„Es gibt kein falsches Pilgern oder Wallfahren“
Der keltische Kultort bei Weyarn, Ortsteil Standkirchen, mit seinem Opferstein und der schönen Linde. Foto: Sandra Freudenberg
Eine Pilgerschaft auf den Spuren der Kelten von Weyarn bis zum Wendelstein
Die Fastenzeit hat begonnen: Gläubige Christen üben sich im Verzicht, weniger Gläubige kommen ins Grübeln, Politiker schreiben Reden, Brauereien schenken ihr hochprozentiges Fastenbier aus. Wer sich nach innerer Reinigung sehnt, der findet in der Brauchtumskultur des Bittgangs und des Pilgerns vielleicht einen Weg für sich.
In Fentbach gibt es eine wunderschöne Hochebene, sanft ansteigend mit alten, sogar uralten Bäumen, aber auch seltsamen, geometrischen Linien. An diesem Ort hatte sich der Kelten-Stamm der Benlauni in einer Festung angesiedelt. Es wird vermutet, dass 200 v. Ch. gut 2000 Menschen in diesem Oppidium, einer Viereckschanze, lebten.
Weyarn war die zweitgrößte Kelten-Siedlung Süddeutschlands
Wo die Mangfall die Seitenmoräne des eiszeitlichen Inntalgletschers durchbricht, eine 135 Grad-Wendung macht und so eine Hochebene schafft, die von drei Seiten durch Wasser geschützt ist, hatten die Kelten eine fruchtbare Heimat gefunden. Wie alle Kelten feierten sie ihre Götter und Göttinnen im Kontext der Natur.
Dafür hatten sie einen Platz, den man an der Fentbachschanze ganz leicht finden kann. Vom Wall aus erkennt man sogar noch die frühzeitlichen Prozessionswege dorthin.
Dass Wege uns oft verworren und wenig zielführend erscheinen, sei es unser eigener Lebensweg oder der Weg zu einem Ort, dass sie dafür aber tiefere, spirituelle Ebenen eröffnen, zeigt der Weg zum Keltenhügel. Wie eine Schlange windet er sich den leichten Anstieg hinauf. Die Anmut des kleinen Kulthügels könnte festlicher nicht sein: Er scheint von Alpengipfeln wie Gottheiten umringt und in der Flucht zwischen Hügel und Wendelstein liegt bis heute ein keltischer Opferstein. Der pyramidenförmige Wendelstein scheint wie eine Krone über ihm zu schweben. Ein Festplatz der Natur, ein feierlicher Ort, an Platz für Besinnung auf unsere Herkunft, auf unseren Weg.
Rom erobert Weyarn, lässt den Ureinwohnern aber ihren Glauben
Als Kaiser Augustus 15 v. Ch. die Siedlung eroberte, wurden Glaubensfragen auf typisch römische Art und Weise geklärt: Die Götter der Römer wurden den keltischen gleichgestellt, Jupiter etwa dem Taranis. Zwei Götter, einer der Besiegten und einer der Sieger, lebten nebeneinander. Rom oktroyierte seine Götter den Besiegten nicht auf, sie nahmen vielmehr deren Götter in ihren eigenen Kosmos auf. Wenn man die Götter anderer Völker ehrt, erkennt man sie und die Menschen, die zu ihnen beten, an. Gemeinschaft entsteht.
Brauchtum und sogar kirchliche Rituale haben oft Wurzeln in vorchristlicher Zeit hinein – schön zu sehen in Standkirchen bei Weyarn. Foto: Sandra Freudenberg
Heute steht auf dem keltischen Kultort, neben dem erwähnten Opferstein, ein pfundiger Maibaum. Bayerisches Brauchtum legt den katholischen Glauben so aus, dass Vieles bewahrt bleibt, was einst Keltisch war. Das Brauchtum trägt die Theologie des Ortes in sich weiter. Und damit auch eine Gesellschaft, deren Tote und Nachfahren sich hier eingeschrieben haben.
