werdens und Vergehens ahnen können.