Pippi feiert Weihnachten in Miesbach
Waisenkind Inga, das Äffchen Herr Nilsson, Tommy und Pippi bereiten das Weihnachtsfest vor. Foto: Veronika Muth
Familien-Theater in Miesbach
Ein etwas sonderbar wirkendes, schwedisches Mädchen mit Zöpfen empört und provoziert. Und fasziniert gleichzeitig wie gleichermaßen Jung und Alt. Die Rede ist diesmal nicht von Greta Thunberg. Aber von Pippilotta Viktualia Rollgardina Schokominza Efraimstochter Langstrumpf. Und jene stand nicht in Madrid auf der Bühne des Weltklimagipfels, sondern in Miesbach auf der Bühne des Waitzinger-Kellers…und feierte Weihnachten.
Die Geschichte ist einfach und klar: Pippi will Weihnachten feiern. Und zwar so, wie ihr das gefällt, klar. Was bedeutet, dass im Prinzip alle eingeladen sind, die Lust haben und die von Pippi geschriebene Einladung lesen können. Was ja bekanntlich nicht jeder kann, denn Pippi schreibt ja so, wie ihr es eben gefällt, klar. Das wissen und schätzen auch Pippis beste Freunde, die Geschwister Annika und Tommy, welche bei den Vorbereitungen zum sogenannten Plünderfest, wie Pippi Weihnachten bezeichnet, tatkräftig mithelfen. Denn mit Pippi was zu machen ist immer und zu jeder Zeit lustiger, aufregender und schöner als…naja, als alles andere eben, klar. Aber warum?
Pippi hat keine Angst !?
Weil Pippi keine Angst zu haben scheint. Keine Angst vor Erwachsenen und deren Regeln und Vorschriften. Keine Angst vor Tante Prysselius, welche Pippi am liebsten in einem Kinderheim sehen würde, natürlich nur zu „Pippis Besten“, wie die spießig-strenge Tante immer betont. Keine Angst vor den beiden Ganoven Donner-Karlsson und Blom, die versuchen an Pippis Goldschatz zu kommen. Keine Angst, nicht schreiben, lesen und rechnen zu können, zumindest so, wie es die „Norm“ vorgibt. Keine Angst vor Karies durch maßlosen Süßigkeitenkonsum, … keine Angst vor niemandem und nichts, so scheint es. Pippi ist ja schließlich auch das stärkste Mädchen der Welt. Und das Klügste. Und das mit dem größten Herz.
Pippi zieht den beiden Ganoven Donner-Karlsson und Blom die Ohren lang. Foto: Veronika Muth
All diese typischen Pippi-Eigenschaften zeigt sie auch in dieser Geschichte
meisterhaft: Tante Prysselius wird nicht einfach ignoriert oder geärgert. Nein, Pippi nimmt sie bei der Hand und tanzt mit ihr so wild und fröhlich durch den Garten der Villa Kunterbunt, dass die liebe Tante völlig verwirrt und dennoch beschwingt die Szene verlässt. Nur wenn es eben gar nicht anders geht, dann kriegt auch mal jemand was auf den Kopf oder Hintern. Klatsch, Puff, Peng! Auch klar!
Pippi feiert Weihnachten
Vor allem aber handelt die Geschichte von Pippis Großherzigkeit und Unbekümmertheit: Inga, eine Halbwaise, welche von Pippi eingeladen und berührend beschenkt wird. Oder der Süßigkeitenverkäufer, welcher das Geschäft seines Lebens mit Pippi macht und somit Weihnachten zu Hause an der Seite seiner Frau verbringen kann….
Pippi, der Süßigkeitenverkäufer, Annika und Tommy. Foto: Veronika Muth
Facettenreiches Spiel der Theatergruppe aus Witten
Vier Schauspieler verkörpern alle 11 Figuren, welche in der Geschichte vorkommen. Inklusive dem Äffchen Herr Nilsson und dem Pferd Kleiner Onkel. Eine Herausforderung, welches das Familien-Theater „Concept“ aus Witten in Nordrhein-Westfalen, mit Bravour meistert. Nur die Darstellerin der Pippi bleibt dem Charakter Pippi treu. Was durchaus sinnvoll ist, denn die Figur der Pippi Langstrumpf ist nahezu immer präsent auf der Bühne. Abgesehen davon unterstreicht diese Stringenz in der Besetzung auch die Einzigartigkeit der Pippilotta, welche in der Bühnenfassung dem schwedische Filmoriginal in Gestik, Mimik und Sprache sehr nahe kommt.
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Neben all den überdrehten und liebenswert skurril angelegten Randfiguren beeindruckt vor allem das Spiel der „normalen“ Charaktere wie Tommy oder Annika. Die beiden erwachsenen Schauspieler transportieren den naiven Charme der wohlerzogenen Nachbarskinder und deren Begeisterung für Pippis Welt sehr überzeugend. Bereichert wird das Stück durch ein buntes, kreatives und sehr funktionales Bühnenbild a la Villa Kunterbunt. Da wird aus einer Leiter auch schnell mal ein wunderbarer Tannenbaum.
Kinder wie Erwachsene des nahezu voll besetzten großen Saals des Waitzinger Kellers honorierten die wirklich gelungene Vorstellung mit anhaltendem Applaus. Die Weihnachtsfeier der Pippilotta Langstrumpf war also gelungen.
Auch die stärksten Schwedenmädchen haben Angst
Zum Schluss der Geschichte bekommt Pippi ebenfalls ein Geschenk, welches aber eines deutlich macht: Auch Pippi hat Angst. Angst vor dem alleine sein. Die stärksten Mädchen der Welt brauchen eben auch Freunde und Familie. Zusammen aber (er)schaffen sie eine „neue“ Welt … die uns allen gefällt!(?)
Regie: Heike Werntgen