Familienfreundlicher Überlebensurlaub
Bei der Ankunft ist die Stimmung noch sehr gedämpft. Foto: Petra Kurbjuhn
Theater in Tegernsee
Eine Stimmung wie im ausverkauften Haus herrschte laut Andreas Kern am Samstagabend bei „Passwort zum Herzen“, einem heiteren Dreipersonenstück, das der Leiter des Tegernseer Volkstheaters coronatauglich schrieb und das die auf Abstand sitzenden Zuschauer mit Recht mit heftigem Beifall belohnten.
Auch im Tegernseer Volkstheater kam alles anders als geplant. Das für den Herbst vorgesehene Stück hatte zu viele Mitwirkende als dass die Abstandsregeln hätten eingehalten werden können.
Andreas Kern machte aus der Not eine Tugend und schrieb seiner Frau Christina, Tochter Fanny und sich selbst ein Stück auf den Leib, das wie kein anderes in die heutige Zeit passt. Die Familienproduktion wird durch Tochter Sophie in der Regieassistenz und Schwägerin Mona Freiberg vom Chiemgauer Volkstheater, die Regie führt, ergänzt.
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„Wir wohnen in einem Haus und konnten deshalb problemlos proben“, erzählt der Autor und Schauspieler, der die Tradition seiner Eltern Amsi und Lothar Kern des Tegernseer Volkstheaters im Ludwig-Thoma-Saal fortsetzt.
„Passwort zum Herzen“ spiegelt unsere Zeit
Mit „Passwort zum Herzen“ hat er ein Stück verfasst, das in mehrerer Hinsicht unsere heutige Situation widerspiegelt. Die dreiköpfige Familie hat ein Wellnesswochenende im Fünfsternehotel gebucht und landet in einer sehr schlichten Almhütte.
Das Pumpernickel ist schon ziemlich alt. Foto: Petra Kurbjuhn
Das anfängliche Entsetzen ob der ungewohnten Umstände ohne Galadiner mit Champagner, ohne Pool, dafür mit Plumsklo, schlägt um in Zufriedenheit mit Corned beef aus der Dose mit Pumpernickel und billigem vier Jahre alten Asti Spumante.
An die Stelle von Animation und Luxus tritt ein viel wesentlicheres Gut: Zeit miteinander verbringen. „Hier machen wir mal was zusammen, sonst schiebt ihr mich immer zur Animation ab“, erkennt Tochter Fanny als erste das Potenzial dieses ungewollten Aufenthaltes.
Nach 25 Ehejahren in bester Harmonie: Christina und Andreas Kern. Foto: Petra Kurbjuhn
Und die Eltern, die sich permanent in der Wolle haben, zumeist wegen Frau Nüsslein, der Sekretärin, und einem Karatelehrer unaussprechlichen Namens, können plötzlich unter der Regie der Tochter wieder miteinander so richtig verliebt schauen. „Peinlicher Anblick der liebestollen Eltern“, meint sie dazu.
Dann erfolgt sogar noch eine umweltfreundliche Bekehrung der Eltern durch die offensichtlich bei Fridays for Future agierenden resoluten Tochter. Und was das Schönste ist, die Familie redet miteinander. „Wie habt ihr euch kennengelernt?“ will die Tochter wissen. „Passwort zum Herzen“ hieß das Buch, das der Papa damals vor 25 Jahren der Mama schenkte und das jetzt wieder aufgefunden wurde.
Familienidyll: Christina, Fanny und Andreas Kern. Foto: Petra Kurbjuhn
Die Inszenierung von Mona Freiberg ist frisch und flott, da sitzt jede Pointe knallhart. Fanny Kern als Tochter Fanny kann ihr schauspielerisches Talent voll ausleben: Sie ist anfangs die permanent am Handy hängende maulende Pubertierende, wird aber schnell diejenige, die die Zügel in die Hand nimmt.
Galant, dieser französische Garçon. Foto: Petra Kurbjuhn
Sie ist köstlich als französischer Garçon, der die Eltern dazu bringt, in Galagarderobe zum Diner zu erscheinen. Ihre tänzerischen Einlagen und ihr Abschlußlied „Ich will keine Schokolade“ zeigen, dass sie nicht nur spielen, sondern auch singen und tanzen kann.
Fanny Kern, die keine Schokolade will. Foto: Petra Kurbjuhn
Vermutlich hat sie das von ihren Eltern geerbt, denn auch Christina und Andreas Kern überzeugen nicht nur durch ihre schauspielerische Leistung, sondern ebenso durch ihre musicalähnlichen Darbietungen mit Gesang und Tanz. Herrlich schnulzig-romantisch „Can’t help falling in love“ und zum Niederknieen komisch „Love me tender“ mit Hüftschwung, das Publikum ist hingerissen.
Love me tender. Foto: Petra Kurbjuhn
Fazit: Corona ist für Kulturschaffende und Veranstalter eine Katastrophe und weckt andererseits kreative Ideen. Das Stück und die Inszenierung von „Passwort zum Herzen“ ist ein leuchtendes Beispiel.
Zum Wohl beim Galadiner. Foto: Petra Kurbjuhn