„Die Stücke einmal an die Decke werfen“
Passo Avanti öffnet mit der modernen Interpretation klassischer Werke einen völlig neuen Blick auf die Kompositionen. Foto: Manfred Lenzer
Eröffnung der 16. Otterfinger Kulturtage
Es ist nicht übertrieben: Es war ein fulminanter Einstand! Mit dem Quartett Passo Avanti haben die Organisatoren der Otterfinger Kulturtage mal wieder bewiesen, dass sie ein gutes Händchen für erstklassiges Programm haben.
Sie wollen nicht mit dem Komponisten abrechnen. Und sie werfen die Stücke an die Decke und warten, welche Töne sie finden – so beschreibt Alexander von Hagke die Arbeitsweise von Passo Avanti. Dabei geht es um so berühmte Kompositionen wie Mozarts „kleine Gigue“, Bachs „Musette“ oder Pachelbels „Kanon in D“. „Wir suchen das Neue im Alten und geben einfach unseren eigenen Senf dazu.“ Ganz schön mutig angesichts der auserwählten Komponisten. Und vor allem grandios genial. Und irgendwie auch frech. Und ganz sicher musikalisch meisterlich.
Jedes Stück ein Unikat
Passo Avanti setzt sich aus vier Musikern zusammen: Klarinettist, Cellist, Gitarrist und Geigerin. Die 2011 von Alexander von Hagke gegründete Gruppe macht aus genialen Kompositionen ebenso geniale Jazzinterpretationen. Zwischendrin wird gekonnt improvisiert. „Wenn Sie uns das nächste Mal mit den gleichen Stücken hören, werden Sie sie wahrscheinlich teils nicht mehr wiedererkennen.“ Jedes Stück quasi ein Unikat – dank der freien Improvisationen. Die Musiker selbst zeigten sich immer wieder überrascht und erfreut über die spontanen Tonfolgen der Kollegen. Alle Musiker haben Klassik und Jazz studiert.
Mal mit Querflöte, meist mit Klarinette – Alexander von Hagke (re.) gilt als der kreative Kopf des Quartetts. Foto: Manfred Lenzer
Bekannt – unbekannt – bekannt
Mensch wäre nicht Mensch, würde er nicht auf musikalisch neuem Terrain nach Vertrautem suchen: Passo Avanti fängt mit der Originalnotation an. Beispielsweise mit der Ouvertüre zu „Le Nozze de Figaro“ oder der „Fantasie in d-Moll“ von Mozart. Wie auf ein Kommando folgt der Wechsel in die Jazzharmonien und -rhythmen. Mittendrin wieder Mozart – einen halben Takt lang. Kurz Bekanntes, um sogleich wieder in der Moderne zu versinken. Die Musiker verlassen die Komposition des Meister nicht, sie führen sie meisterlich gekonnt in neue Welten – selbstbewusst, avantgardistisch, überraschend. Alles wirbelt durcheinander, aber mit System. Und immer blitzt das Original schelmisch im Reigen der Töne für eine Sekunde hervor. Zum Schluss eines jeden Stückes kehrt das Quartett meist brav wieder zum Original zurück. Anständig, gesittet, ganz im Stil der klassischen Kammermusik.
Julia Bassler, Lucas Campara Diniz und Eugen Bazijan (von links) sind in der Klassik und im Jazz gleichermaßen zuhause. Foto: Manfred Lenzer
Klassik mit Witz
Die Arrangements und Bearbeitungen stammen meist aus der Feder des Gründers. Eigenkompositionen wie „Reigen der Elfen“ oder „Summer in Skane“ selbstverständlich mit eingeschlossen. Aber auch der Cellist Eugen Bazijan legt Hand an die Stücke. Er sorgte mit seinem Körpereinsatz am Instrument und seiner Mimik eh für Unterhaltung. Es darf gelacht werden! Unterhaltsam auch der Umgang mit den Instrumenten. Da legt der Cellist das Cello schon mal über das Knie und bearbeitet es wie eine Gitarre oder wie ein Schlagwerk. Jedenfalls groovt er perfekt auf seinen fünf Saiten.
Von Klassik zu Jazzjam
Von Hagke wechselt spielerisch von B-Klarinette zu Bass-Klarinette zu Piccolo-Klarinette zu Querflöte. Fehlt nur noch das Sax in allen Variationen – was man blasen kann, scheint der Mann zu beherrschen. Zwischendrin moderiert er charmant, geistreich und witzig durch das Programm. Der brasilianische Gitarrist Lucas Campara Diniz (nebenbei auch noch Taekwondo-Meister) zupft auf klassischer Gitarre und schlägt mit dem Plektrum die Stahlseiten einer Anderen. Und die Geige mutiert unter den Fingern von Julia Bassler von Klassik zum Jazzjam-Instrument.
Bemerkenswertes Kulturprogramm
Die Otterfinger Kulturwoche bietet ihrem Publikum schon seit vielen Jahren ein zum Teil hochkarätiges Programm. Auch 2018 fällt die Entscheidung, wohin gehen und zuhören, wahrlich schwer. Da war man dankbar, Tipps von Insidern und Organisatoren zu bekommen. Hertha Böhner empfiehlt besonders „Double Drums“ am heutigen Mittwoch. Christian Springer war eh ausverkauft. Das Shevlin-Quartett am Donnerstag gehört zum Inventar der Kulturtage. Und der Landrat freut sich besonders auf Dr. Döblingers Kasperltheater am Freitag. „Das ist nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene.“
Hertha Böhner eröffnete die Otterfinger Kulturtage. Sie steht ein letztes Mal zur Begrüßung auf der Bühne – nach 16 Jahren gibt sie ihren Posten als Koordinatorin ab. Im Hintergrund die Mitstreiter Connie Seitz und Christoph Peklo. Foto: Manfred Lenzer
Auf ein letztes Mal
Für die Diplom-Mathematikerin Hertha Böhner war es die letzte Eröffnung der Otterfinger Kulturtage. Nächstes Jahr „werde ich entspannt im Zuschauerraum sitzen und die Darbietungen genießen.“ Nach 16 Jahren Organisationsarbeit zieht sich die vielseitige Otterfingerin zurück und hat ihre „Nachfolge in hoffentlich gute Hände gelegt“, wie Landrat Wolfgang Rzehak fragend kommentierte. Als Dank für die Leistung ein Händedruck – im Vorfeld spendete der Landkreis 500 Euro zur Unterstützung. Übrigens galt der besondere Dank der Chefin ihrer „Rentner-Band“, wie sie liebevoll ihre älteren Mitstreiterinnen und Mitstreiter nannte. Sie wies aber zeitgleich darauf hin, dass dringend engagierter Nachwuchs gesucht sei.
„Fulminanter Einstieg“
Jedenfalls konnte Hertha Böhner diesen Abend schon selbst genießen. Zum einen stellt sie dieses Jahr ihre eigenen Fotokunstwerke bei der begleitenden Ausstellung aus, zum anderen sprang sie selbst begeistert auf und rief durchs Mikrofon: „Das war ein fulminanter Einstand!“ Wie Recht sie hat!