Kunst- und Kulturstiftung Siebeneichler

Ouvertüre für acht in Kaltenbrunn

Kurator Erno Vroonen, Brigitte Siebeneichler und Gmunds Kulturreferent Josef Stecher (v.l.) beim Preview der Ausstellung der Kunststiftung Siebeneichler. Foto: Daniela Skodacek

Ausstellung in Gmund

„Jedes Kunstwerk hat eine Haut.“ Dieser Idee gilt es nachzuspüren in der Ausstellung „Ouvertüre 2023“. Sie weitet die Sicht des einzelnen auf eine Welt der Veränderung, der Metamorphose, wie Kurator Erno Vroonen in seiner Einführung skizziert. Die Ausstellung der Kunststiftung Siebeneichler im Rinderstall bildet die Ouvertüre zum Internationalen Musikfest und verbindet Sehen und Hören am See.

Acht Kunstschaffende treten auf unterschiedlichste Weise mit der Gesellschaft in Kontakt. Ihre Sprache und Kommunikation mit der Welt, mit den Menschen, die ihre Skulpturen und Bilder auf sich, in sich wirken lassen, öffnet den Blick auf die unterschiedlichsten Seiten des Lebens. Kunst und Musik vereinen sich in diesen Tagen. Künstlergespräche und zeitgenössische Kunst treffen auf Konzerte und klassische Musik. Welch wunderbare Ergänzung.

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Kurator Erno Vroonen bei seiner Einführung. Foto: Daniela Skodacek

Hinterglasmalerei ohne Glas und kollektive Gedächtniskultur

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Klaus-Peter Frank: „Seerosen“. Foto: MH

In seinem Atelier in Dürnbach lässt Klaus-Peter Frank kleinformatige Bilder und raumfüllende Exponate entstehen. In seiner eigenen Technik, die er selbst als „Frankografie“ bezeichnet, gestaltet er Hinterglasbilder ohne Glas. Sein Arbeitsmaterial sind verschiedenste Folien, die er in Linien verklebt, mit hauchdünnen Farbschichten versieht, danach in Sgraffitotechnik wieder abnimmt und mehrmals übereinanderschichtet. Wie sagte doch Erno Vroonen? „Jedes Kunstwerk hat eine Haut.“ Klaus-Peter Frank findet, dass die „Seerosen“ kontemplativ wirken und gute Laune ausstrahlen. Sein Kunstwerk jedenfalls strahlt durch die Mitte des fast sakral anmutenden Raumes und lädt ein, hindurchzuschreiten.

Der gebürtige Münchner und jetzt in Berlin ansässige Künstler Philipp Lachenmann ist nicht nur Architekturmodellbauer und studierter Philosoph, sondern auch ausgebildeter Filmemacher. All das kommt in seinen Werken mit kollektiver Gedächtniskultur zum Ausdruck. In Kaltenbrunn ist er mit zwei Exponaten vertreten.

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„Campo de‘ Fiori (Giordano Bruno)“ und „Mirror Painting“. Foto: Philipp Lachenmann

Herausstechend und doch verhüllend ist seine Skulptur „Campo de‘ Fiori (Giordano Bruno)“. Sie verdient es genau betrachtet zu werden. In Rom steht auf dem „Feld der Blumen“ die Statue des 1600 bei lebendigem Leib verbrannten Philosophen Giordano Bruno. Hier steht die Figur hellglänzend in der Mitte des Raumes vor hellem Hintergrund und verströmt eine fast magische Anziehung. Mystisch, fast madonnenhaft erscheint sie. Die Entstehung ist sensationell: die Fotografie eines Restaurantschirms am Campo de‘ Fiori von 2012, mit einer Art 3D- Fräsmaschine aus Polyurethan herausgefräst. Das Bild „Mirror Painting“ mit Blattsilber, in aufwändiger Mischtechnik auf Leinwand erstellt, führt den Betrachtenden zu neuen, tiefsinnigen Gedankengängen und Interpretationen.

Zwei Malerinnen mit Inspiration

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Sybille Rath: „Junger Schlaf“. Foto: Petra Kurbjuhn

Auch Sybille Rath präsentiert zwei bemerkenswerte Objekte: „Junger Schlaf“ von 2023 ist eingebettet und angelehnt an die Malerei alter Meister. Gefühle wie Angst, Aggression, Verzweiflung treten in Beziehung zur Räumlichkeit. Da flackert, fast nicht zu sehen, ein kleines Lämpchen auf und öffnet den Raum, um dahinter zu schauen. Bei ihrem Bild „Flugrolle“ arbeitet Sybille Rath aus dem Dunkel heraus und entwirft eine Szenerie wie bei Francesco Goya. Aufregend, anregend, mit Sogwirkung durch die Lichtwirkung des Werks. Und plötzlich erkennt man eine durch den Raum purzelnde Figur, die einen gedanklich gefangen nimmt. Die Künstlerin will den Raum zum Betrachten stilllegen und so neues Denken entfachen.


