Menschenrechte nachhaltig sichtbar

Die Tafeln nach der Einweihung des Platzes am Freitag. Foto: Manfred Lehner

Festival in Holzkirchen


Holzkirchen hat nun einen Platz der Menschenrechte am KULTUR im Oberbräu. Bürgermeister Christoph Schmid weihte den Platz vor dem KULTUR im Oberbräu am Freitagabend feierlich ein. Beim Bunten Abend des Festivals für Menschenrechte – jetzt erst recht! im FoolsTheater gab es anschließend kritische ebenso wie hoffnungsvolle Beiträge zum Thema. Über die Veranstaltungen am Samstag und Sonntag wird im Paralleltext berichtet.

Er sei stolz, so sagte Holzkirchens Gemeindeoberhaupt, dass er diesen Platz einweihen dürfe. Und er dankte den Initiatoren des Festivals um Monika und Manfred Lehner, Barbara Bertram, Thomas Jarzina und dem Verein KulturVision für ihr Engagement.


Tafel 1. Foto: Frank Strathmann

Denn derzeit stehen wir den dramatischsten Verletzungen der Menschenrechte im Ukrainekrieg ohnmächtig gegenüber, aber auch vor der eignen Haustür werden sie im kleinen Maßstab immer wieder verletzt. So will das Festival auf Missstände aufmerksam machen, aber auch feiern, dass es sie gibt.


Becky Köhl, Bürgermeister Christoph Schmid, Barbara Bertram, Manfred Lehner, Thomas Jarzina, Monika Ziegler, Monika Lehner, Konrad Broxtermann. Foto: Sibylle von Löwis

Menschenrechte nachhaltig sichtbar

Manfred Lehner hatte die 30 Artikel der UN-Charta, die 1948 beschlossen worden waren, auf Alubondtafeln platziert. In den Regenbogenfarben werden sie das Thema Menschenrechte nachhaltig in der Marktgemeinde für jedermann sichtbar auch nach dem Festival am Leben halten.


Eine Bodenplatte von Konrad Broxtermann. Foto: Frank Strathmann

Zusätzlich sind im Boden zwei von Bildhauer Konrad Broxtermann geschaffenen Steine eingelassen, eine davon betrifft das Menschenrecht auf Kultur. Nach der feierlichen Enthüllung der farbigen Tafeln, musikalisch einfühlsam umrahmt vom Akkordeon-Quartett Haitari mit Maria Reiter und einem heiteren Umtrunk der Gäste lud der Bunte Abend ein, das Thema Menschenrechte aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.

Amnesty International stetig im Einsatz

Monika Lehner betonte in ihrer Begrüßung, dass das Festival für drei Tage die Menschenrechte ins Gedächtnis rufen, Amnesty International aber stetig dafür im Einsatz sei. So hat auch die Kreisgruppe Miesbach unter der Leitung von Helene und Fritz Weigl einen ständigen Informationsstand während des Festivals eingerichtet.

Menschenrechte
Moderator Christian Selbherr. Foto: MZ

Fürs Herz und fürs Hirn sei der Bunte Abend gedacht, sagte Christian Selbherr, der als Moderator durch den ersten Teil der Veranstaltung führte. Ganz in elegantem Weiß, mit weißer Weste also, schlüpfte der Schauspieler und Journalist aus einem Zelt, zog sich feinste Sneaker an und kündigte das erste Highlight an, den politischen Liedermacher Zither-Manä.

Menschenrechte
Der Zither-Manä eröffnete den Abend. Foto: MZ

Man hätte es wissen müssen, wozu Putin fähig ist, sagte der Musiker, damals schon 2006, als die russische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja ermordet wurde. Ihr hatte er ein Lied gewidmet. Aus dem Jahr 1842 stammt das Lied „Die Gedanken sind frei“, die den Artikel 18 der UN-Charta widerspiegeln.

60 Jahre Filme von Horst Orlich

„Ein bewegender Auftritt“, kommentiert Christian Selbherr und zieht sich eine Schwimmweste an, die habe er am Strand am Mittelmeer gefunden, dort wo Menschen auf der Suche nach einer friedlichen neuen Heimat seien. Er leitete über zum ersten Filmbeitrag von Horst Orlich, der 60 Jahre lang gemeinsam mit seiner Frau Gertrud Kurzfilme zu gesellschaftlichen Themen produzierte.

Menschenrechte
„Ausländer raus“ aus „Der Palästinenser“. Foto: Horst Orlich

Der heute 92jährige Geschichtenerzähler hatte 1991 den Film „Der Palästinenser oder Jesus kam nur bis Hoyerswerda“ gedreht, einen bedrückenden Film darüber wie im deutschen Rechtssaat mit Ausländern umgegangen wird. Endlose Gänge auf Ämtern, unendliche Anträge, beschämende Unterkünfte, Banner mit „Ausländer raus“, das Blabla der Politiker und letztlich die Anschläge in ganz Deutschland auf Asylbewerber. Dazwischen taucht immer wieder eine Figur auf, die der Betrachtende sofort mit dem Mann aus Nazareth assoziiert.

