Projekt Seelenschreiber Schreibworkshop

„Seelenschreiber“ für mentale Gesundheit

Die Workshopteilnehmer befassten sich mit ihren Emotionen. Foto: SB

Projekt Seelenschreiber

Rund 18 Millionen Menschen in Deutschland leiden jedes Jahr an einer psychischen Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit, selbst in diese Statistik zu rutschen oder jemanden im nahen Umfeld zu haben, der etwa an einer Depression erkrankt, ist nach zwei Jahren Pandemie signifikant erhöht. Den Betroffenen eine Stimme geben und ihnen Möglichkeiten zum kreativen Ausdruck ihrer Gefühle zu vermitteln – das ist das Ziel des Projekts „Seelenschreiber“. In dessen Rahmen fand kürzlich ein Workshop zum Thema „Kreatives therapeutisches Schreiben“ statt.

Lesetipp: Auf die Seele schauen

Jeder vierte Deutsche erkrankt derzeit pro Jahr an einer psychischen Krankheit – ausgenommen von dieser Studie sind jedoch Kinder und Jugendliche sowie Menschen über 79 Jahre. Jeder dritte deutsche Jugendliche weist derzeit bereits Merkmale einer psychischen Erkrankung auf. Diese Zahlen sind schockierend, jedoch schon lange kein Geheimnis mehr. Doch weiterhin fällt es den Betroffenen schwer, offen über ihre Erkrankung oder ihre Gefühle zu sprechen. „Das Stigma, welches psychisch Erkrankten anhaftet, bleibt trotz vermehrter Aufklärung leider auch weiterhin ungebrochen“, sagt Selina Benda. Die freie Redakteurin ist Initiatorin des Projekts „Seelenschreiber“ und veranstaltete gemeinsam mit der Psychologin und Psychotherapeutin Martina Laumann den Schreibworkshop „Kreatives therapeutisches Schreiben“ im Weyarner Bürgergewölbe.

Die eigene Psyche verstehen

An zwei Samstagen führten die Psychologin und die Redakteurin die zehn Workshopteilnehmer in die Welt der Emotionen und des kreativen Schreibens ein. Denn um den Prozess des therapeutischen Schreibens überhaupt zu verstehen, war es zunächst wichtig, den Teilnehmern das nötige theoretische Wissen in Bezug auf ihre Gefühle, Gedanken und Erlebnisse zu erklären. Was sind Emotionen überhaupt, wo und wie sind diese spürbar und vor allem, was passiert mit der Psyche des Menschen, wenn er versucht, seine Gefühle zu verdrängen und zu unterdrücken? All diesen Fragen ging Martina Laumann auf den Grund. Schnell wurde klar, dass besonders nach zwei Jahren Pandemie, ein enormer Bedarf besteht, offen über das Erlebte und Gefühlte zu sprechen. „Es tut so gut, einfach mal alles sagen zu können, ohne verurteilt zu werden“, merkte eine Teilnehmerin an.

Projekt Seelenschreiber
Wenn die Seele überlastet ist, müssen wir uns um sie kümmern. Foto: SB

Wichtig zu erwähnen ist, dass nicht alle Teilnehmer des Workshops an akuten psychischen Erkrankungen leiden. Manche haben diese bereits überwunden, andere hatten bisher noch gar keine Erfahrungen in diese Richtung. Jedoch war bei allen der Wunsch groß, ein Ventil für all ihre Emotionen und Gedanken zu finden. Denn ob erkrankt oder nicht, wird der Druck von verdrängten Gefühlen zu hoch, tragen viele Menschen eine besonders große Last, die sich ihren Weg zum Ausdruck sucht. Oft geht das jedoch mit Wutausbrüchen, Nervenversagen oder körperlichen Symptomen einher.

Eine Möglichkeit, die belastenden Gefühle in kreative Bahnen zu lenken und sich damit seelische Erleichterung zu schaffen, ist das kreative Schreiben. Als therapeutische Methode wird es zwar mittlerweile auch in Deutschland von Psychologen in Kliniken, Rehas und Praxen vermehrt eingesetzt. Jedoch ist das kreative therapeutische Schreiben auch als präventive Maßnahme für psychische Erkrankungen noch nicht weitreichend bekannt. „Es ist so wichtig, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, die den Menschen schon vor einer schweren psychischen Erkrankung helfen können“, sagt Selina Benda.