Ruth Effer: „Rotblaue Fuge“. Foto: Petra Kurbjuhn

Ruth Effer findet in der Natur ihre Inspiration. Ihre Papierarbeiten bestehen aus mehreren übereinanderliegenden Schichten, die sie dann etwa mit Wachs, mit verschiedenen Collagen oder Zeichnungen vervollständigt. So erzeugt sie eine faszinierende Tiefenwirkung. Lichtphänomene sind der Impuls für eine feingliedrige, gefühlvolle Arbeitsweise. „Asphalts and Lightphenomena“ heißt deshalb auch ihre neueste Komposition, bei der sie alte Arbeiten mit zufällig auftretenden Komponenten so verbindet, dass Früheres noch durchscheint. In der „Rotblauen Fuge“ von 2020 setzt sie auf Weitenwirkung, die die Nähe braucht. Die Münchnerin sagt dazu: „Die Energie ist noch da. Ich will Verdichtung, in die Tiefe gehen. Die Innigkeit erschließt sich bei meinen Werken aus der Nähe.“ Also hingehen und hinschauen und die „Idee der Haut“ durchdringen.

Malerei, Skulptur und Installation


Brigitte Siebeneichler. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Gründerin der ausrichtenden Kunststiftung Siebeneichler aus Rottach-Egern will bewusst im Hintergrund bleiben, stellt aber auch aus und lässt die Betrachterin auf die Suche gehen. Bei ihren beiden Bildern spürt man Stimmungen und Emotionen. Gerne übermalt die Künstlerin, bis die Farben zu sich selbst finden und zu einer gestaltenden Leichtigkeit führen. Die Farben sind hell leuchtend gehalten, der Natur nachempfunden und harmonieren bei der Eröffnung perfekt mit der Kleidung von Brigitte Siebeneichler.

Und mittendrin im Ausstellungsraum steht erhaben ein Reh und blickt die Besucher intensiv an. Der Bildhauer Michael von Brentano aus Seeshaupt hat es geschaffen. Makellos wirkt es und doch birgt es die Gefahren der wissenschaftlichen Entwicklung. Oder haben Sie schon jemals ein Reh mit fünf Hufen gesehen?


Michael von Brentano. Foto: Petra Kurbjuhn

Der Allgäuer Bildhauer und Konzept- und Bronzekünstler Bruno Wank ist neben seinen mit Wachs gehärteten Bilderrahmen „Silber“ von 2023 mit zwei Kairos-Figuren vertreten. Der Gott der Gelegenheit, die es am Schopf zu packen gilt, gibt dem Künstler die Möglichkeit, seine Gedanken zu ordnen und zu visualisieren. Er macht das mit modernster 3D-Technik und stellt den ultimativen Augenblick in den Mittelpunkt.


Bruno Wank: „Kairos“. Foto: Petra Kurbjuhn

Raumgreifend, glitzernd und schillernd erscheint der zweiteilige Lamettavorhang mit dahinterliegender fluoreszierender Schrift von Peter Riss. Magisch und unweigerlich zieht die Installation die Betrachter in den Bann. Der Künstler erklärt dazu: „Es geht mir um die Dualität in der Gesellschaft, um den Hang zur dunklen Seite des Lebens, in der man oft getrieben wird von Gegensätzen und moralischem Besserwissen.“ Und wieder lohnt das genaue Hinschauen und Hinterfragen, das diese Ausstellung so einzigartig macht. Bei Peter Riss geht es um die scheinbar luftig-leichte Welt des Luxus und Reichtums, die er kritisch und im wahrsten Sinne von innen beleuchtet.


Peter Riss. Foto: PR

Eine Ausstellung, die die Schönheit zelebriert, wie Kurator Erno Vroonen sagt: „Auf den ersten Blick verführerisch, bei näherer Betrachtung zeigt sie aber auch die Schwäche der menschlichen Natur, immer der Stärkere sein zu wollen.“ Gönnen Sie sich den Genuss der genauen Betrachtung und Auseinandersetzung mit dem Leben und der wunderbaren Idee der Haut.

Die Ausstellung Ouvertüre 2023 der Kunststiftung Siebeneichler zur Eröffnung des Internationalen Musikfestes am Tegernsee ist noch bis einschließlich Sonntag, 16. Juli jeweils von 14 bis 22 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. Die Künstlergespräche finden am Freitag, 14. Juli und Samstag, 15. Juli von 17 bis 18 Uhr statt.

Zum Weiterlesen: Drei Künstler – drei Welten

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