Pflegenotstand

Pflegenotstand – wir können alle etwas dagegen tun!

 

Kommentar zur Petition „Für eine Pflege in Würde“

Kaputtgespart, ein Wasserkopf an Bürokratie, Korruption – das sind laut dem Magazin Stern die wesentlichen Gründe für den extremen und wachsenden Pflegenotstand in Deutschland. Um den gesellschaftlichen Druck auf die Politik zu erhöhen, hat das Magazin erstmals in seiner Geschichte eine Bundestags-Petition „Für eine Pflege in Würde“ gestartet. Mehr als 155.000 Menschen haben bereits unterschrieben. Kulturvision liegt die Würde des Menschen am Herzen – deshalb unterstützen wir diese Petition und schreiben darüber.

2017. Mein Vater war schwer an Parkinson erkrankt und lag auf der Neurologie eines städtischen Krankenhauses in München. Ein einziger Pfleger hatte sich in der Nacht um die ganze Station zu kümmern. Die Medikamente von Früh und Mittag waren noch nicht verabreicht. Für einen Parkinsonerkrankten eine Katastrophe. Windeln lagen benutzt im Zimmer. Es wirkte ungepflegt, desolat. Der Boden war verschmutzt, eine benutzte Spritzenkanüle lag unterm Bett. Wir holten meinen Vater so schnell als möglich raus.

Hier geht es zum Artikel des Magazin Stern und zum Video der Bundestags-Petition „Für eine Pflege in Würde“

Wer kennt diese Situation nicht? Längst sind wir in einer Pflegesituation angekommen, die mit der Würde des Menschen immer weniger vertretbar ist. Dabei hatte mein Vater sogar eine private Zusatzversicherung. Aber was nutzt das alles, wenn zu wenig Pflegepersonal da ist? Dabei ist das deutsche Gesundheitssystem weltweit eines der besten – wie mag es woanders zugehen?

Pflegenotstand
Das erste Mal in seiner Geschichte startet das Magazin eine Bundestags-Petition. Foto: Stern

Für eine Pflege in Würde

Bernhard Albrecht hat die Bundestags-Petition des Magazins Stern initiiert. Er ist Arzt und Journalist. Er beobachtet für das Magazin seit vielen Jahren kritisch die Entwicklung im Gesundheitswesen. Im Herbst 2019 hat er bereits den Ärzte-Apell auf den Weg gebracht. Tenor: „Die Logik der Ökonomie verdrängt das Ethos der Heilkunst. Sie macht unsere Kliniken kaputt und gefährdet Patienten.“

Das alles hat was mit Geld zu tun. Geld, das fehlt. Warum auch immer. Durch Corona hat sich die Pflegesituation drastisch verschlechtert – und eigentlich nur etwas zum Vorschein gebracht, was seit langer Zeit offen diskutiert wird: Die Situation der Pfleger und Pflegerinnen und damit Patienten und Patientinnen ist in eine Schieflage geraten. Allein in der Seniorenpflege fehlen laut Regierungsgutachten rund 120.000 an Pflegekräften, in Krankenhäusern rund 50.000.

Ich kann davon ein Lied singen. Bis zum 31. Dezember 2020 war ich Gesellschafterin eines ambulanten Pflegedienstes im Norden von München. Wie oft mussten wir Anfragen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ablehnen, weil der Markt der Pflegekräfte leergefegt war. Es gab niemanden! Teilweise mussten wir sogar auf die Vermittlung von Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch eine auf Pflegekräfte spezialisierte Zeitarbeitsfirma zurückgreifen, das Arbeitsamt hat uns Personen geschickt, die teilweise gar nicht kamen oder unzureichend ausgebildet waren. Nachfrage und Angebot standen und stehen im krassen Gegensatz. Dabei ist es hinlänglich bekannt, dass durch die demografische Entwicklung der bundesdeutschen Bevölkerung eine immense Nachfrage an Pflegekräften gibt und geben wird. Also muss der Druck auf die Bundesregierung wachsen. Eine Petition wie die des Sterns ist absolut sinnvoll und notwendig!

Geld versus Menschenwürde?

Bernhard Albrecht ist scharf in seinen Worten: „Der Exodus der Pflege aus den Krankenhäusern ist die Folge einer seit Jahrzehnten verfehlten Gesundheitspolitik. (…) Die Pflegekrise kann aufgehalten werden. Das kostet Geld. Doch durch eine große Gesundheitsreform können enorme finanzielle Reserven mobilisiert werden. 20 Prozent der Gesundheitsausgaben in Europa werden nach einer Schätzung der OECD verschwendet – für Übertherapie, um Folgen von Fehlbehandlungen zu behandeln, für überbordende Bürokratie und Korruption. In Deutschland wären das, bezogen auf die jährlichen Gesundheitsausgaben, 78 Milliarden Euro. Diesen Schatz gilt es zu heben, bevor Kranken- und Pflegekassenbeiträge ins Uferlose steigen und gute Pflege zu einem Privileg der Reichen wird.“

Was prangert der Arzt und Journalist an?

Aus meiner Erfahrung mit meinem Pflegedienst habe ich seit Jahren das Gefühl, dass immer nur an einzelnen Stellschrauben im Gesundheitssystem gedreht wird – statt das ganze Uhrenwerk mal zu analysieren und grundlegend neu zu strukturieren. Es gibt einerseits eine extreme Überversorgung, andererseits eine extreme Unterversorgung von Patienten. Beispielsweise wurde vor knapp vier Jahren in der Tölzer Asklepios Stadtklinik die Geburtshilfe geschlossen. Grund: fehlendes Fachpersonal und keine finanzielle Unterstützung für den Aufbau einer Hauptabteilung. Oder ein anderes Beispiel: Im Operations-Bereich fehlte es auch in diesem Landkreis an qualifiziertem Fachpersonal. Die Ausbildung zur OP-Schwester dauert hierzulande offiziell drei Jahre. Zwischenzeitlich wurde nur kurzzeitig ausgebildetes Personal aus dem Ausland in die OP-Säle geholt. Mindestens ein Affront gegen voll ausgebildetes Fachpersonal. Das klingt nicht gerade vertrauenswürdig. Um wieder mehr Vertrauen in die Gesundheitspolitik entwickeln zu können, unterschreibe ich diese Petition – und leiste somit einen kleinen Beitrag für ein notwendiges Umdenken in der Politik.

Hier können Sie die Petition unterzeichnen.

Zum Weiterlesen: Virtuelle Angebote im Domicilium Weyarn

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