Projekt Seelenschreiber
Auch auf Instagram spricht die Redakteurin über das Thema mentale Gesundheit. Foto: SB

„Seelenschreiber“ schafft Erleichterung

„Jeder kennt das erleichternde Gefühl, wenn wir uns etwas sprichwörtlich von der Seele geschrieben haben, sei es in einem Brief oder einer Nachricht. Diese einfache und trotzdem wirksame Methode, um sich von seelischem Ballast zu befreien, kann wirklich jeder erlernen und für sich als Hilfe zur Selbsthilfe anwenden“, erklärt die Redakteurin. Anhand verschiedener Schreibübungen vermittelte sie den Workshopteilnehmern das Handwerkszeug, welches sie benötigen, um in Zukunft selbstständig die Methode des kreativen therapeutischen Schreibens anzuwenden. Um sich psychisch auf den Schreibprozess vorzubereiten ist es wichtig, vorab Achtsamkeitsübungen oder Meditationen durchzuführen. „Dadurch versetzen sich die Schreibenden in einen entspannten Zustand, um ganz bei sich und ihren Gefühlen zu sein“, sagt Martina Laumann.

Haben Sie auch mit einer psychischen Krise zu kämpfen? Hilfe erhalten Sie bei den Krisendiensten Bayern.

Anhand der vier Phasen des kreativen therapeutischen Schreibens – Inspirations-, Inkubations-, Illuminations- und Verifikationsphase – gelangen so die derzeit vorherrschenden Gedanken und Emotionen der Teilnehmer an die wahrnehmbare Oberfläche. Das Niederschreiben mit der Hand kann so dabei helfen, diesen aufkommenden Prozess aus dem Körper heraus abzuleiten und somit zu verarbeiten. „Ich dachte ich würde schon viel über Gefühle wissen, aber in Verbindung mit dem Schreiben wurde dies nochmal präsenter bei mir“, resümiert eine weitere Teilnehmerin des Workshops.

Stipendium Projekt Seelenschreiber
Das Projekt „Seelenschreiber“ wird gefördert durch ein Stipendium von Neustart Kultur. Foto: SB

„Es war schön zu sehen, welche Entwicklung bei jedem einzelnen Teilnehmer innerhalb der zwei Tage stattfand. Jeder für sich hat einen Weg gefunden, das Gelernte umzusetzen und sich damit wohl zu fühlen“, sagt Selina Benda. Besonders beeindruckend war für sie und Martina Laumann zu merken, wie offen die Teilnehmer über sich und ihre Leben gesprochen haben. „Dieser Bedarf, sich völlig ohne Schamgefühl einfach aussprechen zu können, über seine Probleme sprechen zu können, ist riesig“, stellt die Redakteurin fest.

Aufklärungsarbeit fortsetzen

Dies bestärkt sie noch mehr in ihrer Arbeit, mit dem Projekt „Seelenschreiber“ fortzufahren: „Wir alle haben eine Psyche, wir alle können erkranken und wir alle sollten offen darüber sprechen können, wenn es denn so ist. Aber auch schon lange davor, wenn wir eine schwierige Lebensphase durchmachen und von jemandem ein offenes Ohr und Verständnis benötigen. Mein Ziel ist es, dass dies in Zukunft kein Tabu mehr ist, für niemanden in unserer Gesellschaft.“

Gemeinsam mit Fotografin und Art Directorin Lisa Ploschka, hat Selina Benda eine Ausstellung zum Projekt „Seelenschreiber“ konzipiert und gestaltet. Diese ist vom 3. bis 26. Juni in den Glasfronten des Waitzinger Kellers in Miesbach zu sehen. In dieser verbinden sich Fotos und Texte der Teilnehmer des Schreibworkshops zu einer kreativen Botschaft, um auf das Thema „Mentale Gesundheit“ aufmerksam zu machen. Die Ausstellung ist jederzeit und ohne Eintritt zu sehen. Mehr Informationen zum Projekt „Seelenschreiber“ finden Interessierte unter www.selina-benda.de sowie Instagram.

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