Acht Post-Corona-Szenarien

Zentrales Zukunftsthema ist der Klimawandel. Grafik ScMi

Online-Vortrag

Was lernen wir aus der Covid-19-Pandemie? Zu diesem Thema hatte KBW online eingeladen und mit Dr. Alexander Fink einen Experten gewonnen, der Post-Corona-Szenarien skizzierte. Klar ist: Ungewissheit und Komplexität nehmen zu. Diese Fragen ergeben sich: Wo geht es hin und was wünschen wir uns? Was können wir beeinflussen und was nicht?

Der 19. Vortrag im Rahmen von KBW online, angeboten von vier katholischen Bildungswerken in Miesbach, Fürstenfeldbruck, Rosenheim und Ebersberg, befasste sich mit der Frage: Wie sieht die Wirtschaft, Arbeitswelt, Gesellschaft und Politik nach der Pandemie aus?

Bei Extrapolation Fehlprognosen

Dazu informierte Alexander Fink, Gründer von ScMi Paderborn, über ein Projekt, das verschiedene Szenarien für die Zukunft entwickelte. Zunächst aber schaute er zurück und wies anhand der Entwicklung der vergangenen 15 Jahre nach, wie schnell sich die Dinge überholen und wie schnell sich rückblickend alles verändert hat. Verlängere man die Erfahrungen in die Zukunft, komme es oft zu Fehlprognosen, sagte Alexander Fink. So habe man 1946 vorausgesagt, dass das Fernsehen scheitern werde.

Post-Corona Szenarien
Fehlprognosen. Grafik: ScMi

Schaue man nach vorn und untersuche Trends der Veränderung, könne man ebenfalls in die Falle geraten. So habe es 2010 geheißen, dass in fünf bis sechs Jahren keiner mehr von Facebook reden werde. „Wir müssen über die Zukunft reden, ohne sie exakt voraussagen zu wollen“, meinte der Vortragende und bezeichnete das Vorgehen als zukunftsoffenes Denken.

Alte Denkpfade verlassen

Man müsse ausgetretene Denkpfade verlassen, komplexe Zusammenhänge verstehen und so zu vernetztem Denken kommen. Ein Werkzeug dazu ist die Entwicklung von möglichen Szenarien. „Sie sind keine Prognosen, keine Strategie und kein Produkt“, betonte der Vortragende, sondern in einem offenen Gruppenprozess mit 80 Teilnehmern wurden die Szenarien in vier Workshops und fünf Wochen gemeinsam erarbeitet.

Zunächst wurden 80 Einflussfaktoren auf die Entwicklung identifiziert, aus denen 23 Schlüsselfaktoren herausgefiltert wurden. Wie diese in der Zukunft aussehen könnten, wurde in einer Landkarte der Zukunft festgehalten.

Das Ergebnis sind acht Szenarien, die Alexander Fink vorstellte:

1. Die goldenen Zwanziger mit Rückkehr zur alten Normalität
2. Das pandemische Jahrzehnt mit Resilienz als Leitmotiv
3. Abschied von Gewohntem mit De-Globalisierung und Konsumverzicht
4. Neue globale Dynamik mit fairem Wachstum und kooperativen Strukturen
5. Massive Virtualisierung mit Sicherheit und neuer Nähe im Netz
6. In Corporate Hands mit Fortschritt auf Kosten von Teilhabe
7. Kontinuierliche Krise als Nährboden für autoritäre Ideen
8. Zerfall der Ordnung mit Kontrollverlust und Entsolidarisierung.

Post-Corona Szenarien
Die Post-Corona Szenarien. Grafik: ScMi

Aus den Szenarien wurden im Herbst 2020 sieben Kernaussagen für Post-Corona abgeleitet:

1. Klimawandel ist zentrales Thema
2. Starker Strukturwandel nach der Krise
3. Hohe Zukunftsfähigkeit Deutschlands und Europas
4. Arbeitsleben wird flexibler
5. Virtualisierung wird beschleunigt, soziale Kontakte verringern sich nicht
6. Experten sehen Zukunft kritischer als Jugend
7. Vier Fragen werden den Transformationsprozess bestimmen.

Die Beteiligten waren sich einig, dass sie sich Szenario 4 für die Zukunft wünschen. Daraus ergeben sich diese Fragen:

1. Wie erreichen wir eine breitere Innovation und einen Strukturwandel?
2. Wieviel globale Dynamik und regionale Entschleunigung soll es geben?
3. Wie stark sollen Arbeit und Leben virtualisiert werden?
4. Wie kann man Überkommerzialisierung und Unterminierung der öffentlichen Hand verhindern?

In einer weiteren Studie waren 117 Zukunftsexperten befragt worden, wie sie die Zukunft sehen. Während sich 2020 noch 73 Prozent optimistisch geäußert hatten, dass es zu einem positiven Strukturwandel kommen werde, waren 2021 58 Prozent der Meinung, dass man zur alten Normalität zurückkehren werde, nur 37 Prozent sahen einen Strukturwandel in Richtung Nachhaltigkeit voraus.

Post-Corona-Szenarien
Grafik: ScMi

Zudem befürchteten 90 Prozent Wertekonflikte. Ländlichen Räumen wurden hohe Potenziale vorausgesagt. Auch wurde eine massive Spaltung der Wahrnehmung diagnostiziert.

Überrascht waren die Experten von aggressiven Querdenkern, der Etablierung von Home-Offices, der schnellen Entwicklung von Impfstoffen und der Hilfsbereitschaft der Menschen in der Pandemie.

Post-Corona Szenarien
Dr. Alexander Fink. Foto: ScMi

Sie konstatierten, dass sich viele Hoffnungen aus der frühen Coronazeit nicht erfüllt haben, wie mehr Gemeinwohl oder mehr Engagement beim Klimaschutz. Als wichtigste Themen der Zukunft sehen sie Bildung, Klima, soziale Gerechtigkeit und Demokratie.

In der Diskussion betonte Alexander Fink, dass im regionalen Raum durchaus Beeinflussung der Faktoren möglich sei, im globalen Maßstab aber eher nicht. Befragt nach seinem Lieblingsszenario meinte er: „3 oder 4 kann ich mir vorstellen.“

Die gesamte Studie kann auf der Webseite von ScMi heruntergeladen werden. Wer über neue Ergebnisse informiert werden oder sich an den weiteren Aktivitäten zu den Post-Corona-Szenarien beteiligen möchten, kann eine Mail an postcorona@scmi.de senden.

Zum Weiterlesen: Zukunftslabs: Die Zukunft aktiv mitgestalten

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