Menschenrechte
Monika Lehner. Foto: MZ

Die Dramaturgie des Abends haben Monika und Manfred Lehner gemeinsam mit Christian Selbherr erarbeitet, Monika Lehner kommt immer wieder als Hausmeister dazwischen und unterstützt den Moderator in seiner Arbeit. Dann aber zieht sie ihren Kittel aus und springt für Meike Harms, die für den literarischen Teil zuständig war und absagte ein. Kein Ersatz, sondern ein Gewinn. Die Valleyerin ist bekannt für ihre tiefgründigen Texte. 40 Jahre alt war der erste, den sie anlässlich einer Demonstration in Bonn geschrieben hat und der von bedrückender Realität heute ist. „Wo seid ihr alle?“, fragt sie in ihrem Text „Aufstehen“ und weiter „Warum sitzt ihr in euren Fernsehsesseln?“ „Wollt ihr nicht auch leben und sterben ohne Krieg?“


Horst Orlich in der Pause. Foto: MZ

Bedrückend auch Christian Selbherrs Pose, knieend auf der Puppe, sofort werden Assoziationen geweckt zum Thema Polizeigewalt. Dazu passt auch der Film von Horst Orlich „Übermorgen“ nach dem Gedicht von Erich Kästner aus dem Jahr 1929. Es beginnt mit der Zeile: „Und als der nächste Krieg begann.“ Die Frauen sperren ihre Männer ein und versohlen den sogenannten Feinden den Hintern. Eine Illusion?

Freiheit wird Ketten sprengen

In ihrem zweiten Text „Ach Istanbul“ wünscht sich Monika Lehner ihr altes Istanbul zurück. „Ich widme heute diesen Text den Menschen in Russland, die sich trotz des höcht repressiven Putin-Regimes trauen, eine oppositionelle Haltung einzunehmen“, sagt die Literatin und Christian Selbherr fährt fort: „Ach Aleppo, ach Eritrea, ach Äthiopien“ und gibt seiner Hoffnung trotz gefesselter Hände Ausdruck „die Freiheit wird irgendwann alle Ketten sprengen“.


Isabel Möhrenschlager und Andreas Schantz. Foto: MZ

Clownerie mit Isabel Möhrenschlager und Andreas Schantz brachte das Publikum zum Nachdenken. Wie ist das mit der prallgefüllten im Gegensatz zur eingeschnürten Erde? Ist das Europa auf dem Stier oder auf dem Esel von Esel:com? Wie wird das Leben austariert?

Die Erde ist wunderschön


Christian Selbherr und Boris Ruge. Foto: Stefanie Quaderer

Egal, von welcher Seite man sie ansieht, diese Erde, sie ist wunderschön, leitet Christian Selbherr über zum zweiten Teil des Abends, den Andrea Pancur und Boris Ruge mit Weltmusik unter dem Titel „Und weil der Mensch ein Mensch ist“ bestreiten. Lieder, die inspirieren, am Thema dranzubleiben, wolle man zu dieser Premiere des Duos vor Publikum bringen, sagt Andrea Pancur.


Andrea Pancur und Boris Ruge. Foto: MZ

Vorweg, die beiden inspirieren nicht nur, sie begeistern das Publikum. Andrea Pancurs Stimme, melodisch, biegsam, einfach nur großartig. Sie starten mit Georges Moustakis „Le métèque“, das die Musikerin so übersetzt „Mit meiner Kanakenfresse des lästigen Ausländers“.

Aber man wolle auch das Leben feiern, „Menschenrechte sollen Spaß machen“, und so hoffen die beiden, dass wenn Marihuana legalisiert werde auch Ausländer nicht mehr illegal in Deutschland leben müssen.

Die Lieder der beiden wechseln von schwermütig zu hoffnungsvoll, Andrea Pancur erzählt auch von ihrem Nebenerwerb in der Pandemie, als sie Ernst, ein tiefbegabtes autistisches Kind betreute und mit ihm auf dem Freisinger Domberg hüpfte.


Alle Mitwirkenden des Abends. Foto: MZ

Der Abend schließt mit einem Aufruf: „Schließt euch uns an. Die Welt wird schöner, die Liebe wird größer, der Hass wird kleiner.“ Und das Publikum geht beglückt aus dem Saal.

Die begleitende Ausstellung ist noch bis zum 16. Juni im KULTUR im Oberbräu, im Atrium, in St. Josef und im Öffentlichen Raum vor dem Rathaus und um den Maibaum zu sehen. Leider ist die Installation von Manfred Lehner „Architektur der Obdachlosigkeit“ vor dem KULTUR im Oberbräu verschwunden.

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