Ein Prost auf die Prosa
Volker Camehn. Foto: IW
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Volker Camehns Gedichtband „Prost & Prosa“ Nummer drei ist erschienen. Untertitel: Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Der „Junge von Kasse 3“ trinkt weiter Bier, schreibt seitenweise Gedichte und bringt jede Menge kritisches, unterhaltsames und nachdenkliches unter die Leute.
Warum „Prost und Prosa“? „Lyrik und Lallen“, grinst er, sei jedenfalls nicht besser. Volker Camehn liebt Alliterationen. Mit seinem Titel trotzt er der Behauptung „Alkohol ist auch keine Lösung“ – und behauptet einfach das Gegenteil. Überhaupt macht Volker Camehn immer wieder mal gern das Gegenteil von dem, was die Gesellschaft so von ihm erwartet: vom Chefredakteur zum Call-Center-Clown, vom Arbeitslosen zum „Junge von Kasse 3“ und so weiter. Dazwischen arbeitet er auf einem benachbarten Pferdehof, wo auch sein „Quinsi“ steht.
Keine Angst vor der Zukunft
Existenzängste kennt er nicht und genau das ist sein doppeltes Netz unter den Füßen. Es geht immer weiter im Leben, wie mit den Gedanken und Gedichten. Sie fließen einfach aus seinem Kopf, seiner Hand. Und er möchte sie mitteilen. Das kommt gut an. Und es liegt wohl an einer Mischung aus allem – seiner Persönlichkeit, seinen unorthodoxen Weisheiten, seiner unkonventionellen Art des Reimens und seinem Talent, die Lesungen zu gestalten: immer ein bisschen schräg. Wenn es ginge, würde er auch auf der Bühne rauchen, ein Bier steht zumindest immer dabei. Prost.
Schreiben als Überlebensmittel
Wer nun meint, in dem neuen Prosaband ginge es um Gedichte, die bei alkoholbedingten Unfällen im Haushalt passiert sind, irrt. Der doppelzeilige Titel leitet wie auch die Koketterie mit Kippe und Flasche in die Irre. Im Zwischenzeiligen liegen die Botschaften. Das Schreiben wurde für Volker Camehn zunächst zum Überlebensmittel. Nachdem er als erfolgreicher Chefredakteur in München seinen Job verlor, war er fertig mit der Medienbranche. Die Enttäuschung saß tief. Aber er hat sie nicht in Alkohol ertränkt, sondern einen herrlichen Humor daraus entwickelt. Einen ziemlich schwarzen, versteht sich.
Nachdenklich, witzig und provokant: Volker Camehn. Foto: IW
Seine Gedichte handeln vom Scheitern und vom wieder Aufstehen und Weitermachen. Sie erzählen vom Beschreiten unkonventioneller Wege – und das mit großer Lust. „Wenn das jeder machen würde“ ist eines dieser Gedichte. Volker Camehn ist gewissermaßen ein poetischer Anstifter. Und er hat jede Menge Vorschläge, was jeder mal machen könnte: Karriereleiter runterklettern. Geld nicht zur Bank bringen. Flüchtlinge retten, Grenzen ignorieren, keine Waffen verkaufen, im Führungskräfteseminar mal herzhaft loslachen – sind nur einige seiner Ratschläge, es mal anders zu machen. Dazu gehört auch: „Einfach mal nichts sagen. Einfach mal zuhören. Einfach mal nichts machen“.
Prost & Prosa ist ein Weg
Ist es nicht genau das, wonach sich alle sehnen, aber es zu machen sich kaum einer traut? Mut zur Muße – wo ist er geblieben? Einfach mal nichts machen, wer schafft das schon? Volker Camehn macht es – und dabei kommen diese herrlichen, mal witzigen, mal lapidaren Gedichte heraus. Er hebt nie den Zeigefinger. Er zeigt nur Wege und Möglichkeiten, mal das Hamsterrad anzuhalten und aus dem „größer, schneller, weiter“ unserer Leistungsgesellschaft auszusteigen. Und das tut er so entspannt und unbeschwert, dass es ansteckend wirkt. Die Menschen, die zu seinen Lesungen strömen, die immer noch ein Geheimtipp sind, bestätigen das.
Volker Camehn mal leise und innig. Video: VC
Dabei liest Volker Camehn nicht nur, so wie nicht nur dichtet. Er schreibt auch Lieder. Seine Songs verbreitete er zuerst auf youtube. Inzwischen gehören sie auch zu seinen Lesungen. Musik ist seine zweite Leidenschaft. Laut und leise oder das Brechen vom Rhythmus in der Musik finden sich auch in seiner Sprachmelodie wieder. Er spielt mit den Kontrasten – von lustig und mitreißend bis deprimierend, berührend, erschütternd. Es sind auch leise Liebeslieder darunter. „Da singe ich ein bisschen, obwohl ich es nicht kann, aber es macht Spaß“, sagt er unverdrossen. Dass er weder richtig Klavier spielen, noch richtig singen kann, macht nichts. „Das ist Punk“, meint er.
Cover von Prost & Prosa Nummer 3 (Ausschnitt)
Volker Camehn schockt sein Umfeld gern, um es aus der Reserve zu locken. Rationalität habe etwas Kaltes für ihn und alles Unheil auf dieser Welt sei immer aus rationellem, nüchternen Kalkül passiert, mahnt er. Deshalb sollte überhaupt mehr getrunken werden.