„Paul Floras Linien lächeln“
Paul Flora: Masken und Marionetten. Foto: www.paulflora.com
Ausstellung in Tegernsee
Mit einer umfassenden Präsentation des Werkes von den frühen Anfängen bis zu den späten Arbeiten gedenkt das Olaf Gulbransson Museum jetzt dem 2009 verstorbenen Zeichner Paul Flora. Ein Vergnügen sei es sie zu betrachten, sagte Hermann Hesse, grotesk und zugleich graziös.
Es ist die dritte Ausstellung in Tegernsee, die den im Vinschgau geborenen Künstler ehrt, der in Österreich geboren, in Italien und Bayern gelebt hat, aber im Grunde sich immer als Tiroler fühlte. Zur Einführung in die Ausstellung gab es am Freitag bereits eine Vorbesichtigung, die Lust auf eine Führung machte.
Museumsleiterin Sandra Spiegler gab einige Anekdoten aus dem Leben Floras preis. Ihn verbindet mit Olaf Gulbransson nicht nur dass beide geniale Zeichner waren, sondern auch, dass Flora in der Zeichenklasse Gulbranssons eingeschrieben war. Nur begegneten sich die beiden dort nicht, sondern erst später bei einer Ausstellung. „Lehrer und Schüler haben sich verpasst“, sagte Flora lapidar dazu.
Paul Flora Portrait. Foto: www.paulflora.com
So lernte Paul Flora das akademische Zeichnen nicht, war immer Autodidakt. In der Ausstellung sind ganz frühe Arbeiten vertreten, Fingerübungen, wie Sandra Spiegler erklärte, den eigenen Stil habe er damals noch finden müssen. Gefunden hatte er ihn aber spätestens mit der Serie „Das üble Alphabet“ aus der Reihe „Winzlinge“, denn die Arbeiten sind sämtlich nur fünf mal sieben Zentimeter groß. Köstliche Zeichnungen, in denen er den Buchstaben negative Wörter beigesellt. Amputation zum A, Galgen zum G, Z zum Zuchthaus. Diese Serie wird hier erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Paul Flora: Das üble Alphabet, Buchstabe G. Foto: paulflora.com
Andere Zeichnungen aber sind bekannt, so die Zeichnungen, die Paul Flora in den Jahren 1957 bis 1971 für die Wochenzeitung DIE ZEIT anfertigte. Damit trifft er exakt den Zeitgeist. Obwohl, wie Sandra Spiegler erklärte, Flora kaum gereist sei, habe er das Weltgeschehen gut verstanden. Von sich selber sagte er: „Ich bin kein Karikaturist, sondern ein Zeichner! Es könnte allerdings sein, dass meine Zeichnungen oft wie Karikaturen wirken.“
Paul Flora: Verwurzelter Bildschnitzer. Foto: www.paulflora.com
Später wandte sich Flora von politischen Themen ab und dem Alltagsgeschehen zu. Wie eine Momentaufnahme aus einem Film wirkt die Arbeit „Crime Story“. Auch seinen Tiroler Landsleuten widmete der große Zeichner Bildserien. „Verwurzelter Bildschnitzer“ heißt eine dieser Arbeiten, in denen er die tiefe Erdverbundenheit der Tiroler sichtbar macht.
Venedig im November
Der hintere Raum ist ausschließlich Venedig gewidmet, einem der wenigen Orte, die Paul Flora bereiste, allerdings außerhalb der Saison, im November, wenn es kalt und feucht und neblig ist. Diese Stimmung gibt der Blick auf Santa Maria della Salute wider. Einige der Zeichnungen zeugen vom Witz des Meisters, zum Beispiel der Aufmarsch von Wagner, Liszt und Cosima in Venedig, Wagner sehr klein im Vergleich zu Ehefrau und Schwiegervater.
Das Thema Pest hat Paul Flora in mehreren Zeichnungen verarbeitet, insbesondere zeugen die vogelähnlichen Masken, die vor Pest schützen sollen, und die Ratten von der Seuche. Auch in der kolorierten Zeichnung „Masken und Marionetten“ sind die Pestdoktoren präsent, zudem hat diese Zeichnung surreale Momente, die die untergehende Stadt Venedig ahnen lassen.
„Das Gespräch der Raben“
Die Rabenzeichnungen runden die Präsentation, die in Zusammenarbeit mit der Paul Flora Nachlassgesellschaft entstand, ab. Die 2009 kurz entstandene Zeichnung „Das Gespräch der Raben“ ist eines der letzten Werke des Meisters, von dem Erich Kästner sagte: „Flora ist ein Bilderschriftensteller. Er ist ein Literat.“ Einer der ebenso ein genialer Zeichner ist und mit seinem filigranen Strich Melancholie und Humor gleichermaßen vermittelt. Noch einmal Erich Kästner: „Paul Floras Linien lächeln.“