Fastenwanderung zum Wendelstein im Reinigungsmonat Februar
Blick auf den Wendelstein. Foto: Susanne Krapfl
Von der Kelten-Festung aus hat man einen der schönsten Ausblicke, nein, den schönsten, auf den Wendelstein, den Wolkenträger, den Symbolberg des bayerischen Oberlands. Auf ihm thront Deutschlands höchste Kirche, die Maria geweiht wurde. Das keltische Fest Imbolc, das für das Ende des Winters steht, und das christliche Fest Mariä Lichtmess, fallen Anfang Februar fast zusammen. Der Februar galt den Römern als der Reinigungsmonat, die 40 Tage bis zum Osterfest der Christen beginnen heuer am 14. Februar – wäre es nicht eine gute Idee, eine reinigende Pilgerwanderungen oder einen Bittgang von Weyarn nach dem Wendelstein und vielleicht noch weiter nach Birkenstein zu unternehmen? Sich Zeit zu nehmen, um in der Osterzeit anzukommen, die Fastenzeit für eine Reinigung der Seele dank einer langen Wanderung zu nutzen?
Lesetipp: Birkenstein zwischen Vergangenheit und Zukunft
Machen sie sich das Reinigende der Fastenzeit zum Thema, suchen sie das Verbindende von Gegenwart und Vergangenheit, die Wurzel des Glaubens, um besser zu verstehen, woher wir kommen. In einer Region, die unsere Heimat ist.
Wegbeschreibung:
Wer von der Keltenschanze (716 m) bei Weyarn bis zum Wendelsteinkircherl (1760 m) und nach Birkenstein (855 m) weiter zu gehen möchte, der sollte sich dafür eine Übernachtung in Fischbachau oder Bayrischzell einplanen. Der Auf- und Abstieg auf den Wendelstein kann durch die Bergbahn erleichtert werden. Biwakieren ist nur in Ausnahmesituationen geduldet.
Lichterprozession in Birkenstein. Foto: Kathi Ausfelder
Besonders die Umrundung des Wendelsteingipfels ist ein unglaublich tiefes Erlebnis. Im Winter darf dies aber nur unternommen werden, wenn alpine Erfahrung und Ausrüstung vorhanden sinsd. Es herrscht vielfach Absturzgefahr, im Sommer reicht jedoch Trittsicherheit aus.
Von Weyarn, Ortsteil Standkirchen (716 m) über Schliersee (784 m) nach Birksenstein (855 m). Wer weiter möchte steigt entweder über den Meditationsweg auf den Wendelstein (1838 m) aber man umgeht Birkenstein, steigt von Bayrischzell aus auf den Wendelstein über den Schweinsberg (1515 m) ab nach Birkenstein.
Streckenlänge: Weyarn – Birkenstein 25 km ohne nennenswerte Anstiege, circa 5-7h
Birkenstein Wendelsteinkirche circa 750 hm in cira 2h
Wendelsteinkirche – Schweinsberg – Birkenstein, je nach Jahreszeit 4-5h
Beginn: Weyarn, Birkenstein oder Bayrischzell
Ende: Birkenstein
Zeitaufwand: Die Gehzeit beträgt circa 20 Stunden, die man am besten auf zwei Tagesetappen aufteilt, oder sich Unterstützung durch die Bergbahn nimmt.
Tipp: Der kurze (ca. 20 minütige) Meditationsweg von Birkenstein zum Kalvarienberg kann für suchende Pilgerer ein Tiefenerlebnis sein. Die Energie, knapp unterhalb der Kreuzigungsgruppe ist sehr stark. Die Berg-Messe auf dem Wendelstein ist von Mai bis Oktober immer sonntags um 11h. In der Nähe der Keltenschanze findet sich ein legendäres Wirtshaus, der „Gasthof Lindl“. Dort am Stammtisch findet man einen Menschenschlag, der keinen Zweifel daran lässt, dass hier Kelten lebten bzw. weiterleben.